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2. Vor- und Nachteile des Insolvenzverfahrens
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Insolvenzanträge erfreuen sich bei Gläubigern großer Beliebtheit, denn ihre bloße Ankündigung beängstigt den Schuldner und führt häufig zu Auszahlungen. Außerdem sind Insolvenzanträge in zeitlicher und finanzieller Hinsicht leichter zu stellen als Klageanträge vor den Zivilgerichten. Ein Grund für die geringeren Anforderungen der Verfahrenseinleitung ist der im Insolvenzeröffnungsverfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 S. 1 InsO), der es für die Zulässigkeit eines Insolvenzantrags grundsätzlich ausreichen lässt, wenn Forderung und Eröffnungsgrund (§§ 17, 19 InsO) beispielsweise durch Vorlage von Vollstreckungstiteln und Fruchtlosigkeitsbescheinigungen glaubhaft gemacht werden, § 14 Abs. 1 InsO. Ein Prozess nebst Zwangsvollstreckungsversuch ist also in der Regel bereits durchgeführt worden.
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Auf der anderen Seite muss der Gläubiger bedenken, dass er die durch die Antragstellung verursachten Gerichts- und Gutachterkosten tragen muss, wenn die Insolvenzeröffnung mangels Masse unterbleibt, der Antrag wieder zurück genommen wird oder sich als unzulässig oder unbegründet erweist (vgl § 23 Abs. 1 S. 1 GKG). In der Praxis werden (Druck-) Insolvenzanträge nach Tilgung der offenen Forderungen vom Antragsteller aber nur zurückgenommen, wenn der Schuldner diese Kosten vorab tatsächlich erstattet hat, sofern nicht der Gläubiger weiterhin auf seinem Antrag beharrt (§ 14 Abs. 1 S. 2 InsO). Der Antragsteller kann die Abweisung mangels Masse bei juristischen Personen auch dadurch abwenden, dass er die Verfahrenskosten selbst vorschießt und versucht, diese später wieder beizutreiben (vgl § 26 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 InsO).
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Vielfach herrscht die Meinung vor, die Drohung mit einem Insolvenzantrag sei nicht nur ein schnelles, sondern auch ein probates Mittel, den Schuldner zu fälligen Zahlungen zu bewegen. Die Angst vor der Insolvenzeröffnung wird einen säumigen Schuldner zwar oftmals dazu bewegen, bislang verheimlichte Vermögenswerte herauszugeben oder sein Umfeld anzuzapfen, um den lästigen Gläubiger zu befriedigen. Dessen (wirtschaftliche) Freude an solchen Druckzahlungen währt jedoch meist nicht lange, denn solche Zahlungen sind nach der Rechtsprechung des BGH (vgl dazu Rn 688) geradezu mit einer Rückflussgarantie an die spätere Insolvenzmasse versehen. Der Insolvenzverwalter kann und wird sich die Zahlungen nämlich im Wege der Insolvenzanfechtung zB gemäß § 133 InsO zurückholen, wenn das Insolvenzverfahren später doch noch eröffnet wird. Die Stellung eines Insolvenzantrags ist zwar ein legitimes Mittel, das aber nicht zur Erlangung von Sondervorteilen instrumentalisiert werden soll.
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Lösung Fall 1 (Rn 1):
Im Fall 1 wird G einem Anfechtungsanspruch seitens des Insolvenzverwalters ausgesetzt werden, wenn das Insolvenzverfahren in den nächsten zehn Jahren beantragt und eröffnet wird, vgl §§ 129, 133, 143 Abs. 1 S. 1 InsO. Die mittels Drohung mit einem Insolvenzantrag erlangte Zahlung ist als sog. inkongruente Druckzahlung einem hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt.
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Lösung Fall 2 (Rn 2):
Im Fall 2 ist eine Empfehlung zu Gunsten eines Gläubigerantrags nur auszusprechen, wenn G die Hoffnung hegt, ein Insolvenzverwalter werde geheime Vermögenswerte des S entdecken, die Sanierung realistisch erscheint oder das Unternehmen des S vom Markt verdrängt werden soll. Da die aufgelisteten Vermögenswerte des S mit Drittrechten belegt sind, stehen sie für ungesicherte Gläubiger wie G nicht zur Verfügung. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass es nach der Berichtigung der Verfahrenskosten (vgl § 54 InsO) zu nennenswerten Quotenauszahlungen kommen wird. G muss sogar befürchten, die Verfahrenskosten selbst tragen zu müssen.
§ 1 Einführung in das Insolvenzrecht › III. Chronologischer Ablauf eines Insolvenzverfahrens