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Die Familie Eiriks »des Roten« lebt sich ein

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Eirik war der führende Häuptling der West- wie auch der Ostsiedlung, und beide Kolonien profitierten bald von seiner sorgfältigen Vorausplanung aller Aspekte ihrer Wirtschaft. So ist die Stätte, die er für sein neues Gehöft auswählte, ein gutes Beispiel für seine Weitsicht und sein Organisationstalent. Brattahlid ist der nördlichste der vier großen grönländischen Höfe der Nordmänner und liegt damit der Westsiedlung am nächsten. Aber das ist nur einer von vielen Vorteilen. Brattahlid lag nahe genug an der Gegenküste des inneren Eiriksfjord, um vom Tiefwasserhafen zu profitieren, in dem die Schiffe noch heute anlegen, während man auf dem sanft abfallenden Uferstreifen auf Eiriks Seite die flachen nordischen Boote an Land ziehen konnte. Darüber erstreckte sich ein großes Feld, das sich für den Handel wie für andere öffentliche Treffen eignete. Das Wohnhaus seiner Familie lag oben am Hang und war zum Fjord hin ausgerichtet, so dass jeder, der heraustrat, bis fast zum Ende des Fjordes wie auch ein ganzes Stück in Richtung Mündung blicken konnte – kein Schiff näherte sich hier unbemerkt. Überreiche Nahrungsressourcen von Land und See waren direkt erreichbar; Treibholz sammelt sich noch heute an einem Strudel in der Flussmündung etwas weiter den Fjord hinauf; und Eiriks Felder profitierten in den Sommermonaten großzügig vom Sonnenschein. So wurde Eiriks Siedlungsplatz zum Zentrum der nordischen Siedlungsgebiete in Grönland.

Eirik hatte seine Frau Thjodhild und ihre gemeinsamen Söhne Leif, Thorvald und Thorstein mitgebracht, von denen wir nicht wissen, wie alt sie zur Zeit der Landnahme waren. Ein angeblich zum Jähzorn neigendes Mädchen, Freydis Eiriksdóttir, wird ebenfalls in der Saga-Literatur genannt, doch wird oft angenommen, dass sie nicht Thjodhild zur Mutter hatte.20 Das wäre nicht ungewöhnlich, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Eirik auf Island Sklavinnen besaß. Eirik erkannte Freydis offensichtlich als seine Tochter an, und sie war in jedem Fall durchaus nützlich in einem neuen Land, in dem Frauen so dringend gebraucht wurden, für den Fortbestand der Kolonie ebenso wie für die Arbeit im Haus wie auf den Weiden. Sie heiratete schließlich einen Mann namens Thorvard, der »ziemlich schwächlich« war, aber nach Angaben der »Saga von den Grönländern« auch ziemlich reich. Mit ihm lebte sie in Gardar.21

Der Ehemann von Freydis Eiriksdóttir war vermutlich der Sohn von Einar, dem Siedlerfreund ihres Vaters, und so machten ihn sein Reichtum und seine gesellschaftliche Stellung zu einem passenden Schwiegersohn für den Häuptling auf Brattahlid, selbst wenn Thorvard das Zeug zum Pantoffelhelden hatte und im Vergleich mit den drei Halbbrüdern seiner Frau nicht so gut abschnitt. Es ist unwahrscheinlich, dass Freydis selbst bestimmen durfte, wen sie heiraten wollte, denn in allen nordischen Gesellschaften des Mittelalters waren die männlichen Verwandten einer Freien dafür verantwortlich, sie zu verheiraten, und man erwartete von ihnen, dass sie das so vorteilhaft für die ganze Familie wie nur möglich taten.22 Einmal ganz abgesehen von dem eklatanten Mangel an geeigneten Frauen im heiratsfähigen Alter in einer so jungen Gemeinde sorgte schon Eiriks Status als unangefochtener Anführer der neuen Kolonie dafür, dass er für seine Tochter die beste Partie herausschlagen konnte.

Es war für die Familie von Gardar wie für die von Brattahlid von Vorteil, ihre bisher schon guten Beziehungen mit einer Eheschließung weiter zu festigen. Die Kolonisten waren in großen Familiengruppen mit Dienern und Sklaven auf Grönland angekommen und entschlossen, dort eine funktionsfähige Gesellschaft zu schaffen, in der die Verwandtschaft eine wichtige soziale und wirtschaftliche Kraft darstellte, obwohl auch andere Formen sozialer Organisation vorhanden waren. Familienbande waren für alle nordischen Gesellschaften am Rand des Nordatlantiks von zentraler Bedeutung, und je mehr Macht und Reichtum eine Großfamilie besaß, desto mehr von beidem hatten ihre Mitglieder auch in der Zukunft zu erwarten.

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