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Montag, 20:43 Uhr, Rossweg 19, Bad Berging

»Und wie war’s?«, fragte Inga Maus, als ihr Mann sie mit einem Kuss begrüßte. Sie saß in ihrem Lieblingssessel, auf dem Schoß einen Block mit Notizen, neben sich einen Stapel Bücher, in der Hand ein Glas Portwein. Maus nahm das Buch, das zuoberst lag, klappte es zu und las laut:

»Flugformationen der Graugänse – Na, wenn das keine spannende Lektüre ist!«

»Gib her!«, rief sie lachend und nahm ihm das Buch ab. »Jetzt hast du die Seite verschlagen. And you lenkst ab. Also, please answer my question. How was it?«

Maus musste sich erst einmal auf das Sofa fallen lassen und da er dies mit einem lauten theatralischen Seufzer tat, konnte er gewiss sein, Ingas hundertprozentige Aufmerksamkeit zu haben. Trotzdem kostete er die Situation noch etwas aus, nahm die Flasche vom Couchtisch und sah sie fragend an. Wortlos reichte sie ihm ihr Glas. Er goss nach und nahm erst einmal einen wohlverdienten Schluck.

»Tja«, begann er dann, nachdem der süße Geschmack seinen Mund und seine Kehle gewärmt hatte. »Tja, wie das eben so ist mit der Schule. Die Lehrerin ist toll, und wenn ich nicht mit dir verheiratet wäre, dann würde ich ihr zur nächsten Stunde einen Apfel auf das Pult legen.«

»Oh, da habe ich ja Glück gehabt!«, schmunzelte Inga. »Und wie sind die anderen Kinder? Hast du schon Freunde gefunden?«

»Erinnere mich bloß nicht daran!«, stöhnte Maus. »Weißt du, wer auch im Kurs ist? Naja, abgesehen von Hammer, den ich leider demnächst Extradienste schieben lassen werde, damit er nicht kommen kann …«

Er musste einen Augenblick innehalten, denn Inga prustete los. Es war ihr nicht zu verübeln! Werner Hammer war zwar ein herzensguter Mensch, aber auch etwas eindimensional und daher manchmal ziemlich anstrengend. Außerdem arbeiteten Maus und er tagtäglich zusammen, und sie konnte es ihrem Mann nicht verdenken, wenn dieser in seiner kostbaren Freizeit von ihm verschont bleiben wollte. Doch die Vorstellung, dass die beiden vielleicht sogar nebeneinander saßen und gebannt den Worten der tollen, alle Äpfel der Welt verdienenden Lehrerin lauschen würden, amüsierte sie verständlicherweise sehr.

»Er sitzt neben mir!«

Inga war froh, dass sie ihr Glas nicht mehr hielt, denn während ihres jetzigen Lachanfalls wäre der Inhalt unweigerlich auf dem Boden gelandet.

»Haha, genau!«, versuchte es Maus von ihrer komischen Seite aus zu sehen, bezwang aber ein Grinsen, das sich auf seine Lippen stehlen wollte. Schnell beugte er sich vor und nahm ihre Hand. Das wirkte. Inga sah ihn an, wusste, dass noch etwas kommen würde und freute sich schon diebisch darauf.

»Aber weißt du, wer noch da ist?«

Sie schüttelte langsam den Kopf, drückte seine Hand, konnte es vor Spannung kaum mehr aushalten, presste die Lippen fest aufeinander, während sie versuchte, sich zu beherrschen.

»Unser neuer Nachbar.«

Schöner hätte selbst die Wasserbombe eines Achtjährigen nicht platzen können. Inga sog hörbar die Luft ein.

»Nicht dein Ernst?«, rief sie überrascht. Als er aber nur traurig nickte, fuhr sie mitleidig fort. »Dieser schrecklich nervende, alles besser wissende, ständig rummeckernde, unerträgliche Hilbert Hübner? In Fachkreisen auch als »Gschaftl-Hübner« bekannt? Oh Gerhard, das tut mir leid – schrecklich leid sogar. Oh Gott, seit der eingezogen ist, schleiche ich mich regelrecht aus dem Haus. Ich habe schon überlegt, ob ich mein Tarnzelt zur Vogelbeobachtung benutzen soll. Und DER ist jetzt auch in deinem Kurs? Ach wie schlimm! Der wird wohl besser Englisch sprechen als eure Lehrerin?«

»Oh ja!«, musste Maus müde bekennen. »Er hat sie bereits schon zweimal auf grammatikalische Besonderheiten hinweisen müssen, was keiner außer ihm verstanden hat – auch Miss Kathy nicht.«

Inga gluckste wieder los und Maus sah sie noch leidender an. Das Schicksal konnte manchmal wirklich boshaft sein. Ausgerechnet mit diesem Mann in einem Raum sitzen zu müssen, war großes Pech und die daraus resultierende Schadenfreude seiner Frau nur zu verständlich. Wäre es umgekehrt gewesen, hätte er genauso reagiert. Maus seufzte und nahm seine Situation mit dem, was seinem Naturell am nächsten stand: mit Humor.

»Weib!«, rief er daher mit gespielter Entrüstung und brachte das Fass der Erheiterung zum Überlaufen. »Deine Anteilnahme ist rührend! Ich danke dir.«

»Ach, Gerhard!«, sagte sie und wischte sich die Lachtränen fort. »Es tut mir so leid für dich. Aber da du den Schaden hast, nutze ich meinen Vorteil. Ich weiß jetzt, dass ich nun zweimal pro Woche unbeobachtet das Haus verlassen kann, weil Nachbar Hübner zu dieser Zeit einer Lehrerin das Fürchten lehrt.«

»Du vergisst, meine Liebe, …« Maus war aufgestanden und trank aus, » … dass du selbst ab morgen Abend in Norddeutschland bist, um Gänse zu zählen. Tja, und damit verschwendest du kostbare Zeit, denn in vierzehn Tagen vergibst du viermal die Chance, ohne Angst auf die Straße zu gehen.«

»Das stimmt. Und jetzt, wo du es sagst, spiele ich tatsächlich mit dem Gedanken, die Gänse Gänse sein zu lassen, nur um diese Freiheit auszukosten.«

Sie war ebenfalls aufgestanden, legte ihren Notizblock auf den Bücherstapel und folgte Maus aus dem Wohnzimmer.

»Kommst du mit ins Bett, oder musst du noch Hausaufgaben machen?«, fragte sie unschuldig.

»Hm, die Hausaufgaben können warten!«, brummte er. »Die schreib ich vom Hammer ab.«

Inga kicherte wieder, und Maus schaltete grinsend das Licht aus.

Der Henker von Bad Berging

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