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II.Historischer Überblick über die Rechtsquellen

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8Das in Deutschland geltende Ausländerrecht besteht aus einem Gefüge von Regelungen auf allen Ebenen der Normenhierarchie. Neben dem Grundgesetz und einfachen Gesetzen sind nicht nur Verordnungen und Verwaltungsvorschriften von Bedeutung, auch das Europa- und das Völkerrecht enthalten Vorschriften, die Auswirkungen auf das deutsche Ausländerrecht haben. Ursprünglich war das Ausländerrecht fast ausschließlich national geprägt und zählt historisch-systematisch zum besonderen Polizeirecht. Das AuslG 1965 wurde durch das Ausländer­gesetz von 1990 (AuslG 1990)1 abgelöst. Dieses Gesetz war noch von dem Grund­prinzip geprägt, dass Ausländern, die zum Zweck einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen, ein Aufenthaltsrecht nur ausnahmsweise nach Maßgabe einer Rechtsverordnung gewährt wird. Eine entscheidende Wende brachte das am 1.1.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz (ZuwG)2, das neben zahlreichen Änderungen bestehender Gesetze als wichtigste Bestandteile das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und das Freizügigkeitsgesetz (­FreizügG/EU) enthält. Zweck des Zuwanderungsgesetzes war es, Gestaltungsspielräume für eine gesteuerte Zuwanderung zu eröffnen und zugleich die Integration von Einwanderern zu regeln. Der Gesetzgeber machte mit der Ersetzung des AuslG durch das „Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet“ (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) deutlich, dass mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ein „Paradigmenwechsel“ verbunden sein sollte, der durch den Dreiklang Steuerung, Begrenzung und Integration gekennzeichnet war3. Eine Neufassung wurde aber auch im Hinblick auf die Rechts- und Verfahrensvereinfachung für erforderlich angesehen. Während das AuslG 1990 die verschiedenen Aufenthaltszwecke in unterschiedlichen Aufenthaltstiteln zum Ausdruck brachte (Aufenthaltsbewilligung, Aufenthaltsbefugnis, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung), kennt das AufenthG ursprünglich nur noch zwei Aufenthaltstitel, nämlich die Aufenthaltserlaubnis und die Niederlassungserlaubnis (unbefristetes Aufenthaltsrecht). Durch die Umsetzung des Unionsrechts ist die Zahl der Aufenthaltstitel mittlerweile wieder auf sieben Aufenthaltstitel angewachsen (vgl. § 4 AufenthaltsG) und damit die Vereinfachung des Ausländerrechts gründlich konterkariert worden.

9Um eine an den Erfordernissen des Arbeitsmarkts orientierte flexible Steuerung der Zuwanderung aus Erwerbsgründen zu ermöglichen, wurde der Grundsatz der Zuwanderungsbegrenzung in § 10 AuslG 1990 aufgegeben und durch einen Abschnitt über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit, der unter anderem auch eine Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte und für Selbständige vorsieht, ersetzt. Eine wesentliche Neuerung stellt die Aufnahme von Integrationsvoraussetzungen im AufenthG dar, indem erstmals gewisse Verpflichtungen und Rechtsansprüche wie der Besuch von Sprach- und Integrationskursen gesetzlich geregelt werden.

Durch das am 28.8.2007 in Kraft getretene Richtlinienumsetzungsgesetz – RiliUmsG4 wurden das AufenthG sowie weitere Gesetze im Bereich des Ausländer- und Asylrechts grundlegend reformiert. Die Notwendigkeit hierfür ergab sich in erster Linie aus der Umsetzung elf aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union in nationales Recht. Die Weiterentwicklung des Ausländer- und Asylrechts stand im Zeichen der Umsetzung der asylrechtlichen EU Normen. In den Jahren 2011 bis 2013 wurden zahlreiche Richtlinien der „2. Generation“ des EU-Einwanderungs- und Asylrechts verabschiedet, die bis 2013 bzw. 2015 umzusetzen waren. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/95 v. 28.8.20135 wurden zahlreiche Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes an die EU Richtlinie 2011/95 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (inhaltlich weitgehend unveränderte Neufassung der „Qualifikationsrichtlinie EG 2004/83“) angepasst. Das Gesetz zur Verbesserung des Rechts von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern v. 20.8.20136 hat Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt u. a. durch neue Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche und Aufenthaltsrechte für erfolgreiche Studienabsolventen in Deutschland eingeführt. Durch das Gesetz werden ferner die Richtlinienvorschriften zum Daueraufenthaltsrecht sowie u. a. über ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige in innerstaatliches Recht umgesetzt. Die Rechte von arbeitssuchenden und geduldeten Ausländern sind durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23.12.20147 insbesondere durch eine weitgehende Lockerung von räumlichen Beschränkungen und wesentlich schnellere Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt gestärkt worden.

