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Häuser für den ersten Winter

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Ungeachtet des jeweiligen gesellschaftlichen und ökonomischen Status war das Leben für alle anfangs sicher sehr hart – fast fünfhundert Seelen mussten sich auf ihren ersten Winter in einem neuen Land vorbereiten.23 Eirik hatte bei seiner ersten Erkundung drei Winter auf Grönland verbracht, und wusste deshalb, dass seine Pioniere keine Zeit verschwenden durften und sofort Häuser für sich und ihre Tiere bauen mussten, bevor die Tage kürzer wurden und der Winter kalt. Auch die anderen müssen diese dringende Notwendigkeit gesehen haben, denn Archäologen haben Hinweise darauf gefunden, dass wenigstens einige frühe Siedler Land rodeten, indem sie das allgegenwärtige grönländische Gestrüpp einfach niederbrannten.24 Das vernichtete zwar Brennstoff, sparte aber wertvolle Zeit und Kraft für die mühselige Aufgabe, Winterfutter einzubringen und einen Unterschlupf zu errichten. Das undurchdringliche Dickicht wächst dort mannhoch, und persönliche Erfahrungen im Umgang damit mildern meine Kritik an dieser Form der Urbarmachung. Zudem litten die nordischen Grönländer nie an einem so verzweifelten Brennstoffmangel, wie manche Autoren behauptet haben. In geschützten Regionen der Ostsiedlung sind ziemlich große Birkenstämme aus der nordischen Zeit gefunden worden, außerdem lassen neuere Untersuchungen grönländischer Höfe vermuten, dass die Siedler die Gewohnheit mitbrachten, Torf als Brennstoff zu verwenden. Schließlich waren die Archäologen überrascht davon, wie viel Holz die Nordmänner in Grönland beim Bau ihrer Häuser verbrauchten und dass sie die Hobelspäne, die etwa beim Schiffs- und Hausbau anfielen, nicht als Brennmaterial nutzten.25

Die Einwanderer hatten einen Baustil aus Island mitgebracht, der gut zu einer Umwelt passte, in der Stein und Rasensoden im Überfluss vorhanden waren, aber keine größeren Bäume wuchsen, um die Treibholzansammlungen zu ergänzen. Die Siedler und ihre Nachfahren verwendeten Steine für die Fundamente und manchmal auch für die Mauern, die ansonsten aus Torf-»Ziegeln« bestanden. Diese hatte man zuvor aus der Erde geschnitten und zum Trocknen ausgelegt, bevor sie zu anderthalb bis zwei Meter dicken Wänden aufgeschichtet wurden. Im Hausinneren trug eine Reihe von aufgerichteten Stangen ein schräges Dach aus Rasensoden, die auf einem Gerüst aus Holzbalken und ineinander verschränkten Zweigen lagen. Es gab keine Fenster oder Kamine, nur ein Rauchloch im Dach mit einer verschiebbaren Steinabdeckung zum Schutz gegen Regen und Schnee.

Die Haustür bestand aus Holz, ein Material, das, sofern verfügbar, auch für Wandverkleidungen, Zwischentüren, Webrahmen, Bettgestelle und Hochsitze verwendet wurde, sowie als Verkleidung der Pritschen und Bänke aus aufgeschichteten Rasensoden, auf denen die Menschen schliefen und saßen. Bei festlichen Anlässen wurden die Innenwände mit gewebten und bestickten Wandbehängen verschönert, wenn man es sich leisten konnte, während Feuer und Öllampen wie zu Hause auf Island zu den Annehmlichkeiten des Alltags gehörten. Die offenen Feuerstellen befanden sich gewöhnlich, wenn auch nicht immer, in der Hausmitte auf dem Boden. Sie lieferten willkommene Wärme und Licht und dienten zusätzlich als Kochstelle. Der Boden selbst bestand meist aus gestampfter Erde und Kies, auf dem vielleicht eine Schicht aus Zweigen und Heide lag, um zusätzliche Wärme zu schaffen auf einem Breitengrad, wo es im Winter kurz nach drei Uhr nachmittags dunkel und vor neun Uhr am nächsten Morgen nicht wieder hell wird. Auf den Lagerflächen im Haus waren Nahrungsmittel untergebracht, die leicht erreichbar sein mussten, wie etwa Wasser, Milch, Milchprodukte und eingelegte Lebensmittel – dies alles wurde in Fässern aufbewahrt. Mit der Zeit kam auf vielen Höfen ein eigener Speicherbau hinzu, der mit einigem Abstand vom Boden errichtet wurde, um Fisch und Fleisch vor den Elementen wie auch den wilden Tieren zu schützen. Manchmal war er aus so großen Steinen gebaut, dass man sich über die Körperkraft der Menschen wundert, die solche Brocken bewegten.

So bald es ging, wollten die nordischen Bauern auf Grönland sicher auch ein Badehaus sowie Scheunen für Winterfutter und einen getrennten Unterstand für einen Teil des Viehs errichten, doch es ist unwahrscheinlich, dass all diese Annehmlichkeiten schon vor dem ersten Winter gebaut wurden. Glücklicherweise waren die Schafe der Nordmänner widerstandsfähige Geschöpfe und konnten mit ihrem wolligen Fell auch draußen überleben, vorausgesetzt, sie fanden genug zu fressen; es bestand jedoch die Gefahr, dass sie scharenweise starben, wenn sie sich im Winter nachts zum Schlafen an eine Stelle legten, wo der Schnee am Tag aufgeschmolzen war. Nachts fror er dann mit ihrer Wolle fest, und am Morgen konnten sie nicht mehr aufstehen. Nachdem sehr viele grönländische Schafe noch in den 1960er-Jahren auf diese Weise umkamen, werden die Tiere jetzt im Winter in großen Scheunen gehalten. Im Sommer grasen sie noch immer zwischen den Ruinen von Eiriks früherem Häuptlingssitz, der heute zu dem kleinen modernen Schafzüchterdorf Qassiarsuk gehört.

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