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Dienstag, 09:23 Uhr, Schloss Greifstätten, Bad Berging

Baron Walther von Greifstätten biss herzhaft in sein Käsebrot und schielte dabei gleichzeitig zu dem Schinken, mit dem er sich seine Semmel belegen wollte. Er war ein tüchtiger Esser und konnte daher nicht verstehen, dass seine Tochter sich regelrecht zwingen musste, wenigstens einen Schluck Tee zu sich zu nehmen.

»Hast keinen Hunger?«, fragte er mit vollem Mund, ignorierte ihren pikierten Blick und spülte mit Kaffee nach.

»Nein, Papa!«, erklärte sie kalt. »Mir ist der Appetit vergangen!«

Er grinste und wusste genau, worauf sie anspielen wollte. Als Mitglied des Adels konnte man von ihm wohl einige Tischmanieren erwarten, aber dazu hatte er keine Lust. Dafür liebte er seine Rolle als kerniger, volksnaher Großgrundbesitzer zu sehr. Er wollte provozieren und aus dem Rahmen fallen.

»Wo ist dein Bruder?«, fragte er und pikste mit der Gabel gleich drei Scheiben Schinken auf einmal auf.

»Keine Ahnung!«, murmelte sie und stellte geziert die Tasse ab. »Vielleicht in den Ställen oder im Wildpark.«

Von Greifstättens Kiefer kauten emsig, als er über ihre Erklärung nachdachte. Sie hatte vermutlich Recht. Sein etwas geistig zurückgebliebener Sohn Ferdinand hielt sich gerne dort auf, wo es Tiere gab. Er sah in ihnen seine Freunde, von denen er nicht genug bekommen konnte. Tja, da würden wohl wieder ein paar Tränen fließen, wenn er herausfand, dass sein Papa heute noch auf die Jagd wollte und vermutlich mit einem stolzen Zwölfender nach Hause kommen würde.

»Du solltest ihm vielleicht nicht erzählen, dass du wieder auf die Pirsch gehst«, sagte seine Tochter und er schaute sie erstaunt an.

Konnte sie seine Gedanken lesen? Was für ein überaus kluges Kind sie doch war. Dort wo das Schicksal es seinem Stammhalter verwehrt hatte, war sie mit Intelligenz geradezu überschüttet worden. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sie. Hübsch war sie – das hatte sie Gott sei Dank von ihrer verstorbenen Mutter – nur leider viel zu dünn. Dadurch bekam sie trotz ihrer jungen Jahre so etwas Verhärmtes, Bitteres und Vorwurfsvolles. War es das, was immer wieder zu Missklängen zwischen ihnen führte, was ihn am meisten an ihr störte? Nun, er musste sich eingestehen, dass sie nie die kleine, anschmiegsame Prinzessin gewesen war, die sich ein jeder Vater wünscht. Zu ähnlich war sie ihm in ihrer Starrköpfigkeit und gleichzeitig so ganz anders, so fremd, so unheimlich. Jetzt zum Beispiel sah sie unverwandt zu ihm herüber und beobachtete ihn, als ob er eine ihrer Laborratten wäre, der sie gerade etwas Bahnbrechendes auf den Schinken getan hätte und nur darauf wartete, dass er mit Ausschlag oder Herzstillstand reagierte. Plötzlich war ihm der Appetit vergangen. Er ließ die Semmel auf den Teller fallen, schob geräuschvoll seinen Stuhl zurück und stand auf.

»Das muss er akzeptieren. Schließlich ist er erwachsen und auch wenn er etwas einfältig ist, darf er nicht vergessen, dass es zu den Gepflogenheiten eines Baron von Greifstätten gehört, auf die Jagd zu gehen!«, erklärte er aufgebracht. »Es ist unsere Pflicht, den Bestand unserer Wälder zu kontrollieren und krankes, schwaches Wild auszumerzen und so die Populationen auf einer bestimmten Zahl zu halten. Ich stelle mich dieser Pflicht, auch wenn Ferdinand und du da anderer Meinung seid.«

»Wie du meinst, Papa!«, seufzte sie. »Dann viel Spaß bei deinem Blutbad. Ich werde derweil ins Krankenhaus fahren und darauf warten, dass die ersten Verletzten von deiner fröhlichen Jagdrunde eingeliefert werden.«

»Das ist nur einmal passiert!«, echauffierte sich der Baron. »Und auch nur, weil dieser depperte12 Bäckermeister Möller – Gott sei seiner Seele gnädig – zu viel Schnaps getrunken hatte und daher statt den Bock den Sohn vom Amtsrichter erwischt hat.«

»Na, dann wird ja heute, nachdem der Semmelkönig nicht mehr dabei ist, nichts passieren«, bemerkte sie sarkastisch, stand nun ebenfalls auf, ging zu ihrem mittlerweile sehr rotgesichtigen Vater, drückte ihm einen Kuss auf die schwammige Wange und flüsterte. »Passt trotzdem ein bisschen auf, ja?!«

»Isabella!«, kam es rau aus seiner Kehle. »Mein Kind, nimm doch nicht immer alles so schwer.«

Sie nickte nur leicht, tätschelte seine Schulter und senkte den Blick.

12 idiotische

Der Henker von Bad Berging

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