10Im Jahr 2015 ist mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und des Rechts der Aufenthaltsbeendigung v. 27.7.20158 zunächst der Reigen der die Rechtstellung von Ausländern verbessernden Gesetze weiter vervollständigt worden, indem Rechtsansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für nachhaltig integrierte geduldete Ausländer geschaffen wurden und eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung in das Gesetz eingeführt wurde. Zugleich wurde, weitgehend in Anpassung an die Rechtsprechung zu den völker- und europarechtlichen Grenzen aufenthaltsbeendender Maßnahmen, das Ausweisungsrecht neu geregelt und das bisherige System zwingender Regel- und Ermessensausweisungen durch eine einheitliche durch die Gerichte voll überprüfbare Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteressen ersetzt. Das Ausweisungsrecht hat dadurch an Transparenz und Eindeutigkeit nichts hinzugewonnen, sondern wird noch stärker als vorher durch ein System von Kasuistik und wechselnden Tendenzen internationaler und nationaler Gerichte determiniert. Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz v. 20.10.20159 steht bereits im Zeichen dramatisch erhöhter Zugangszahlen für irregulär ins Bundesgebiet zuwandernde Flüchtlinge, für die nach den Regeln der Dublin III Verordnung Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz v. 26.6.2013 zuständig ist10, die Bundesrepublik Deutschland weitgehend für die Prüfung eines Asylantrags nicht zuständig war. Durch organisatorische Änderungen im Ablauf des Asylverfahrens, Einschränkungen der Rechtsstellung von Asylsuchenden „ohne Bleibeperspektive“ beim Zugang zum Arbeitsmarkt, Leistungskürzungen, schnellere Registrierung und Verfahrensbeschleunigung ist zumindest eine gewisse Kontrolle über die Zuwanderung wiederhergestellt und durch beschleunigte Rückführungsverfahren eine Reduzierung der Zuwanderungszahlen erreicht werden.

11Die Zielsetzungen dieser Gesetze sind mit in kurzem Abstand aufeinanderfolgenden Gesetzen von 2016 bis Frühjahr 2020 fortgesetzt worden. Das Gesetz zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustauschs zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Erstes Datenaustauschverbesserungsgesetz v. 2.2.201611) will eine schnelle und flächendeckende Erfassung von Personen, die als Asylsuchende, Flüchtlinge oder unerlaubt nach Deutschland einreisen, mittels eines neu eingeführten, mit biometrischen Merkmalen versehenen Ankunftsnachweises (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender) erreichen. Das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung v. 11.3.201612 steht im Zeichen der Reaktion auf die zahlreichen von im Gruppenverbund begangenen Straftaten von Asylbewerbern während der Silvesternacht 2015/2016. Das Gesetz qualifiziert neu Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte als besonders schwerwiegende bzw. je nach Höhe der Strafe als schwerwiegende „Ausweisungsinteressen“ und will damit die Ausweisung straffälliger Ausländer erleichtern. Die Reform des Asylverfahrensrechts wird im „2. Asylpaket“ mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.3.201613 fortgeführt.

12Zentrale Punkte der Reform sind die Einführung beschleunigter Verfahren in besonderen Aufnahmeeinrichtungen im Falle offensichtlich unbegründeter oder wegen mangelnder Kooperation verschleppter Asylverfahren. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wird im Grundsatz für eine Dauer von zwei Jahren zunächst ausgesetzt und mit dem Familiennachzugsneuregelungsgesetz v. 12.7.201814 ohne Gewährung eines Rechtsanspruchs durch Einrichtung von Kontingenten neu geregelt. Im Asylbewerberleistungsrecht erfolgen neben Kürzungen für Asylsuchende bis zur Ausstellung des Ankunftsnachweises und Asylbewerber, die ihre Identität verschleiern, entsprechend den Integrationszielen bei der Legalisierung ausreisepflichtiger Ausländer Gleichstellungen von Asylbewerbern mit Geduldeten und Inhabern humanitärer Aufenthaltsrechte im Bereich von Förderleistungen bei Berufsausbildung und Studium durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes v. 13.8.201915. Mit dem Integrationsgesetz v. 31.7.2016 wird unter dem Motto „Fördern und Fordern“ der Zugang von Asylbewerbern und Flüchtlingen zur Ausbildungsförderung und zu Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen wesentlich erleichtert, zugleich aber auch die Beachtung von Integrationspflichten durch Sanktionen u. a. in der Form von Leistungskürzungen und Wohnsitzbeschränkungen verstärkt.

13Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz v. 15.8.201916 wird das Recht der Zuwanderung von Arbeitskräften umfassend neu geregelt. Das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung v. 8.7.201917 schafft die Rechtsgrundlagen für Ansprüche auf die Erteilung einer Duldung zum Zweck der Ausbildung oder Beschäftigung für ausreisepflichtige Ausländer und ermöglicht damit die Überleitung zur vollen Legalisierung mittels der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer, die sich für die Legalisierung mittels privilegierter Duldungen nicht qualfifizieren, soll mittels des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht v. 15.8.201918 mit einer Reihe von verschärften Mitwirkungspflichten und deutlich erweiterten ausländerbehördlichen Befugnissen erleichert und beschleunigt werden. Das Zweite Gesetz zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken v. 4.8.201919 schafft hierzu die datenrechtlichen Voraussetzungen.

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