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Über Ulixbona, heute LissabonLissabon, Ort

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Am 26. November verließen wir ÉvoraÉvora, Ort über MontemorMontemor-o-Novo, Ort – ein wunderschönes Schloss, umgeben von vielen Olivenbäumen –; wir durchquerten eine Landschaft 17 Meilen lang, folgten dann 3 Meilen einem Meeresarm und kamen schließlich in der ehrwürdigen Stadt LissabonLissabon, Ort an. Dort gibt es einen sehr hohen Berg, auf dessen Gipfel zwei königliche Befestigungen sind1. Unterhalb liegt der ganze bewohnte Hügel, voller Häuser, Klöster und anderer Kirchen. Im Westen erhebt sich ein weiterer Berg, dessen Ostseite ganz besiedelt ist. Die große Ebene in der Mitte ist bis zum Meer vollständig bewohnt. Lissabon ist größer als NürnbergNürnberg, Ort und wesentlich stärker besiedelt, denn in einem einzelnen Hause leben meistens 3, 4 oder fünf Bewohner. Es sind sogar eher drei Städte als zwei. Die Juden haben drei eigene ViertelLissabon, OrtJudiaria grande, Judiaria nova, Judiaria de Alfama, unterhalb des Schlosses, am Fuß des Berges, diese werden jede Nacht geschlossen2. Am Samstag, der Vigil von Sankt AndreasAndreas, Apostel, Hl. (29. November), ging ich in ihre Synagoge. Niemals sah ich etwas Vergleichbares. Vor der Synagoge steht ein großer Palast, den ein riesiger Weinstock verdeckt, dessen Stamm im Umfang 4 Handbreit misst. Oh, welch schöner Ort und Stuhl zur Predigt, fast wie in den Moscheen. Innen brannten 10 große Kandelaber, und in jedem von diesen gab es 50 oder 60 Lampen, ohne noch die weiteren zu zählen. Die Frauen hatten eine eigene Synagoge, in der ebenfalls viele Lampen brannten. Die Juden von Lissabon sind sehr reich, sie erhalten die königlichen Tribute, weil sie diese vom König kauften (pachteten)3. Und sie sind den Christen gegenüber unverschämt. Sie haben auch große Angst vor Proskriptionen, weil der König SpaniensSpanien, L. dem König PortugalsPortugal, L. befahl, er solle die MarranenMarranen, jüdisch- christliche Konvertiten vernichten und ebenso die Juden, oder er würde Krieg mit ihm beginnen4. Der König von PortugalJohann II., Kg. von Portugal (1481–1495) verhielt sich korrekt gegenüber dem König von SpanienFerdinand II., Kg. von Aragón (1479–1516) und befahl, dass vor dem Fest der Geburt des Herrn alle Marranen sein Reich verlassen sollten. Diese hatten das Schiff Regina unter Vertrag genommen, ein sehr schönes Schiff, und schon Mitte Dezember sollten sie nach NeapelNeapel, Ort aufbrechen5. Den Juden gewährte der König einen Waffenstillstand von zwei ganzen Jahren, damit er sie in einer verträglichen Form aus dem Reich vertreiben könne. Unter diesen Bedingungen verlassen die Juden kontinuierlich das Reich und suchen außerhalb Orte, um zu leben. Die SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) haben bei den Mauern der Stadt unterhalb des Schlosses ihre WohnviertelLissabon, OrtMouraria und eine Moschee6, die wir besuchten.

