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SCHMERZ ZULASSEN

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Es kann viele Gründe geben, warum Eltern oder andere Bezugspersonen in einer solchen Situation so abwiegelnd reagieren. Einen davon kennen Sie vermutlich: Es ist schwer, den Schmerz eines anderen Menschen auszuhalten. Noch schwerer, wenn man die Person liebt. Aber es gibt auch weniger empathische Gründe: etwa wenn man selbst so gestresst ist, dass der Stress anderer, sogar der von Schutzbefohlenen, nur den Tropfen darstellt, der das Fass zum Überlaufen bringt, und man einfach nur genervt ist und will, dass das »Gejammer« aufhört. Wobei das Jammern des Kindes meist noch gar nicht eingesetzt hat. Wir sehen es nur voraus und unterdrücken mit irgendeiner Bemerkung den unmittelbaren Schmerz des Kindes – was bei ihm letztendlich zu Leid führt.


FALLGESCHICHTE

Schmerz zu spüren ist wichtig

Sophia, vier Jahre alt, ist mit ihrem Papa auf dem Spielplatz. Sie klettert die große Rutsche Stufe für Stufe nach oben. Fröhlich oben angekommen, macht sie sich bereit, den schnellen Weg nach unten anzutreten, und übersieht voller Vorfreude, dass am Rutschensims ein Junge sitzt. Sophia prallt nach einer kurzen Freudenfahrt hart mit dem anderen Kind zusammen. Nach einem kurzen Schock, der ihr den Atem zu rauben scheint, weil der Brustkorb einen Stoß bekommen hat, beginnt auch der Kopf zu hämmern. Auf den ersten Blick sieht sie ihren Vater nicht und ihr Herz beginnt, vor Angst wie wild zu schlagen.

Einige Momente später stürzt sie sich in Papas Arme und fängt an, heftig zu weinen und ihrem Schmerz freien Lauf zu lassen. Schon bald wird sie von der »tröstenden« Vaterstimme unterbrochen, die sagt: »Ist doch nicht so schlimm! Jetzt tut es bestimmt nicht mehr weh. Ich habe gesehen, dass du den Jungen nur leicht gerammt hast. Gleich ist es schon viel besser. Hier hast du einen Keks.« Was die kleine Sophia so fatalerweise lernt: Ich darf keine Schmerzen haben.

In der kleinen Fallgeschichte über Sophia haben wir den Schmerz des Kindes in einigen körperlichen Details beschrieben: Der Aufprall blockiert die Atmung, sodass der Brustkorb eng wird, der Kopf hämmert, das Herz rast. Das Kind hat nachvollziehbare, beschreibbare Schmerzen. Diese Schmerzen haben eine ganz spezifische Lebensdauer und verebben in vielen Fällen nach einiger Zeit. Meistens nach einer Phase der Entspannung, etwa wenn das Kind getröstet wurde. Wird diese natürliche Lebensdauer verfrüht unterbrochen, entsteht zusätzlicher Stress und das Gefühl, etwas nicht zu Ende geführt zu haben. Das kann so weit gehen, dass wir den Schmerz auf einer inneren Liste »anschreiben«, die Reaktion also auf später verlegen und »rausholen«, wenn Platz dafür ist. Meistens ist der Zusammenhang dann nicht mehr erkennbar und wir leiden und weinen ohne ersichtlichen Grund.

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