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§ 3Ausländer- und Asylpolitik im europäischen Zusammenhang I.Kompetenz der Europäischen Union im Bereich Visa, ­Einwanderung und Asyl

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32Bereits in den Römischen Verträgen von 19571 war die Freizügigkeit wirtschaftlich tätiger Angehöriger der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft angelegt und sie ist seither im Wesentlichen unverändert geblieben. Demgegenüber hat sich die allgemeine Freizügigkeit der Unionsbürger nicht zuletzt durch die Aufnahme der Unionsbürgerschaft in den EG-Vertrag durch den Maastrichter Vertrag von 1992 und eine dynamische Weiterentwicklung der Unionsbürgerrechte durch die EuGH-Rechtsprechung wesentlich verändert2. Heute ist der freie Personenverkehr innerhalb der Union nicht nur für wirtschaftlich Erwerbstätige, sondern für alle Unionsbürger3 und ihre Familienangehörigen weitgehend erreicht worden, wobei nach wie vor auch im Bereich des Unionsbürgerrechts Probleme mitgliedstaatlicher Beschränkungen entstehen. Durch die Unionsbürgerrichtlinie4 ist das gewachsene und aufgrund einer Vielzahl von Richtlinien und Verordnungen unübersichtlich gewordene Freizügigkeitsrecht weitgehend vereinheitlicht worden, mit der Folge, dass Unionsbürger in immer stärkerem Maße in ihrer aufenthalts- und sozialrechtlichen Stellung Inländern angeglichen worden sind. Im Wesentlichen ergeben sich Unterschiede nur noch wegen der spezifischen aufenthaltsrechtlichen Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern, wobei für die Unionsbürger bereits aufgrund von Art. 21 AEUV mittlerweile ein allgemeines, zusätzlich durch die EU-Grundrechtecharta (Art. 45) abgesichertes Aufenthaltsrecht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht, das allerdings von Bedingungen, wie z. B. dem Nachweis ausreichender Mittel zum Lebensunterhalt oder dem Bestehen eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, abhängig gemacht werden kann.

33Eine Kompetenz der Europäischen Union zur Regelung des Aufenthaltsrechts von Drittstaatsangehörigen fehlte indes lange Zeit. Die weitgehenden Rechte für Unionsbürger, der Abbau der Binnengrenzen und der Wegfall der Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund des Schengener Übereinkommmens von 19855, machten jedoch eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auch auf diesem Gebiet erforderlich. Erstmals wurde daher durch den Maastrichter Vertrag von 1992 die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (Titel VI EUV a. F.) vereinbart. Die Europäische Gemeinschaft erhielt dadurch zwar keine Regelungskompetenz. Jedoch wurde im Bereich Asyl, Einwanderung und Visa zumindest eine gemeinsame Koordination auf europäischer Ebene möglich. Erst mit dem Amsterdamer Vertrag von 1997 erhielt die Europäische Gemeinschaft weitreichende Regelungskompetenzen in der Visa-, Asyl- und Einwanderungspolitik. Die entsprechenden Kompetenznormen und ergänzende Vorschriften finden sich in Titel IV EG (Art. 61–69 EG). Gestützt auf Art. 62 und 63 EG wurden mit dem Ziel des Aufbaus eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts eine Reihe von Maßnahmen in den Bereichen der Kontrolle der Außengrenzen sowie der Visa-, Einwanderungs- und Asylpolitik erlassen. Allein von November 2002 bis Dezember 2005 erließ die Europäische Gemeinschaft elf Richtlinien im Bereich des Ausländer- und Asylrechts6. Ziele der europäischen Regelungen sind einerseits die Verbesserung der Integration von aufenthaltsberechtigten Einwanderern und andererseits die konsequente Bekämpfung der illegalen Einwanderung.

34Mit dem Vertrag von Lissabon7, der 2007 als Ersatz für den gescheiterten Vertrag über eine Verfassung für Europa von 20048 abgeschlossen wurde, sind die Kompetenzen im Bereich des Ausländer- und Asylrechts größtenteils unverändert bestehen geblieben. Weggefallen sind Beschränkungen der Richtlinienkompetenz im Bereich des Einreise- und Asylrechts auf „Mindeststandards“. Das zu schaffende „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ umgreift u. a. einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus für Drittstaatsangehörige und einheitliche Normen für einen subsidiären Schutzstatus, ein einheitliches Asylverfahren, einheitliche Aufnahmebedingungen und die Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittstaaten (vgl. Art. 78 Abs. 2 AEUV). Die gemeinsame europäische Einwanderungspolitik schließt u. a. Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen, sowie Normen für die Erteilung von Visa und Aufenthaltstiteln für einen langfristigen Aufenthalt, die Festlegung der Rechte von sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhaltenden Drittstaatsangehörigen, illegale Einwanderung und Bekämpfung des Menschenhandels (Art. 79 Abs. 2 AEUV) ein. Für alle diese Bereiche soll der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich in finanzieller Hinsicht gelten (Art. 80 AEUV). Eine Begrenzung findet diese Kompetenz der Union zur Regelung des Einwanderungsrechts im Wesentlichen nur in dem Recht der Mitgliedstaaten festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige in ihr Hoheitsgebiet einreisen dürfen, um dort als Arbeitnehmer oder selbstständig Erwerbstätige einer Beschäftigung nachzugehen (Art. 79 Abs. 5 AEUV) und im Übrigen in der grundsätzlichen Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit auf ihren Territorien (Art. 72 AEUV).

35Die Kompetenzen der Union auf dem Gebiet des Ausländer- und Asylrechts werden seit Inkrafttreten des Vertrags zum 1.12.2009 einheitlich von der Europäischen Union ausgeübt, die an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft getreten ist (Art. 1 Nr. 1 lit. b des Vertrags von Lissabon). Anstelle des Rats als Gesetzgeber beschließen Rat und Parlament als gleichberechtigte Organe im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren über die Rechtsharmonisierung.9 Die Kompetenznormen sind in den neuen Art. 77 bis 79 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu finden, der den EG-Vertrag abgelöst hat (Art. 2 Nr. 1 des Vertrags von Lissabon)10.

Asyl- und Ausländerrecht

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