Читать книгу Der Henker von Bad Berging - Katja Hirschel - Страница 10

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Dienstag, 08:05 Uhr, Polizeirevier, Bad Berging

»Herrschaftzeiten! So ein Sauwetter!«, schimpfte Stefanie Vogler und schüttelte ihren Regenschirm aus, sodass die Tropfen nur so in alle Richtungen flogen. Ihres Zeichens Schreibkraft, Telefonistin, gute Seele des Reviers und an erster Stelle von Kommissar Maus, seit ihrem dritten Arbeitstag vor fünf Jahren, als persönliche Assistentin beschlagnahmt, war sie eigentlich durch ihre freundliche Art selten dazu bereit, negative Gefühlsausbrüche zu haben. Doch in Anbetracht der Regenmassen, durch die sie sich gerade hatte kämpfen müssen, war sie entschuldigt. Ärgerlich sah sie an ihrem Mantel hinunter, dessen rechte Seite durch einen besonders fiesen Seitenwind nass an ihr klebte.

»Griaß di, Steffi!«6, erklang es freundlich und erschrocken zuckte sie zusammen. Sie hatte nicht damit gerechnet, zu so früher Stunde hier unten in der Eingangshalle schon jemanden anzutreffen. Normalerweise waren die diensthabenden Beamten eher der zurückgezogenen Art zuzuordnen, die sich gerne bedeckt und bescheiden im Pausenraum aufhielt, dort Kaffee trank, mit Kollegen ratschte, Anrufe ignorierte und somit den Tag damit begann, sowohl Ärger als auch Vorgesetzten aus dem Weg zu gehen. Zu überrascht, um etwas Vernünftiges sagen zu können, schüttelte sie noch einmal kräftig ihren Schirm aus, während sie im trüben Licht des regnerisch grauen Tages am Tresen zwei Männer stehen sah, die in bester Laune synchron an ihren Kaffeehaferln nippten.

»Ah!«, sagte sie, als sie die beiden endlich erkannt hatte. »Der Herr Sedelmayer und der Herr Krautschneider sind bereits auf Posten? Na, dann ist die Stadt ja sicher.«

Irgendwie war sie heute wirklich mit dem linken Fuß aufgestanden. Sie merkte selbst, dass sie spröde und sogar ein bisschen biestig klang. Augenblicklich tat es ihr leid. Sie versuchte es mit einem kleinen Lächeln, aber auch das war schon einmal schöner gewesen.

»Mei, Madl, schee, dass do bist!«7, strahlte Sedelmayer, der ihr, typisch Mann, das falsche Lächeln abgekauft hatte und es als das nahm, was er sehen wollte – einen Gesprächsanfang, eine Möglichkeit sie zu beeindrucken.

»I hob grod am Alois vo Dessau erzählt«8, versuchte er ihre Neugier zu wecken und zwinkerte seinem Kollegen verschwörerisch zu. Dabei entging ihm leider Steffis Augenverdrehen. Seitdem Sedelmayer dank eines Austauschprogramms vor einem halben Jahr in dieser besagten Stadt im Osten gewesen war, kannte er nur ein Thema. Dass er damit mittlerweile alle anderen langweilte, war ihm offenbar noch nicht aufgefallen. Alois Krautschneider, der Steffis Reaktion nur zu gut verstand, aber gleichzeitig auch seinem Kollegen helfen wollte, ergriff rasch das Wort.

»Äh, war total lustig die Geschichte mit der Verkehrskontrolle.«

»Haha, zuamoi es doat kaum Verkehr gibt!«9, ergänzte Sedelmayer. »Do muasst scho lang auf da Laua liagn!«10

»Tja!«, räusperte sich Steffi. »Andre Städte, andre Sitten. So, aber ich muss dann mal aus den nassen Klamotten und an die Arbeit …«

»Du bist jetzt aber nicht mit dem Radl gekommen?«, bemerkte Krautschneider und deutete auf den Schirm.

»Ich bin doch nicht blöd!«, erklärte sie und ärgerte sich im gleichen Augenblick, dass sie schon wieder so schnippisch klang.

Was war denn nur mit ihr los? Das Wetter? Der kleine Streit mit ihrer in die Pubertät kommenden Tochter Jana am Frühstückstisch? Der Ärger mit ihrem Exmann? Der Verdacht, dass ihrem Leben momentan etwas Entscheidendes fehlte – nur was?

Ein Blick auf Sedelmayer, der sie mit verzücktem Lächeln verliebt ansah, genügte, um ihren Unmut noch mehr anwachsen zu lassen. Dieser Hallodri war offensichtlich nicht, was ihr fehlte! Was bildete der Kerl sich eigentlich ein? Jetzt wurde ihr auch klar, dass er hier unten herumgelungert hatte, um sie abzupassen. Sie konnte es weder rührend noch schmeichelhaft finden. Dazu fehlte ihr momentan der Sinn für Humor. Es war nervend und sie fühlte sich plötzlich sehr beengt. War das ihre Zukunft? Ein lediger Polizist, der Stielaugen nach ihr machte? Steffi biss sich auf die Unterlippe, wollte vermeiden noch etwas Herzloses – was sie bestimmt nachher bereuen würde – zu sagen, zuckte daher lieber mit den Achseln und machte sich auf den Weg in den ersten Stock, um in der Einsamkeit ihres Büros erst einmal zur Ruhe zu kommen.

»Die ist heut nicht so gut drauf!«, bemerkte Krautschneider, als das energische Klackern ihrer Absätze immer leiser wurde. Als verheirateter Mann hatte er gegenüber Sedelmayer den Vorteil, Erfahrung mit den Stimmungsschwankungen einer Frau zu haben. Im Geiste diagnostizierte er PMS, Geldmangel und einen fehlenden Sexualpartner. Aber bevor er diese wichtigen Punkte in Worte fassen konnte, erklärte Sedelmayer: »Naa, de is nur a bissl draurig, weil de ned midm Radl fahrn konn. Du woasst ja, de mog ned midm Bus kemma.«11

Krautschneiders mitleidigen Blick bemerkte er gar nicht, da er immer noch liebevoll auf die Pfütze schaute, die Steffi hinterlassen hatte.

6 Grüß dich, Steffi.

7 Nun, Mädchen, schön, dass du da bist!

8 Ich habe gerade dem Alois von Dessau erzählt.

9 Haha, zumal es dort kaum Verkehr gibt!

10 Da musst du schon lange auf der Lauer liegen!

11 Nein, die ist nur ein bisschen traurig, weil sie nicht mit dem Fahrrad fahren kann. Du weißt schon, die mag nicht mit dem Bus kommen.

Der Henker von Bad Berging

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