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WIE LEID ENTSTEHT

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Anders als der Schmerz, der sich auf verschiedene Arten im Körper manifestiert, ist Leid das Produkt unserer Gedanken. Nehmen wir dazu ein einschneidendes Erlebnis aus dem frühen Erwachsenenleben: die Trennung von der ersten Liebe. Obwohl in einer solchen Situation kein körperlicher Zusammenprall stattfindet wie bei Sophia auf der Rutsche, laufen ähnliche Stressreaktionen ab (siehe Fallgeschichte auf >). Trennungsschmerzen sind kaum auszuhalten. Wut, Trauer, Scham – viele starke Gefühle treten gemischt und mit voller Wucht auf.


FALLGESCHICHTE

Vom Schmerz zum Leiden

Die 24-jährige Sarah freut sich auf den gemeinsamen Kinoabend mit ihrer ersten großen Liebe. Beim vereinbarten Treffpunkt angekommen, wartet sie einige Zeit vergeblich, bis ihr Handy eine SMS anzeigt: »Sorry, tut mir leid. Es passt nicht mit uns. Habe mich in jemand anderen verliebt.« Die junge Frau glaubt, in den Boden versinken zu müssen. Die Knie werden weich, ihr Herz scheint zu zerspringen, der Kopf wird rot und heiß. Nur mit Mühe schleppt Sarah sich nach Hause und ruft von dort aus ihre beste Freundin an.

Am Telefon schluchzt sie, bis sie »leer« ist. Sie fühlt dabei Erleichterung. Und sie merkt, dass es nun weniger wehtut. Die Freundin hört ihr zu und so kann der Stressprozess langsam auslaufen. Der Schock weicht. In der Beruhigung macht sich nun aber etwas Neues breit: Wut. Sarah beginnt, üble Rachepläne zu schmieden und heftige Schimpftiraden loszulassen. Diese geben ihr Kraft. Doch nach einiger Zeit ebbt auch die Wut ab und das Gefühl der Leere wird wieder ganz groß.

Dieses Mal jedoch ist die innerliche Leere nicht aus dem Schmerz oder Schock heraus entstanden, sondern aus folgenden Gedanken: »Der hat mich einfach abserviert«, »Ich bin es offensichtlich nicht wert, geliebt zu werden«. Das Leiden beginnt.

Zu gut hat es Sarah getan, dem Schmerz zu entkommen. Erst durch das Schluchzen und dann durch die Wut. Doch solcher Trost und Stressabbau kann sich verselbstständigen, indem wir beginnen, »Geschichten zu erzählen«, die helfen, den Schmerz zu unterdrücken: »IMMER passiert mir das« ist zum Beispiel eine beliebte Kopfstory. Oder indem Glaubenssätze gebildet werden: »Ich bin nichts wert.« Scheinbar (!) tröstend breiten sich diese Gedanken aus, weil sie scheinbar die Situation erklären. Vermutlich kennen Sie auch solche Geschichten, die Sie sich über sich selbst erzählen, um sich vordergründig besser zu fühlen. Und vielleicht haben Sie auch schon festgestellt, dass diese Geschichten sich wiederholen, obwohl der ursprüngliche Grund dafür – nämlich heftigen Schmerz auszuhalten oder zu unterdrücken – längst vorüber ist.

Leid ist besonders daran zu erkennen, dass es in ständig sich wiederholenden Schleifen unseres Gedankenapparates verspult ist. Glaubenssätze über Glaubenssätze werden hier abgespielt, wie bei einer Schallplatte mit Sprung. Erkennen können Sie die leidvollen Gedankenschleifen daran, dass sie nach einiger Zeit keine Erleichterung mehr nach sich ziehen. Im Gegenteil, die Gedanken scheinen selbst zu Leid zu werden und wieder neue Gedanken zu produzieren, um vom anfänglichen Leid abzulenken. Und damit beginnt ein Kreislauf, der kaum mehr zu stoppen scheint und der seinen Ursprung so in den Hintergrund gedrängt hat, dass wir quasi »grundlos« leiden.

Im Zusammenhang mit unseren Denkfallen ist es also sehr wichtig, zwischen Schmerz und Leid zu unterscheiden: Schmerz will durchlebt werden, leidvolle Gedanken hingegen sind nicht zwingend nötig.

Happy-End im Kopfkino

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