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Der Aristonikosaufstand

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Denn auf den Tod Attalos’ III. hatte dessen Halbbruder, ein illegitimer Sohn Eumenes’ II. namens Aristonikos, nur gewartet, um eine Usurpation des pergamenischen Thrones zu versuchen. Das Testament Attalos’ III. gab Aristonikos jetzt noch einen zusätzlichen Trumpf in die Hand. Aber bei der Erhebung des Aristonikos handelte es sich nicht einfach um einen Putsch oder um dynastische Wirren vom Dutzendschlag, wie sie in den meisten hellenistischen Monarchien immer an der Tagesordnung gewesen waren, sondern um einen Aufstand ganz besonderer Art. Um sich durchzusetzen, benötigte Aristonikos eine breite und schlagkräftige Anhängerschaft. Da das pergamenische Heer aber nicht zu gewinnen war und auch die benachbarten griechischen Städte kein besonderes Interesse an einem Königtum des Aristonikos haben konnten, gab es nur eine Schicht im Königreich, die sich für einen Massenaufstand anbot, die zahlreichen Sklaven auf den großen königlichen Gütern, in den Tempelstaaten und Städten, vor allem aber auch in den königlichen Bergwerken und Betrieben auf dem flachen Land. Dort durfte Aristonikos gerade deshalb auf eine besonders starke Resonanz hoffen, weil diese Sklaven nach den Bestimmungen des Attalos-Testamentes praktisch überwiegend in den Besitz der Römer übergehen sollten. Möglicherweise ist Aristonikos durch Nachrichten über die 136 v. Chr. in Sizilien ausgebrochene Sklavenerhebung in seinen Plänen bestärkt worden, und wenn die herkömmliche Interpretation einer pergamenischen Inschrift richtig ist, gärte es unter den Sklaven und Beisassen der Stadt Pergamon schon vor dem Tode des Attalos, auf alle Fälle setzte Aristonikos hier ganz planmäßig an.

Er erklärte die Sklaven, die ihm folgten, für frei und wiegelte auf diese Weise Tausende auf. Diese Anhänger bezeichnete er dann als Heliopoliten, wobei es umstritten ist, was Aristonikos mit diesem Begriff verband, was er damit versprach, und wie seine Vorstellung des neuen Staates Heliopolis im einzelnen zu definieren ist. Zumindest muß es als problematisch gelten, ob hier Zusammenhänge mit jener Staatsutopie bestehen, die Jambulos in einem Roman auf einer Sonneninsel im Ozean angesiedelt hat, einem Roman, über dessen Inhalt wir aus einem Bericht Diodors (2, 55ff.) in großen Zügen Bescheid wissen. Danach lebten die Heliopoliten Jambuls in einer klassenlosen, „kommunistischen“ Gesellschaft, in der es weder Sklaven noch Eigentum, noch Ehen gab. Das Kernproblem für alle Fragen der Zusammenhänge zwischen Jambul und Aristonikos liegt freilich in der Datierung dieses Romans, die völlig unsicher ist. Wahrscheinlich empfiehlt sich hier doch eine gewisse Zurückhaltung, vermutlich wurde unter dem Heliopolis des Aristonikos eine Staatsgründung verstanden, die unter den Schutz des Helios gestellt war, in der also die gleiche Sonne der Gerechtigkeit für alle leuchten sollte.

Wie ideal und utopisch die Vorstellungen von Heliopolis klingen mögen, für Aristonikos waren sie wahrscheinlich lediglich ein Mittel zum Zweck, doch sein nächstes Ziel, nämlich die Entfesselung eines weitgespannten Aufstandes, hat er damit auf jeden Fall erreicht. An der Spitze der großen Sklavenmassen konnte er seine Herrschaft bald über die weiten Binnenlandschaften des Pergamenischen Reiches ausdehnen, dagegen schloß sich ihm von den griechischen Städten lediglich Phocaea an, und die Schiffe, die Aristonikos als bescheidenen Anfang einer Seemacht zusammengebracht hatte, wurden schon bald von einem ephesischen Geschwader vernichtet. Wenn Aristonikos auch auf eine Unterstützung von seiten der Griechen gerechnet hatte, so waren diese Hoffnungen schon in der Anfangsphase der Erhebung ins Nichts zerronnen.