Auf dem Berg, der dem Schlossberg gegenüber liegt, gibt es ein Kloster mit KarmelitinnenLissabon, OrtConvento do Carmo, Kl.7, das so wunderbar von dem Infanten HeinrichHeinrich der Seefahrer († 1460), Infant von Portugal8 erbaut wurde, dass du dich in einer Befestigungsanlage wähnst. Ich stieg auf den dortigen Turm und betrachtete die Lage jenes Stadtteiles, dies gefiel mir gut. Auf demselben Berg liegt das Kloster der Heiligsten DreifaltigkeitLissabon, OrtConvento da Santissima Trindade, Kl.9 und der Minderbrüder10. Dort sahen wir ein großes Krokodil, das im Chor aufgehängt war, ebenso einen großen Baum, der Drachenbaum genannt wird und aus dem ein roter Saft wie Drachenblut fließt11. Im Kloster des heiligen AugustinusLissabon, OrtSão Vicente de Fora, Kl.Aurelius Augustinus Hl., Kirchenvater, Bf. von Hippo (395–430)12, das oberhalb des Kastells liegt, gibt es ebenso drei weitere Drachenbäume. Einer von ihnen war äußerst dick, zwei Männer können seinen Stamm kaum umfassen. Er ist groß wie eine Pinie, und im Gipfel teilt er sich in viele große Zweige mit Verästelungen auf wie die Wurzel des Kalmus, und aus der letzten Verästelung geht ein großer Strauß an Blättern hervor, die wie die Blätter des Kalmus oder der Iris aussehen, dick und breit. Und eine Dolde ist so groß und dick wie bei den Dattelpalmen, sie trägt viele Kerne wie die Haselnüsse, von gelber Farbe. Im Januar, wenn sie reifen, werden sie süß und rot, aber in dieser Gegend werden sie nicht häufig gegessen. Das Holz dieses Baumes hat außen eine dicke Rinde, innen ist das Holz hell und schwammig wie das innere Holz des Zitrus’ oder der Rübe. Und in den Spitzen der Äste ist es sehr weich, aber an der Wurzel ist der Stamm sehr hart. In GuineaGuinea, L. und auf anderen Inseln fressen die Pferde auf der Weide die Blätter dieser Bäume. Dort sind diese so groß, dass die Äthiopier von einem Ast Schiffe für 3 oder 4 Personen machen, und aus dem ausgehöhlten Stamm fertigen sie ein Schiff für 50 oder 60 Leute. Dies erzählten mir vertrauenswürdige Menschen, die das in den Gegenden am Äquator sahen. Das Holz dieses Baumes ist schwammig, hell und leicht wie das Sambuccamark und lässt sich leicht aushöhlen, es ist voll mit kleinen Venen. Und im März kann man einen roten Saft gewinnen, der wie Drachenblut aussieht. Es ist ein wunderschöner Baum, der in den sehr warmen Gegenden zu höchster Größe wächst, vor allen Dingen an Orten mit reichlich Wasser, weil er sehr nach Wasser dürstet.

Am Sonntag, dem letzten des Monats November (30. November), gingen wir eine Meile aus LissabonLissabon, Ort heraus nach Santa Maria da LuzNossa Senhora da Luz, Ort, wo die Jungfrau ihrer Wunder wegen bekannt ist13. Dort sahen wir den Schnabel eines Vogels, der Pelikan heißt, der demjenigen einer Kropfgans ähnelt, obwohl er nicht so breit ist; er hat einen großen Beutel vor der Magenmündung. Der Pelikan ist kleiner als der Schwan, größer als die Gans, und seine Federn sind gänzlich aschgrau. Es gibt ihn vielfach in GuineaGuinea, L.14. Wir sahen auch einige Zuckerrohre, welche Meeresstürme von Osten bei den Inseln MadeiraMadeira, Insel und FayalAzoren, InselgruppeFayal angeschwemmt hatten; eins von zwei Rohren maß 16 Schritte. Es war so dick wie mein Unterarm am Handansatz, und die Astgabeln waren eine Elle weit auseinander. Deshalb glaube ich PliniusG. Plinius Secundus Maior († 79), röm. Staatsmann und Gelehrter, wenn dieser im 6. Buch von der Größe der Zuckerrohre handelt15. Wir sahen auch kleine Lanzen, die aus Zuckerrohr messerscharf angespitzt waren, welche die Äthiopier „hasagayas“16 nennen; es sind Bögen, und Pfeile mit spitzen Eisenpunkten, die alle aus Zuckerrohr gefertigt sind. Wir erblickten weiterhin ein kleines Krokodil und einige Kämme von sehr großen Fischen; sie gleichen dem Kamm, der aus hartem Knochen gemacht ist, mit dem jener Fisch die Schiffe wie mit einer Säge zerschneidet17. Wir sahen solche sehr harten Sägen, die eine Handspanne sowie zwei Ellen in der Länge messen.

