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3. rita/ríta

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Die Verben rita und ríta stehen im Gegensatz zu rísta für das Schreiben mit lateinischen Buchstaben und entsprechen semantisch wohl lat. scribere. Die beiden Verben werden hier zusammengefasst, weil sie nicht in allen Konjugationsformen unterschieden werden können und in den Handschriften die Länge des Stammvokals nicht immer durch einen Akzent markiert ist. Zudem ist ein Teil der Formen ohnehin homophon.1 Die beiden Verben sind laut Baetke (2002: 503) synonym, mit der Bedeutung ‚schreiben, aufzeichnen, berichten‘, „rita/ríta til e-s“ bedeutet ‚an jdn. schreiben‘. Etwas differenzierter ist allerdings Fritzner (1886–96: III, 118f.): Beide Verben teilen bei ihm die Bedeutung ‚schreiben‘ („skrive“). Er führt viele unübersetzte Zitate an, gibt aber keine Anhaltspunkte zu den syntagmatischen Relationen. Abgesehen von „klerkr“ ‚Geistlicher‘ und „ritari“ ‚Schreiber‘ sind nur Personennamen und Pronomina zu finden. Als Thema gibt es „bók“ ‚Buch‘, „bréf“ und „rit“ ‚Brief‘ als Schriftträger, „stafr“ ‚Buchstabe‘ und „orð“ ‚Wort‘ als sprachliche Zeichen, sowie „saga“ ‚Geschichte‘ „þáttr“ ‚Erzählung‘ als Textsorten, sowie „æfi“ und „líf“ ‚Leben‘ als Inhalt. Schriftträger und Texte kommen auch als Ort vor wie „á bók“ ‚auf dem Buch‘, „í sögu“ ‚in der Geschichte‘, „í guðspjöllum“ ‚in den Evangelien‘ und „undir sínum innsiglum“ ‚unter seinen Siegeln‘. Zwei instrumentale Dative verweisen auf den Körper „höndum“ ‚mit den Händen‘ und sprachliche Zeichen „gullstöfum“ ‚mit Goldbuchstaben‘. Die Kausativkonstruktion „láta ríta“ enthält einen König („konungr“) im Subjekt als Auftraggeber.

Das Lemma ríta hat zusätzlich die Bedeutung ‚ritzen‘ („ridse“) mit dem Beispiel „borgarveggi […], er stafsbroddrinn hafði á ritit“ ‚die Stadtmauern […], auf welche die Speerspitze geritzt hatte‘ (Übers. KM). Das Subjekt stafsbroddr ‚Stabspitze‘ ist hier ein Schreibwerkzeug und borgarveggir ‚Stadtmauern‘ in einem Präpositionalobjekt mit á ‚auf‘ der Schriftträger. Das Lemma rita hat dafür die zusätzliche Bedeutung ‚aufschreiben, zählen, rechnen‘ („opskrive, tælle, regne“), welche sich anhand der syntagmatischen Relationen nicht deutlich von ‚schreiben‘ abgrenzen lässt. Entscheidend für die Wahl dieser Bedeutung scheinen die Substantive „fé“ ‚Vieh, Besitz‘ und „tal“ ‚Zahl‘ gewesen zu sein. Verschiedene bekannte Aspekte des Schreibens kommen als Attribute bei rita bzw. ríta in verschiedenen Ergänzungen vor: SCHREIBER als Agens, TEXT und SCHRIFTTRÄGER als Thema oder Ort, SPRACHZEICHEN als Thema oder Instrument, KÖRPER und SCHREIBWERKZEUG als Instrument und AUFTRAGGEBER als Causer. Die zusätzlichen Bedeutungen ‚ritzen‘ und ‚aufzählen‘ sind vom SCHREIBWERKZEUG und SCHRIFTTRÄGER bzw. vom INHALT abhängig, d.h. diese Bedeutungsverengung erfolgt aus den Werten der jeweiligen Attribute. Da Fritzners Zitate nur eine Auswahl darstellen ist es nicht möglich, diese verschiedenen syntagmatischen Relationen, Attribute und Werte zu verallgemeinern, sie geben aber interessante Anhaltspunkte für die weitere Analyse.

Das starke Verb ríta geht etymologisch auf das urnord. *wrītan zurück, das wichtigste verbum scribendi in den Runeninschriften des älteren Fuþarks (vgl. Schulte 2002: 661). Die Verwendung des anord. ríta für das lateinische Alphabet ist wahrscheinlich vom Kognaten aengl. wrītan beeinflusst (vgl. Spurkland 1994: 4–7). Das Verb ist gemeingermanisch und hat neben dem Altenglischen auch die Kognaten as. wrītan und ahd. rīzan (vgl. Blöndal 2008: 767). Das Verb ríta ist seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts handschriftlich belegt. Jedoch sind die meisten dieser Handschriften nur noch in Abschriften erhalten. Der einzige Beleg vor 1200 stammt aus der Handschrift GKS 1812 4to von ca. 1192 (vgl. ONP ríta). Das schwache Verb rita ist erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts handschriftlich belegt (vgl. ONP rita) und ist ebenfalls gemeingermanisch mit den Kognaten aengl. writian (vgl. Blöndal 2008: 767) und ahd. rizzōn ‚(an-, ein-)ritzen‘ (vgl. Schützeichel 2004: VII, 454). Alle drei gehen auf urgerm. *writōn zurück. Es handelt sich entweder um eine deverbale Intensitivbildung zu urgerm. *wrītanan oder um eine denominale Ableitung zu urgerm. *writiz (vgl. Orel 2003: 473).

Es lässt sich soweit festhalten, dass die beiden Verben weitgehend synonym sind und sich morphologisch und graphisch nicht immer differenzieren lassen, so dass mit einer Reihe ambiger Belege zu rechnen ist. Ausserdem ist das unterschiedliche Alter der Verben in Betracht zu ziehen. Für die Analyse im Korpus stellen sich folgende Fragen: Wird ríta im Laufe der Zeit von rita abgelöst und kann eine nähere Betrachtung der syntagmatischen und semantischen Relationen die Frage nach der Synonymie beantworten?

Schreiben und Lesen im Altisländischen

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