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Das Grenzsteinverrücken

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Es war einmal ein Bauer. Immer wenn seine Kühe das Gras auf seiner Wiese abgefressen hatten, sah er rüber auf das Nachbargrundstück, das ihm nicht gehörte. Dort aber stand noch viel frisches Gras. Um 12 Uhr in der Nacht schlich der Bauer unbemerkt zum Grenzstein, um ihn zu versetzen. Er wollte mehr Wiesenfläche haben, um seinen Kühen genügend frisches Gras bieten zu können. Ein paar Nächte hintereinander, jeweils um Mitternacht, wiederholte der Bauer sein Werk: Er versetzte den Grenzstein jede Nacht ein Stückchen weiter in das Nachbargrundstück hinein.

Nach ein paar Jahren verstarb der Bauer. Nach seiner Grablegung verließ sein Geist täglich um Mitternacht den Friedhof, begab sich auf den versetzten Grenzstein und jammerte und winselte dort gottserbärmlich. Dies ging viele Nächte lang so, bis eine Frau aus der Nachbarschaft zufällig das elendige Wehklagen hörte. Sie weckte ihren Mann: „Horch!“ Der Mann hörte das Jammern und meinte: „Das ist eine arme Seele. Die muss umgehen. Die müssen wir erlösen!“ Sie kleideten sich an und gingen vorsichtig dem Wehklagen nach, bis sie an dem besagten Grenzstein ankamen. „Aha!“, meinte der Mann. „Der hat bestimmt zu Lebzeiten den Grenzstein verrückt!“ Sie halfen beide zusammen, setzten den Stein auf seine alte Stelle zurück.

Im selben Augenblick verstummte das Jammern und war auch nie mehr wieder zu hören. Der Bauer war erlöst.

Tanja Edenhofner, mitgeteilt 1981

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