Am gleichen Tag stiegen wir zum SchlossLissabon, OrtCastelo de São Jorge18 hinauf und erblickten zwei starke Löwen, so schön, wie ich niemals gesehen habe. Ebenso sahen wir eine Kosmographie, die auf einer großen und vergoldeten Tafel aufgezeichnet war, deren Durchmesser 14 Handspannen betrug19. Es ist ein wahrhaft königliches SchlossLissabon, OrtCastelo de São Jorge mit seinen Palästen, Sälen und anderen Dingen. Als wir das Schloss in Richtung Meer verließen, betraten wir ein großes und sehr bekanntes Schiff eines gewissen adeligen Deutschen aus DanzigDanzig, Ort, dessen Name Bernhard FechterFechter, Bernhard, dt. Adliger20 lautet; er erwies uns größte Ehre. Er ließ für uns einen Schinken zubereiten, der westfälisch „Hamen“ heißt, ebenso einige gegrillte Lammschultern. Und ich trank bestes Bier aus EnglandEngland, L. und Danzig, in reichem Maße, und es bekam mir gut. Derselbe Bernhard FechterFechter, Bernhard, dt. Adliger21 hatte im Britannischen Meer22, als ein Unwetter auf See sie bedrängte, zwei (Menschen) in ein Boot geschickt, die sich bei dem Unwetter mit ihren Rudern zum Schiff hin bewegten, um das Boot an Bord zu bringen, aber das vom Schiff gelöste Boot wurde plötzlich vom Schiff abgetrieben. Jene zwei blieben 10 Tage und 11 Nächte ohne Speise, Trank und Ruder dem Meer ausgesetzt und wurden am 11. Tag von einem Fischer gefunden. Von ihnen starb der schwächere, als der Fischer sie mit Brot und Bier wieder zu beleben versuchte. Der andere wurde nach und nach ernährt und gewann die Gesundheit wieder. In London,London, Ort in England traf er BernhardFechter, Bernhard, dt. Adliger23. Wir sahen diesen auch in LissabonLissabon, Ort. Man sehe, dass ein Mensch 11 Tage ohne Essen und Trinken aushalten kann24! Dieses Schiff war mit besten Geschützen ausgerüstet, mit Mörsern, Pfeilen, Lanzen, Wurfspießen und allen Geräten, die für den Seekrieg wichtig sind. Er hatte 100 Leute unter sich und war bestens ausgestattet. Auf dem Schiff war auch ein Mönch des Predigerordens aus EsslingenEsslingen, Ort in SchwabenSchwaben, L., den Bernhard sehr lobte, weil dieser sehr gut auf Kriegsdinge vorbereitet sei. Oh Mönch, überall bist du zu finden!

Nachdem wir dieses Schiff verlassen hatten, betraten wir das Schiff Regina. Oh, welch schönes und gut ausgerüstetes Schiff dies ist! Es besitzt 36 sehr große Geschosse und 180 andere Geschütze, viele Pulverfässer, Pfeile, Lanzen, Wurfgeschosse, und es ist vorbereitet, um die MarranenMarranen, jüdisch- christliche Konvertiten in den Dezembertagen nach NeapelNeapel, Ort zu bringen25. Es waren für das Schiff 30 Schützen bestellt, allesamt Deutsche, deren Anführer war Gregor PietPiet, Georg, deutscher Schütze von AtzmoosAtzmoos, Ort, einem Ort oberhalb von FeldkirchFeldkirch, Ort bei SargansSargans, Ort26, ein guter und ehrlicher Mann, den der König sehr schätzte.

Im Meereshafen werden in großer Anzahl die verschiedensten Lebensmittel verkauft: Früchte wie Haselnüsse, Walnüsse, Zitronen, Mandeln, Feigen, und so viele Äpfel, wie man sich nicht vorstellen kann. Niemals sah ich eine größere Menge an Äpfeln zum Verkauf, auch nicht in NürnbergNürnberg, Ort im Herbst oder zu Beginn des Winters, wenn sie normalerweise feilgeboten werden. Und welche verschiedenen Arten von Fisch, die sie Sardinen nennen und die sie 4 Meilen entfernt in der Seestadt SetúbalSetúbal, Ort in so großer Menge fangen, dass es genug für ganz PortugalPortugal, L., SpanienSpanien, L., RomRom, Ort, NeapelNeapel, Ort und KonstantinopelKonstantinopel, Ort gäbe. Ich spreche nicht von Thunfisch, Delphinen und anderen Fischen.

