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d) Richterliche Wertung des Behandlungsfehlers als „grob“
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Ob ein Behandlungsfehler sich als so gewichtig und bedeutsam erweist, dass er als „grober“ ärztlicher Pflichtverstoß qualifiziert werden muss, ist eine Frage der rechtlichen Bewertung, die das Gericht – nicht der Sachverständige! – auf Grund der ihm unterbreiteten Fakten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Behandlungsablaufs zu beurteilen hat.[88] Diese wertende Entscheidung muss auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, „die sich in der Regel aus der medizinischen Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen“[89] herleiten, also „in seinen Ausführungen ihre tatsächliche Grundlage finden“.[90] Es ist dem Richter nicht gestattet, ohne entsprechende medizinische Darlegungen des Sachverständigen einen groben Behandlungsfehler aus eigener Wertung zu bejahen.
Die im Zivilrecht sich ergebende Rechtsfolge aus der Annahme eines groben Behandlungsfehlers – die Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden[91] – ist dabei „keine Sanktion für ein besonders schweres Arztverschulden,“[92] sondern Ausgleich dafür, dass durch das fehlerhafte Vorgehen des Arztes das „Spektrum der möglichen Schadensursachen erweitert“ und dem Patienten dadurch der Kausalitätsbeweis erschwert wurde,[93] so dass der Arzt ihm „nach Treu und Glauben“ – und nun nach dem Gesetz (§ 630h Abs. 5 BGB) – diesen Beweis regelmäßig „nicht zumuten kann“.[94] Danach ist der Ursachenzusammenhang nur dann zu verneinen, wenn er „äußerst unwahrscheinlich“ ist,[95] dagegen schon immer dann zu vermuten, wenn der grobe Behandlungsfehler grundsätzlich geeignet ist, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen. „Wahrscheinlich“ muss dessen Eintritt nicht sein.[96]