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Handwerk
ОглавлениеWährend die Entwicklung im agrarischen Bereich für die späte Republik dank der genannten literarischen Werke einigermaßen präzise erfaßt werden kann, ist die Lage in den übrigen Wirtschaftssektoren wesentlich ungünstiger. Dort sind wir in erster Linie auf die meist schwierige Auswertung archäologischer und epigraphischer Quellen angewiesen. Im Sektor des Handwerks ist indessen unverkennbar, daß gerade durch den 2. Punischen Krieg und dessen Nachwirkungen die stärksten Impulse ausgingen. Während sich vor den Punischen Kriegen der Bedarf der Landwirtschaft, des Heeres und der staatlichen Bauten noch in relativ engen Grenzen hielten und lediglich die Hersteller von Arbeitsgerät, Töpferwaren, Schuhmacher, Walker und Färber, Zimmerleute, Kupferschmiede und andere in der Metallverarbeitung tätige Spezialisten mit einem ständigen Absatz ihrer Erzeugnisse rechnen konnten, wuchs der Bedarf in den Punischen Kriegen schlagartig und erforderte nun, vor allem im Schiffsbau, in der Herstellung von Waffen und Heeresbedarf ein ganz neues Volumen.
Es ist jedoch für die römische Entwicklung bezeichnend, daß im Bereich des Handwerks auch jetzt der Kleinbetrieb handwerklicher Produzenten mit nur wenigen Gehilfen dominierte und daß es weiterhin bei einer dezentralisierten Produktion blieb. Wir müssen uns schon hier eine ganz elementare Konstante der stadtrömischen Wirtschaftsentwicklung klarmachen, auf die R. von Pöhlmann schon am Ende des letzten Jahrhunderts mit Nachdruck hingewiesen hat. Ungeachtet des teilweise beträchtlichen Bedarfs in der Flottenausrüstung und Heeresversorgung — nach den Berechnungen von T. Frank und A. Toynbee standen in den Jahren zwischen 200 und 157 v. Chr. immerhin durchschnittlich rund 47000 römische Bürger unter Waffen — kam es in der Stadt Rom selbst nicht zur Organisation einer Massenproduktion. Im Gegensatz zu einigen anderen antiken Großstädten und im Gegensatz zu den meisten modernen Weltstädten gab es in Rom keine Großbetriebe mit Hunderten oder gar mit Tausenden von freien Arbeitern oder Sklaven. Statt dessen blieb die dezentralisierte Produktion in den alten italischen Handwerkszentren in Etrurien, Kampanien und Unteritalien, aber auch auf den Kriegsschauplätzen selbst, vorherrschend.
An dieser Produktionsweise änderte sich auch nichts, als der Bedarf durch den erst seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. rapide ansteigenden Luxuskonsum zunahm und als sich gleichzeitig Hunderte von gelernten Handwerkern oder von ungelernten Arbeitern, die sich jetzt als Handwerker versuchten, auf der Flucht vor den Kriegswirren und infolge der völlig unbefriedigenden Lage der Kleinbauern in der sicheren Stadt Rom niederließen. Wichtig ist indessen auch in diesem Bereich der sprunghafte Anstieg des Anteils der Sklavenarbeit seit dem Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr., und zwar sind es hier dank der weit überlegenen Produktionsweise der hellenistischen Betriebe gerade qualifizierte Sklaven gewesen, die jetzt den freien Lohnarbeiter zurückdrängten — etwa in den Keramikwerkstätten von Arezzo.
Die Erweiterung des von Rom direkt oder indirekt beherrschten Gebiets und das schrittweise Zusammenwachsen des gesamten Mittelmeerraums zu einem einzigen wirtschaftlichen Großraum unter einheitlicher politischer Herrschaft vergrößerte selbstverständlich auch die Chancen des Handels, aber diese Handelschancen wurden vor allem im hellenistischen Osten in erster Linie durch Italiker und durch Griechen, die in Süditalien beheimatet waren, damit durch Personen, die entweder das römische oder das latinische Bürgerrecht besaßen oder die zu Roms Verbündeten zählten, ausgenutzt. Ihr Einfluß wuchs rasch an. Insbesondere in der späteren Provinz Asia und in dem Freihafen von Delos konzentrierten sich diese Gruppen, während stadtrömische Bürger, Händler oder Handwerker in jenen Gebieten anfangs nur in bescheidenem Ausmaß vertreten waren.