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bb) Garantenstellung durch Ingerenz

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Die Garantenstellung kann außer durch die tatsächliche Übernahme von Schutzpflichten auch durch vorangehendes pflichtwidriges Verhalten (Ingerenz) begründet sein, „wenn es die nahe Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten tatbestandsmäßigen Erfolges verursacht“.[343] Zum Beispiel „sedierte Patienten sind in besonderem Maße zu schützen“.[344] Ist der Patient nach einer Magenspiegelung schon wieder raum- und zeitorientiert, soll der Arzt dennoch für den Tod des Patienten haften, wenn dieser das Krankenhaus infolge einer unzureichenden Unterbringung/mangelnden Prüfung seines Zustandes unbeaufsichtigt verlassen und infolge seiner Fahruntauglichkeit auf der Heimfahrt einen tödlichen Verkehrsunfall erlitten hat. Wörtlich heißt es in der Entscheidung des BGH: Für die „Pflicht zur Patientensicherung bzw. Patientenüberwachung“ gewinnt der „Grundsatz in erhöhtem Maße an Bedeutung, dass derjenige, der Gefahrenquellen schafft oder verstärkt, auch die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze des Gefährdeten, hier des Patienten, treffen muss“. Daraus folgt:

„Jedenfalls bei einem Medikament mit diesem Gefahrenpotential (30 mg Dormicum) war die […] Unterbringung auf dem Flur vor den Dienst- und Behandlungsräumen nicht geeignet, die nach den Gesamtumständen bestehenden Überwachungspflichten zu erfüllen. […] Die dem Beklagten aufgrund der ihm bekannten und von ihm geschaffenen gefahrerhöhenden Umstände obliegende Fürsorgepflicht hätte es deshalb erfordert, den Patienten in einem Raum unterzubringen, in dem er unter ständiger Überwachung stand, und ggf. daran erinnert werden konnte, dass er das Krankenhaus nicht eigenmächtig verlassen durfte […] Im Ergebnis hat der Beklagte auch ohne Einbeziehung der Möglichkeit einer retrograden Amnesie die ihm obliegende Verpflichtung verletzt, den Patienten so zu überwachen, dass er das Krankenhaus nicht unbemerkt verlassen konnte“.[345]

Landgericht und Oberlandesgericht hatten die Klage gegen den Beklagten (Chefarzt der Inneren Abteilung) abgewiesen, da der Patient sowohl vom Hausarzt als auch vom Chefarzt selbst darauf hingewiesen worden war, er dürfe nach dem Eingriff kein Kraftfahrzeug führen. Dennoch war er mit dem eigenen Wagen gekommen, hatte aber dem Arzt versichert, er werde mit dem Taxi nach Hause fahren. Unter diesen Umständen stellt sich durchaus die Frage, ob das Prinzip der Selbstverantwortung des Patienten der Fürsorgepflicht des Arztes nicht vorgeht.[346] Dies wird man dann bejahen müssen, wenn der Patient beim Verlassen der Praxis/des Klinikums bereits wieder eigenverantwortlich handeln konnte oder sich dies nicht ausschließen lässt. Sollte es hieran aber fehlen, wird der frühere Hinweis, der sich auf einen anderen psychischen und physischen Zustand des Patienten bezieht, allein nicht genügen.

Ein weiteres Beispiel:

Wenn ein Arzt durch die unsachgemäße Behandlung von Blutkonserven deren bakterielle Verseuchung ermöglicht und dadurch die konkrete Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Patienten heraufbeschwört, ist er aufgrund dieses pflichtwidrigen Verhaltens zur Abwendung des drohenden Erfolges und zu entsprechenden Rettungsmaßnahmen verpflichtet.

Arztstrafrecht in der Praxis

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