Читать книгу Der Mallorca-Job - Karl Kases - Страница 21
ОглавлениеSchlechtes Benehmen
Der Nachmittag ist ruhig, da der Spanier zwischen eins und drei Siesta hält. Nur auf dem Lieblingsstrand der Deutschen, den sein Vorgesetzter Rafel den Balla-Balla-Strand nannte ist alles anders. Leon und Pepe gehen Streife zwischen den Bars Los Alemanes 6 und Los Alemanes 15, Strandkneipen, die für viele hier das eigentliche Urlaubsziel sind. Die Sonne brüllt und die Lautsprecher tun es ebenso. Captain Hollywood gibt mit “More and more” den Rhythmus an. Halbnackte männliche Teenager aus dem Berliner Osten beugen sich gruppenweise über halbleere Plastikeimer und saufen mithilfe von Strohhalmen um die Wette. Als einer der Rowdys beginnt, den Strand vollzukotzen, setzt sich Pepe in Bewegung, um seinen Job zu tun. Dazu zieht er einen Zettel aus der Tasche und liest auf Deutsch vor:
„Perdon, Entschuldigung, por favor, bitte benehmen Sie sich. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie sich sehr unzivilisiert verhalten. Wie Sie sicher wissen, ist das Trinken aus Eimern am Strand verboten.”
Leon ist sehr beeindruckt. Er hält sich aber noch im Hintergrund und wartet, was jetzt passiert. Der Dickste mit den meisten Pickeln baut sich, ganz Macho vor Pepe auf und grölt im breitesten Berlinerisch.
„Jetz kickma dassde vaschwindest sonst machickdir Beene, Olivenfressa. Wir sind hier uff Urlaub, vastehste, URLAUB. Und außadem derhalten wa Dir und Deine janze Mischpoche finanziell mit unsam Kampfsaufen. Ooch wennde mir nich vastehst, sachick dir nochma… “
Dies scheint für Leon ein guter Moment, aus der Deckung zu kommen und sich der Gruppe um Pepe zu nähern. Die Jungs erkennen die deutsche Polizeiuniform und werden nervös. Leon übernimmt den Slang des Dicken.
„Jetzt mach ma halblang, vastehn tun wa Dir schon fablhaft, ick schätze ma Du kommst aus der Jejend rund umm Hermannplatz oda so, wahscheinlich Hasenheide, oda?”
Die Kumpels können nicht glauben, was sie da erleben. Sie ziehen die Schwänze ein und machen betroffene Gesichter.
„Und jetzt nehmt Ihr mal schön Eure Becher und trinkt sie entweder auf Eurem Zimmer oder Ihr kommt mit. Und ich sag Euch jetzt schon, die Nacht im Knast von Palma ist alles andere als Urlaub, also ab durch die Mitte.”
Im Gänsemarsch, Plastikeimer unterm Arm, trippeln die Jungs durch den heißen Sand davon und jammern dabei wehleidig, weil sie sich die Füße verbrennen. Pepe salutiert anerkennend vor Leon.
„Na wenn das nicht gut war Mensch, Du kennst eben deine Landsleute. Immer feste auf die Fresse. Das wird gefeiert, komm.”
Leons Nachbarin Stella, die alte elegante Dame, hat alles sehr genau von ihrem kleinen Balkon aus beobachtet.
Sie gehen ein paar Schritte zum LA6, wo Pepe gönnerhaft für beide alkoholfreies Bier und Bocadillos bestellt.
„Aber auf meine Rechnung”, grinst Leon.
„Sehr gut, du verdienst ja auch doppelt so viel wie ich“, sagt Pepe und stöhnt dabei Mitleid heischend,
„Ach Deutschland, du schönes, reiches Land”, fügt er noch hinzu.
Es ist ihre wohlverdiente Mittagspause. Unten am Strand ziehen zwei afrikanische Wanderhändler vorbei und versuchen billigen Schmuck und gefälschte Markenhandtaschen loszuwerden.
„Hast Du ne Ahnung, wo die Typen sich aufhalten, ich meine, wenn sie nicht gerade Geschäfte machen?” fragt Leon.
„Nirgendwo, die wohnen überall und nirgends – oder besser gesagt schlupfen überall unter. Aber meist nur für eine Nacht, dann müssen sie weiterziehen zum nächsten Markt oder zum nächsten Touristrand. Wenn Du ihnen als Bulle zu nahe kommst sind sie weg. Futsch.”
