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Dienstag, 10:12 Uhr, Polizeirevier, Bad Berging

Nachdem Kommissar Maus seine Frau zum Bahnhof gebracht hatte, betrat er, etwas bedrückt, weil er sie jetzt schon vermisste, sein Polizeirevier. In der Eingangshalle drängelte sich bereits schon ein Grüppchen aufgebrachter Frauen. Überrascht zählte er durch. Fünf Damen, wobei ihm drei davon relativ bekannt vorkamen. Natürlich war das bei einer Kleinstadt nicht ungewöhnlich. Hier lief man sich zwangsläufig ständig über den Weg, doch bedauernd musste er eingestehen, dass er sich leider nicht mehr an ihre Namen erinnern konnte. Schnell jedoch war die Erkenntnis ob seines katastrophalen Namensgedächtnisses wie weggeblasen, als er hinter dem Empfangstresen Polizeimeister Krautschneider erblickte, der sichtlich Mühe hatte, für Ruhe zu sorgen.

»Un wonn isch’s Ihne doch sach!«13, bekräftigte eine sehr kurvenreiche Dame ihre vermutlich vorausgegangene Aussage, indem sie mit ihrem Finger auf ein Blatt Papier deutete. »Hia stejht alles. Isch hob dodomit schunn die gonz Stadt plakatiert. Un die annere hia hobbe ähnlische Zettel uffgehängt.«14

Jetzt fingen die restlichen Frauen an, alle gleichzeitig zu sprechen. Dass eine von ihnen dabei einen weißen Pudel auf den Armen hielt, der mit hysterischem Gekläffe auch seinen Senf dazugeben musste, machte es für Krautschneider nicht gerade einfacher. Maus sah sich gezwungen einzuschreiten. Tapfer ignorierte er die warnende Stimme der Vernunft, die ihm dringend riet, sich hinter den Anwesenden vorbeizuschleichen und dann die Treppe bis zu seinem Büro hinaufzurennen.

Nein, dachte er, heute will ich keinen Tumult. Ich brauche Ruhe, anspruchsvolle Arbeit und in der Mittagspause das Wörterbuch Deutsch-Englisch/Englisch-Deutsch, welches hoffentlich endlich in der Buchhandlung abholbereit ist.

»Meine Damen!«, rief er daher, fing Krautschneiders dankbaren Blick auf, wurde aber sonst nicht weiter beachtet. Gegen den Lärm des Pudels kam er offenbar nicht an. Daher versuchte er es anders, ging zu dem Vollweib mit dem komischen Dialekt und nahm ihr den Zettel aus der Hand. Was er mit Lautstärke nicht hatte erreichen können, war mit dieser Geste ein leichtes. Sofort verstummten alle. Nur das leise Knurren des Hundes war zu hören, während Maus den Text der Farbfotokopie las.

»Nun!«, sagte er, als er seine Lektüre beendet hatte. »Das ist ja mehr als bedauerlich. Ich nehme mal an, dass das Ihr Hund ist, Frau …«

»Ei, Sie könne misch Claire nenne!«15, erlaubte sie mit einem wunderbaren Lächeln. »So nenne misch all. Isch bin hia im hiesische Maklerbüro »Schneida« beschäftischt. Isch glaab aach, doss mer uns do amol begeschnet sin. Odda nischt? Aach gut, awwer um noch amol uff Ihre Frag zurückzukomme, ja, des is mein Schätz’sche, die Kändis. Ein Chihuahua wie die Päris Hilton einen hot.«16

»AH-HA«, sagte Maus gedehnt, da er sichtlich Mühe hatte, sie zu verstehen. Trotzdem kam es ihm so vor, als habe er den wichtigsten Teil erfasst. Zusätzlich diente die Kopie in seiner Hand als hilfreicher Spickzettel. Dort war neben einem zu Tränen rührenden Appell um Mithilfe bei der Suche nach einem kleinen Hund auch noch ein Foto von selbigem. Mit großen, verschreckten Augen blickte das Tier in die Kamera. Candice stand unter dem Bild. Vermisst seit vier Tagen, bitte dringend melden und so weiter. Maus seufzte und sah nun in die Gesichter der anderen Frauen. Hier war die Verzweiflung greifbar. Eine der Damen wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, eine andere schniefte hörbar.

»Wir sind alle Betroffene!«, erklärte schließlich die Frau mit dem Pudel auf dem Arm. »Das hier ist mein Leopold.«

Sie streichelte über den Rücken des Tieres und Maus fühlte sich genötigt, höflich zu lächeln.

»Er hat seine Schwester Leopoldine verloren und leidet, wie Sie sehen können!«

Maus sah, wie der Pudel seine Zähne zeigte und machte einen Schritt nach hinten, denn er wollte schließlich nicht auch noch leiden müssen.

»Und ich!«, rief eine kleine Frau in beigefarbenem Regenmantel. »Ich vermisse meine Katze!«

»Bei mia is aa de Katz!«17

»Isch glaab, doss hia die Tiermafia dohinner stecke tut …«18

»Meine Tochter ist verzweifelt. Ihr Hund …«

»Leopoldine würde nie weglaufen! Dazu ist sie viel zu gut erzogen!«

»Hier liegt eindeutig ein Verbrechen vor. Sie wurden entführt. Man hat unsere Lieblinge entführt!«

Der Kreis hatte sich irgendwie um ihn geschlossen. Maus war umzingelt. Plötzlich hatte jede der aufgebrachten Frauen einen Zettel in der Hand, fuchtelte damit vor seiner Nase herum, wollte seine Aufmerksamkeit, seine Anteilnahme.

»Schluss! Aus!«, erhob er seine Stimme und war froh, dass sie noch kräftig genug war, um die aufgebrachte Menge in die Schranken zu weisen.

»Krautschneider!«, warf er gleich den Ball seinem Untergebenen zu. »Nehmen Sie das alles zu Protokoll. Das muss überprüft werden. Wir sind eine anständige Gemeinde und da geht es nicht an, dass hier Haustiere einfach so verschwinden!«

Sofort hatten sich die Damen am Tresen aufgereiht. Während Krautschneider nervös nach einem Kugelschreiber suchte, redeten sie wieder alle gleichzeitig auf ihn ein. Maus schüttelte mitleidig den Kopf, nahm die Zeitung, die für ihn, wie jeden Morgen, griffbereit lag und überließ den Kollegen seinem Schicksal. Er begann auch gleich zu lesen, während er durch die Halle schritt.

»Na, so was!«, murmelte Maus, als er die Treppe erreicht hatte. »Geköpfter zu Bismarcks Füßen. Hm, da bin ich ja froh, dass wir es hier nur mit vermissten Zwergratten zu tun haben.«

13 Und wenn ich es Ihnen doch sage!

14 Hier steht alles. Ich habe damit schon die ganze Stadt plakatiert. Und die anderen hier haben ähnliche Zettel aufgehängt.

15 Nun, sie können mich Claire nennen!

16 So nennen mich alle. Ich bin hier im hiesigen Maklerbüro »Schneider« beschäftigt. Ich glaube auch, dass wir uns dort schon einmal begegnet sind. Oder nicht? Auch gut, aber um noch einmal auf Ihre Frage zurückzukommen, ja, das ist mein Schätzchen, die Candice. Ein Chihuahua wie die Paris Hilton einen hat.

17 Bei mir ist es auch die Katze.

18 Ich glaube, dass hier die Tiermafia dahinter steckt …

Der Henker von Bad Berging

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