Читать книгу Der Henker von Bad Berging - Katja Hirschel - Страница 18

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Dienstag, 12:03 Uhr, Gerichtsmedizinisches Institut, München

»Das ist er also!«, bemerkte Jens Kessler rhetorisch, blieb jedoch auf Abstand zu dem Obduktionstisch und ärgerte sich gleichzeitig, dass ausgerechnet er sich selbst für diese widerwärtige Aufgabe hatte einteilen müssen. Aber in Ermangelung zuverlässiger Mitarbeiter war ihm keine große Wahl geblieben, als persönlich in diesem Schlachthof zu erscheinen und dem jüngsten Opfer gegenüberzutreten. Ein Frösteln durchlief ihn. Zu lange hatte er auf den augenlosen Kopf gestarrt, hatte sich von dem grauenhaften Anblick nicht losreißen können. Schnell suchte er daher den Blick des Pathologen, der sich vor drei Minuten knapp und mit feuchtem Händedruck als Dr. Kramer vorgestellt hatte.

»Was können Sie mir zu der Tatwaffe sagen!«, forderte Jens in schneidendem Ton.

»Nun! Ähm!«, begann der Mann, wobei er etwas überrascht hinter den dicken Gläsern seiner Brille blinzelte. »Tja … Äh, wie Sie vermutlich selbst sehen können, ist das … Äh …«

Jens Kessler konnte sich keinen Reim auf dieses Gestammel machen. Hatte er etwa etwas Falsches gefragt?

»Was mein Freund und geschätzter Kollege damit andeuten möchte, ist, dass der Hals unseres bedauernswerten Opfers noch immer im Beton steckt«, übernahm eine Stimme hinter ihnen die noch ausstehende Erklärung. Jens drehte sich um und sah zur Tür, durch die ein kleiner Mann mit freundlichem Gesichtsausdruck auf sie zukam.

»Der Täter hatte damit den Kopf am Denkmal befestigt, damit er nicht herunter rollen konnte«, erklärte dieser. »Ein interessanter Punkt, möchte ich meinen. Leider haben wir nun aber auch ein kleines Problem. Wenn Sie sich hier so umsehen, können Sie mir bestimmt beipflichten, dass wir uns in einem Eldorado der Gerichtsmedizin befinden. Hier gibt es alles, was man sich an neuester Technik und kompliziert empfindlichen Instrumenten wünschen kann, nur für profane Dinge, wie den Straßenbau, sind wir leider nicht ausgerüstet. Da muss erst einmal auch das richtige Werkzeug her, bevor wir überhaupt etwas zu Schnittwunden oder Tatwaffen sagen können. Wobei ich für meinen Teil schon mutig genug wäre, zu improvisieren und eines dieser wahnsinnig teuren Präzisionsskalpelle zu zweckentfremden, aber da spielen weder Dr. Kramer noch meine Haftpflichtversicherung mit!«

»Das ist Dr. Frank!«, sagte Kramer, der offenbar die Funktion seiner Zunge wiederentdeckt hatte. »Er kommt aus der Provinz und besucht mich ein paar Mal im Jahr und geht mir gerade etwas zur Hand.«

Der so vorgestellte und damit zur Anwesenheit berechtigte Arzt schien jetzt auf etwas zu warten. Neugierig sah er zu Jens auf.

»Mein Name ist Kessler«, knurrte Jens, als ihm aufging, was der Mann von ihm wollte. Er hatte eigentlich keine Lust, seine Zeit mit diesem morbiden weiße-Kittel-Duo zu verschwenden, aber die Alternative, sich wieder dem abgetrennten Kopf zu widmen, war auch nicht besser.

»Sie brauchen gar nichts mehr zu sagen!«, rief Dr. Frank vergnügt. »Ich bin im Bilde. Sie sind der Spezialist für psychologische Hintergründe und haben schon einige bemerkenswerte Erfolge in diesem Bereich erzielt und zahlreiche Auszeichnungen bekommen. Sie sind in den USA ausgebildet worden und ich habe mit Begeisterung ihr Buch »Psychotätern auf der Spur – wie man sie erkennt und bannt« verschlungen, obwohl es teilweise recht populärwissenschaftlich gehalten ist. Naja, Profiling ist schon eine komplizierte Kiste, die uns aber alle angeht. Da kann man gut und gerne auch mal etwas genereller schreiben, nicht wahr?«

»Äh, ja, wie auch immer!«, brummte Jens Kessler. Mehr fiel ihm weder zu dem Wortschwall noch zu dem Thema ein. Jedoch hatte Dr. Frank offenbar auch nichts anderes erwartet, interpretierte seine Einsilbigkeit als tugendhafte Bescheidenheit und nickte seinem Kollegen verschwörerisch zu. Jens sog die Luft ein und nahm gleichzeitig den Geruch seines Gesprächspartners wahr, der ihm wegen des dominanten Gestankgemischs aus süßlicher Verwesung und Desinfektionsmittel im Raum nicht gleich aufgefallen war.

»Dr. Frank!«, packte er gleich die Gelegenheit am Schopf. »Sie sind nicht zufällig Raucher?«

Überrascht zog der Angesprochene die Brauen hoch. Jens Kessler meinte für einen Augenblick Enttäuschung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Seine Frage klang vermutlich wie der Versuch eines Taschenspielers, der noch mehr Anerkennung heischen wollte, indem er offensichtliche Dinge als psychologische Eingebung verkaufte. Schnell sah sich Jens gezwungen, das Missverständnis aus dem Weg zu räumen und sich näher zu erklären.

»Ich meine damit nur, ob Sie mir vielleicht mit einer Zigarette aushelfen könnten.«

Ein Schmunzeln spielte um Franks Lippen, als er bereitwillig eine Schachtel aus seiner Kitteltasche fischte.

»Brillante Idee, mein Lieber!«, verkündete er. »Es gibt schönere Anblicke als diesen Kopfmenschen da auf dem Tisch. Und in unserem Falle könnte es nicht schaden, wenn die Nerven beruhigt werden, während wir über die einstweiligen Ergebnisse plaudern.«

»Das macht ihr aber draußen!«, entschied Dr. Kramer resolut und drückte seinem Freund einen Umschlag, der vermutlich den vorläufigen Bericht enthielt, gegen die Brust.

»Hier wird nicht gequalmt.«

»Als ob die Toten daran noch sterben könnten«, flüsterte Dr. Frank Jens zu, als sie gemeinsam den Raum verließen.

Der Henker von Bad Berging

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