„Verstehe.”
„Alles durchorganisiert, höchst mafiös, Finger weg!”
„Klingt nach Menschenhandel.”
„Ist es auch, Prost.”
Pepes Telefon schnurrt eine SMS herbei. „Dringend Verstärkung, LA 15“, liest er Leon vor.
„Na denn vamos, schwimmen oder Auto?“ witzelt Pepe. Leon ist schon auf den Beinen, legt einen Zehner auf den Tisch.
„Zu Fuß ist es am Schnellsten.“ Er sprintet los.
„Komm schon Dicker, sind doch weniger als fünfhundert Meter.“
Die beiden Polizisten kämpfen sich durch einen menschlichen Ameisenhaufen. Die Luft ist gesättigt von Sonnenöl und frisch aufgetragenem Deo. Ziemlich einheitlich aussehende Mädels und Jungs mit gelangweilten Gesichtern fummeln ohne Unterlass an ihren Smartphones oder imitieren roboterartig Tanzbewegungen aus schrecklichen TV-Shows. Jeder versucht, einen Platz im Mittelpunkt des Volksfest-Geschehens zu finden. So mancher hat einen C- oder D-Promi entdeckt und postet gerade ein Selfie mit ihm.
Nur noch hundert Meter. Von Weitem sichtbar erkennen Leon und Pepe einen dichten Kreis, durch den sie sich durchkämpfen müssen. Willkommen bei der mega angesagten LA15-Bar. Traudl Unterberger, Leons deutsche Kollegin, kauert auf den Knien im Sand, mit ihren eigenen Handschellen an einen Schirmständer gefesselt. Sie ist aufgelöst in Angst und orientierungslos vom Schweiß der sich in in ihren Augen gesammelt hat. Der Sand tut den Rest. Eine Gruppe junger Breakdancer performed rund um Traudl eine bizarre Hip-Hop Session zur Neonazi-Band „Landser“, die aus 100 Watt Bluetooth Speakern dröhnt. Zwei Vollglatzen schieben mit verschränkten Oberarmen Wache neben der Polizistin. Die monströsen Armmuskeln sind jeweils mit Hakenkreuz-Tattoos geschmückt.
Vollglatze Eins raunt dem Hip-Hopper etwas zu.
„S‘ reicht jetzt Alda, hör auf mit dem Affentanz“, während Vollglatze Zwei kein Ende finden will.
„Ey Alder. Vier Nummern war’n abgemacht Landser, locker bleiben“, brüllt er, danach versagt aber seine rauchige Stimme kläglich.
Ein anderer Spaßvogel steuert eine Drohne dicht über den Köpfen der Schaulustigen hinweg.
„Lass den Scheiß Gerd, das verwenden die Bullen doch alles gegen Dich Du Arsch.“
Doch Gerd geht auf in seinem Element, die eine Hand am Steuerpult der Drohne, die andere am schicken Hintern einer Siebzehnjährigen.
Leon denkt keine Sekunde nach. Er feuert spontan einen Warnschuss ab. Der ohrenbetäubende Knall der Heckler & Koch lähmt alle, auch die beiden Naziglatzen. Sie sind mit einem Male sanft wie Schmusekatzen und nehmen gewohnheitsgemäß gleichzeitig die Hände hoch. Die Musik ist aus. Kein Ton ist zu hören. Gespenstische Stille am deutschen Strand.
„Auf die Knie“, brüllt Leon, während er die Pistole mit sicherer Hand in seinem Halfter verschwinden lässt.
Der Rest ist Routine, die Verstärkung hat sich bereits durchgekämpft und nimmt wahllos ein paar Chaoten fest. Die meisten davon sind stockbesoffen. Traudl Unterberger geht es den Umständen entsprechend schlecht.
„Traudl, alles klar?“
Leon erlöst sie von den Handschellen. Sie reibt sich die Handgelenke und nickt erschöpft. Schließlich sagt sie:
„Ich will nach Hause, Kollege. Bitte, ich will nach Hause.“
Leon hilft Traudl in das Polizeiauto. Ein Notarzt versucht, sie zu beruhigen. Der Auslandseinsatz ist absolut Scheiße gelaufen für sie.