Читать книгу Der Henker von Bad Berging - Katja Hirschel - Страница 15

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Dienstag, 10:34 Uhr, Schloss Greifstätten, Bad Berging

Der Land Rover kam mit quietschenden Reifen und genau in einer großen Pfütze zum Stehen, sodass das Wasser in alle Richtungen spritzte. Baron Walther von Greifstätten spähte durch das Fahrerfenster zu der Eingangstür seines Westflügels, den er vor einem Jahr in Wohnungen hatte umbauen lassen. Tja, er war eben ein moderner Mensch und besserte seine Kassen durch Mieten auf, anstatt wie viele seiner bedauernswerten Adelsgenossen zu versuchen, durch Touristenführungen die immensen Kosten ihrer Erbschlösser einzudämmen. Das waren nur Tropfen auf den heißen Stein. Damit hielt er sich gar nicht erst auf. Er war ein Mann mit Visionen und Erfolg.

Der Regen prasselte laut auf das Auto, lief die Scheiben hinab und verschwemmte die Sicht. Er wurde langsam unruhig, sah in den Rückspiegel und zuckte zusammen. Nein, er hatte sich nicht geirrt. Durch das Heckfenster, über das energisch der Scheibenwischer strich, konnte er die schmale Silhouette seiner Tochter ausmachen. Würde sie ihn sehen? Würde sie sich die Mühe machen die fünf Meter in seine Richtung zu blicken? Er fühlte sich ertappt, spürte das Herz rasen und war auch schon nahe daran, sich im Sitz ganz klein zu machen. Ängstlich beobachtete er, wie sie mit ihrem widerspenstigen Regenschirm kämpfte und dadurch glücklicherweise zu abgelenkt war, um sich überhaupt umzusehen. Rasch lenkte sie ihre Schritte nach rechts, in die entgegengesetzte Richtung und war auch gleich im dichten Regen verschwunden. Walther von Greifstätten atmete hörbar auf, aber sofort wurde seine Erleichterung von einem Gefühl des Ärgers beiseite geschubst.

Was sollte das denn? Warum benahm er sich wie ein Teenager, der heimlich rauchen wollte? Er war ein in Saft und Kraft stehender Mann, seit dreizehn Jahren verwitwet und hatte eigene Interessen und Bedürfnisse. Seinen erwachsenen Kindern musste er also keine Rechenschaft über sein Handeln ablegen. Warum hatte er also ein schlechtes Gewissen, wenn er sich mit seiner sympathischen neuesten Mieterin treffen wollte? Apropos, wo blieb die Dame denn nur? Wenn sie sich nicht beeilte, würde er vielleicht doch noch erwischt werden …

Er ballte seine Fäuste, zog die Stirn in Falten, schnaubte ungehalten und wurde so nervös, dass er am liebsten gehupt hätte. Nein, schalt er sich, ich muss mich in Geduld üben. Es handelt sich hier um eine Dame, auf die es sich zu warten lohnt. Aber würde sie denn überhaupt kommen?

Wieder konzentrierte er sich auf die Eingangstür neben seinem Wagen. Nichts. Die Scheibe war beschlagen und ärgerlich wischte er mit dem Ärmel darüber. Er hatte keine Lust, die Lüftung einzuschalten. Zu groß war die Gefahr, den Moment ihres Erscheinens zu verpassen. Die Scheibenwischer klackerten, der Motor tuckerte gleichmäßig, sein Blick hing hypnotisch an dem Milchglas der Eingangstür. Da! Ein Schatten! Endlich! Jetzt hörte er auch das Knarren der Angeln – er müsste wohl doch mal einen Handwerker kommen lassen. Ein Strahlen legte sich über seine Gesichtszüge, als eine Gestalt in lodengrünem Regenmantel und dazu passenden Gummistiefeln aus dem Haus trat und ihm kurz zuwinkte, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Mit eiligen Schritten lief sie gleich darauf die wenigen Stufen der Treppe hinunter, um endlich zu ihm zu kommen.

Mein Gott, dachte Walther, sie sieht selbst in diesen praktischen Allwetter-Kleidungsstücken atemberaubend aus.

Unbewusst leckte er die Lippen, konnte die Augen nicht von ihr lassen, sah sie grazil über die Pfütze springen und um sein Auto trippeln. Er drehte den Kopf, wollte keine ihrer Bewegungen verpassen. Erleichtert seufzte er, als sie an der Beifahrertür angekommen war, diese öffnete, sich in das Auto und auf den Sitz neben ihm schwang.

»Good morning!«, grüßte sie und ihr Lächeln war die Sonne, die man an diesem Tag so schmerzlich vermisste.

»Guten Morgen, Frau Shaw!«, grüßte er zurück. Sein Blutdruck stieg an. Er spürte, dass er gleich dunkelrot werden würde und musste schnell für eine Ablenkung sorgen. »Ähm, wie schön, dass Sie es doch noch einrichten konnten. Tja, da wären wir also. Äh, Sie wollen es nun also wirklich wissen, was? Bei dem Sauwetter auf die Pirsch gehen? Haha.«

»Bitte!« Ganz leicht, wie eine Feder, hatte sie die Finger auf seinen Unterarm gelegt. Von Greifstätten lief ein angenehmer Schauer prickelnd durch den Körper. Er musste erst einmal schlucken und konnte nur auf ihre zarte Hand starren.

»Bitte, heißen Sie mich doch Kathy, Herr Baron. Und yes, ich bin immer bereit zu gehen zu Jagd. Es is großer Spaß für mich always und ich habe vermisst es sehr, seit meine Zeit in Kania, zu schießen die Tiere. Dafür danke ich Ihnen, dass Sie mitnehmen mich. Aber was muss ich sehen da! Sie haben ja keine Hund?«

»Wie bitte?«

Er merkte, dass seine Kehle plötzlich so merkwürdig trocken war. Einen Augenblick lang konnte er nichts tun, als sie verdattert anzuglotzen und zu hoffen, dass sie ihre Frage noch einmal wiederholen würde.

»Ich meine eine Hund für die Safari!«, tat sie ihm glücklicherweise den Gefallen, zog dabei leider aber auch wieder ihre Hand zurück. »Wir haben früher genutzt immer unsere Rhodesian Ridgeback. Es waren wundervolle Tieren. Besonders geliebt habe ich mein kleiner Cheeky.«

Ihr Seufzen brachte ihn wieder in die Gegenwart zurück, aktivierte sein Gehirn, setzte es in Gang, veranlasste gleichzeitig, dass seine Mundwinkel sich hoben, und mit einem mehr breiten als schönen Lächeln setzte er zu einer Erklärung an: »Achso, Sie fragen sich, wo mein Jagdhund der Iwan steckt? Tja, Frau Shaw, den alten Kerl plagt das Rheuma bei diesen Temperaturen, sodass ich es nicht über das Herz bringen konnte, ihn mitzunehmen.«

»Oh, das haben Sie entschieden sehr klug. Lassen wir ruhen die arme Guy in die Wärme, nicht wahr?!«, sprach sie ihm ihr Lob für seine Umsicht und Fürsorge aus.

»Äh, ja, ganz recht!«, murmelte er. »Na, dann Frau Shaw, Halali und auf ins Revier. Der Oberförster und meine Spezis warten schon.«

Immer noch sichtlich durcheinander packte er den Schaltknüppel, legte grobmotorisch den Rückwärtsgang ein und gab gleichzeitig etwas zu viel Gas, sodass der Wagen einen Satz nach hinten machte. Katherine Shaw lachte vergnügt auf und auch er musste miteinstimmen, weil es gar zu ansteckend war.

Der Henker von Bad Berging

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