Die Ausbreitung des Aufstandes wurde in erster Linie dadurch begünstigt, daß Rom keine Truppen zur Hand hatte, um die Erhebung schon im Keime zu ersticken, sondern den Dingen praktisch zunächst ihren Lauf lassen mußte, so wie dies 16 Jahre zuvor auch bei der Erhebung des Andriskos in Makedonien der Fall gewesen war. Statt dessen griffen nun in Kleinasien die Pergamon benachbarten griechischen Städte und insbesondere auch die benachbarten Königreiche Bithynien, Pontos, Paphlagonien und Kappadokien zur Selbsthilfe oder zur prophylaktischen Notwehr, denn in allen diesen Staaten gab es ja ebenfalls Zehntausende von Sklaven, die natürlich mit der Sache der Heliopoliten sympathisierten und die sich eines Tages Aristonikos anschließen und die gesellschaftliche und politische Ordnung auch in den Nachbarstaaten ernsthaft gefährden konnten. Trotz der Intervention dieser sehr nüchtern zu beurteilenden Interessengemeinschaft der Nachbarn gelang es aber nur mühsam, den Brand einzudämmen. Nach dem Ausweis einer Inschrift (OGIS 338) mußte man in Pergamon selbst die Rechtslage der Beisassen und Sklaven verbessern, um den Druck der Bewegung aufzufangen. Aristonikos wurde wohl von den Küstenstädten erfolgreich zurückgeworfen, aber auf dem flachen Land konnten sich seine Anhänger lange Zeit behaupten. Auf dem Höhepunkt der Erhebung erfaßten die Unruhen im Süden selbst Halikarnaß und Karien, im Nordwesten die Städte der thrakischen Küste.

131 und 130 v. Chr. wurde eine römische Heeresabteilung unter dem Konsul Crassus Mucianus wiederholt besiegt, der Konsul gefangengenommen und getötet. Doch diese römische Katastrophe sollte dennoch den Umschwung nach sich ziehen. Einerseits verstärkten jetzt die Städte Ephesos, Kolophon, Samos u.a. ihre militärischen Anstrengungen, desgleichen die benachbarten Königreiche. Andererseits ging auch der römische Statthalter M. Perperna entschlossen gegen Aristonikos vor. 130 v. Chr. belagerte er den Usurpator in Stratonikeia, das schließlich fiel. Ein Jahr später waren auch die letzten Aufstandsherde erstickt, Aristonikos ging im römischen Staatsgefängnis zugrunde.

Erst jetzt war Rom Herr des pergamenischen Erbes, das es allerdings nur zum Teil in seine unmittelbare Verwaltung als Provinz Asia übernahm. Während der westliche Teil des alten pergamenischen Königreiches, das damit zu bestehen aufgehört hatte, die Landschaften Mysien, Lydien und Teile der äolischen und ionischen Küste sowie phrygische und karische Gebiete, unter die direkte Obhut Roms kamen und künftig von einem römischen Statthalter verwaltet wurden, wurden die östlichen Landesteile an die angrenzenden Königreiche abgegliedert, denen damit zugleich — insbesondere gegenüber den Galatern — neue Schutz- und Ordnungsfunktionen zugefallen waren.

Die politische Komponente stellt nur einen Aspekt der damit zum Abschluß gekommenen römisch-pergamenischen Beziehungen dar. Denn es darf nicht übersehen werden, daß dieses pergamenische Reich eben kein Duodezstaat war, sondern am Ende des 3. und im 2. Jahrhundert v. Chr. das Zentrum der hellenistischen Kultur in Kleinasien, von dem die durch die deutschen Ausgrabungen erschlossenen Stadtanlagen mit dem großen Altarviertel und dem Kleinod des nach seiner russischen Odyssee wieder nach Ostberlin zurückgekehrten Pergamonaltars noch heute künden. Ein Zentrum, das über die zweitgrößte Bibliothek der alten Welt verfügte und das Rom nicht wenige kulturelle Anregungen und Vorbilder vermittelt hat.

Werfen wir zuletzt noch einen Blick auf die anderen alten hellenistischen Großmächte des Ostens, auf die Reiche der Seleukiden und der Ptolemäer. Wenn der Tag von Eleusis die Basis der Ptolemäerherrschaft noch einmal rettete, so rettete er sie doch nur für die Zwistigkeiten, Putsche, Bürgerkriege und Prätendentenkämpfe ihrer Dynastie. Auch die relativ größte ptolemäische Herrschergestalt dieser Epoche, Ptolemaios VIII., konnte das Land nicht mehr in die Stellung einer wirklichen Großmacht zurückführen, ja gerade dieser Herrscher trug noch in besonders markanter Weise zu dem schon lange erkennbaren Rückgang aller griechischen Kräfte und zum Vordringen der einheimischen bei, indem er 145 v. Chr. die griechische Elite Alexandrias ausweisen ließ, weil sich diese auf die Seite seiner politischen Gegner gestellt hatte.

Krise und Untergang der römischen Republik

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