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Religionsgeschichtliche Entwicklungen

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Die neueren Analysen der inneren Entwicklung der späten Republik haben sich mit bemerkenswerter Einseitigkeit auf die sozio-ökonomischen Probleme konzentriert. Andere Bereiche werden häufig lediglich als Reflex jener Erscheinungen gestreift, nicht selten auf eine wie immer näher bestimmte Thematik der „Ideologie“ verengt. Ein solches Verfahren ist jedoch schon vom Ansatz her fragwürdig, kommt es doch gerade in dieser Epoche darauf an, die wechselseitigen Berührungen und Abhängigkeiten nicht nur wirtschaftlicher und politischer, sondern auch religiöser und geistiger Entwicklungen ins Bewußtsein zu rufen.

Die römische Religion wurde schon früh durch die Identität von Bauern- und Staatsreligion charakterisiert. Juppiter, der Wettergott der Bauern, war zum mächtigen Gott der res publica geworden, doch herrschten zunächst nicht anthropomorphe, sondern körperlose Wirkungsmächte vor, umgaben, gefährdeten oder behüteten die Menschen. Durch bestimmte Riten wurden sie gebannt und günstig beeinflußt. Abwehrakte, Opfer und Flurumgänge mußten dabei in ganz bestimmten Formen vollzogen werden. Formen und Formeln der Religion aber lagen in der Obhut der aristokratischen pontifices, die hier wie in den Bereichen der Rechtsprechung und der Zeitordnung die Kontinuität wahrten.

Gleichwohl wurden schon zur Zeit der frühen Republik immer neue Gottheiten in Rom aufgenommen und verehrt, die Autorität der sibyllinischen Weissagungen förderte insbesondere den Einzug der griechischen Götter. Doch wesentlicher als die Erweiterung der römischen Götterfamilie ist die seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. faßbare Veränderung in den Beziehungen zwischen den einzelnen Personen und den von ihnen verehrten Gottheiten. Bisher waren diese Beziehungen in der Familie durch den pater familias, im Staat durch die pontifices vermittelt und gestaltet worden. Jetzt begannen sich mehr und mehr enge und direkte persönliche Kontakte und Verehrungsformen vielfältigster Art durchzusetzen.

Der Herkuleskult an der Ara maxima, an der nach der Rückkehr von Reisen und dem Abschluß von Geschäften der Zehnte geopfert wurde, die Verehrung des Asklepios in griechischen Formen seit einer Epidemie des Jahres 293 v. Chr., die Ermöglichung unmittelbarer Götterverehrung in den Krisen der Punischen Kriege durch öffentliche Göttermahlzeiten und Prozessionen sind die Etappen eines Weges zu immer stärkeren individuellen Beziehungen gewesen. Wenn die römische Führungsschicht im 3. Jahrhundert v. Chr. dazu überging, für Honos, Virtus, Fides, Concordia, Pietas, Libertas, Victoria und andere zentrale Elemente römischer Adels- und Staatsethik Tempel zu errichten, so ist diese kultische Verehrung der Abstraktionen gewiß noch eng an die Normen und die Struktur der römischen Gesellschaft gebunden. Doch die eindrucksvollsten Neuerungen liegen auf anderen Feldern. Mit der Einführung der Saecularspiele von 249 v. Chr. wurde ganz bewußt eine große Sühnefeier als Abschluß einer Epoche des Unheils gestaltet und zugleich eine neue große historische Einheit hoffnungsvoll begonnen und markiert. In der Einholung des berühmten Steines der Magna Mater im Jahre 205 v. Chr. endlich, der Aufnahme des kultischen Symbols der alten phrygisch-kleinasiatischen Gottheit, war ein Ansatzpunkt für neuartige religiöse Phänomene geschaffen.

Denn der Magna-Mater-Kult war gleichbedeutend mit hemmungsloser und offener religiöser Ekstase. In Prozessionen wurde das reichgeschmückte Götterbild von den Priestern durch die Stadt gezogen, während die besessenen Anhänger, von orientalischer Musik aufgepeitscht, den Fetisch umtanzten, Priester mit aufgelöstem langem Haar dazwischen taumelten und sich geißelten. Mochte man die Exzesse dieses Kultes in Rom beschneiden, ihn gleichsam disziplinieren und auch erreichen, daß er die Massen nicht erfaßte, so zeigte sich doch bald, daß die hier sichtbar werdenden Kräfte an Boden gewannen.

Krise und Untergang der römischen Republik

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