An der Vigil AndreasAndreas, Apostel, Hl.‘ (29. November27) führte man uns auf königlichen Befehl zu dessen La MinaElmina / São Jorge da Mina, Ort28, einem großen Gebäude im Hafenbereich, wo riesige Vorräte an Waren des Königs aufbewahrt werden, die dieser nach ÄthiopienÄthiopien, L. schickt. Wir sahen viele Tücher in verschiedenen Farben, die der König aus TunisTunis, Ort herbringen ließ, ebenso Teppiche, Leinwand, Kupferkessel, Schüsseln, Rosenkränze aus Zitronenkernen und aus Glas sowie viele andere Dinge. In einem anderen Gebäude erblickten wir dann, was sie aus Äthiopien herbeibringen: Paradieskörner29, verschiedene Büschel und Dolden von Pfeffer, die sie uns in großer Menge schenkten, und weiterhin Elefantenzähne. Alles Gold wurde nun zu Geld geprägt: Es wird als geschmolzenes und zubereitetes Gold gebracht. Nur selten kommt derartiges Mineral, das sich in rötlichen Böden findet, fast vollständig golden vor. Am Ende dieses Buches, im Kapitel über die südlichen Inseln und Äthiopien, findest du Ausführlicheres über dieses Thema30.

Am 20. Dezember verließen 4 Schiffe wie das der Regina mit 800 MarranenMarranen, jüdisch- christliche Konvertiten sowie ein anderes Schiff, das Aguila hieß, mit einer großen Menge Zucker und 200 Menschen, Kaufleuten und Fremden, das einen guten Schiffseigner besaß, den HafenLissabon, OrtHafen. Die Aguila, so sage ich, erlitt an jenem Tag 5 Meilen vom Hafen LissabonLissabon, Ort entfernt, plötzlich Schiffbruch wegen großer Unwetter31. Wir verließen an ebendiesem Tag SantiagoSantiago de Compostela, Ort32, ein starker Wind toste, und ich sagte zu meinen Begleitern: „Wehe denen, die an diesem Tag auf dem Meer sind.“ Als ich in ZaragozaSaragossa / Zaragoza, Ort ankam, wurden mir diese Begebenheiten mitgeteilt33. In ToulouseToulouse, Ort erzählte mir ein gewisser Mann aus ValenciaValencia, Ort auch, dass er in den vielen Jahren seines Lebens noch nie ein vergleichbares Unwetter erlebt habe34. An jenen Tagen gingen zwischen MarseilleMarseille, Ort und Valencia mehr als 50 Schiffe auf dem Meer oder in den Häfen unter35.

Wir sahen weiterhin eine große Werkstatt mit vielen Öfen, wo sie Anker, Geschütze36 und Ähnliches herstellen, was das Meer betrifft. Alle, die dort arbeiteten, waren so schwarz in ihren Öfen, dass man denken kann, Zyklopen in der Höhle des Vulkans anzutreffen. Wir sahen schließlich in 4 großen Gebäuden sehr schöne und große Geschütze, die dort in unzähliger Anzahl vorhanden sind, ebenso Wurfgeschosse, Schilde, Brustharnische, Mörser, Springarden, Bögen, Lanzen; alles war hervorragend fabriziert und in großer Menge vorhanden. Ich rede nicht von den anderen Dingen, die in den verschiedenen Schiffen auf dem ganzen Meer verteilt sind. Die Instrumente aus NürnbergNürnberg, Ort sind im Vergleich nichts37. Wieviel Blei, Kupfer, Natron und Schwefel es hier gibt, und alles wird in größter Menge herbeigebracht! Dies ist nicht verwunderlich, weil ÄthiopienÄthiopien, L. Gold im Übermaß schickt38 und der König sehr auf die Verwendung bedacht ist. Der König huldigt nicht der Verschwendung und ordnet alles zum größten Vorteil. Ich glaube, dass er jährlich aus dem Seehandel unglaublichen Gewinn zieht. Wir waren in einem großen und bedeutenden Haus des Königs beherbergt, in der Wohnung des Schwiegervaters von Martin BehaimBehaim, Martin († 1507), Nürnberger Kaufmann und Reisender39, der Jodocus von HurtereJodocus van Hurtere / Josse van Huerten / Josse van Huerter / Joz d’Utra († 1495), Gouverneur von Faial und Pico hieß, aus BrüggeBrügge, Ort, ein edler Mann und Herrscher der Inseln von FayalAzoren, InselgruppeFayal und PicoAzoren, InselgruppePico40. Er hat eine adlige Frau, die sehr gelehrt und in allen Dingen beschlagen ist41. Sie schenkte mir Proben von Gazellenmoschus und erwies uns höchste Ehre. Dieses Haus liegt am Hauptplatz auf einem großen Grundstück neben dem Kloster des heiligen DominikusLissabon, OrtDominikanerkl.42. Wir wurden bestens behandelt.

Der Reisebericht des Hieronymus Münzer

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