Читать книгу Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer - Страница 84
c) Definition des groben Behandlungsfehlers
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Inhaltlich ist ein „grober“ Behandlungsfehler aus Sicht des Zivilrechts „ein eindeutiger, fundamentaler Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse, der nach den gesamten Umständen des Einzelfalles aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“.[82] Dabei müssen „gesicherte medizinische Erkenntnisse“ nicht unbedingt Eingang „in Leitlinien, Richtlinien oder anderweitige ausdrückliche Handlungsanweisungen gefunden haben“, sondern „elementare medizinische Grundregeln“ für das jeweilige Fachgebiet darstellen.[83] Deshalb scheidet die Annahme eines „groben“ Behandlungsfehlers aus, wenn mehrere Sachverständige einander in der Bewertung des ärztlichen Verhaltens widersprechen. Dieser Umstand verbietet es, von einem eindeutigen Verstoß gegen bewährte Behandlungsregeln auszugehen.[84]
Demgegenüber ist der „einfache“ oder auch „gewöhnliche“ Behandlungsfehler dadurch gekennzeichnet, dass es sich um ein Versagen handelt, „wie es einem hinreichend befähigten und allgemein verantwortungsbewussten Arzt zwar zum Verschulden gereicht, aber doch passieren kann“. Maßgebend für die rechtliche Beurteilung als „grober Behandlungsfehler“ ist also, ob der Arzt
1. | „eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen“ verstoßen,[85] oder |
2. | „auf eindeutige Befunde nicht nach gefestigten Regeln der ärztlichen Kunst reagiert,“[86] oder |
3. | „grundlos Standardmethoden zur Bekämpfung möglicher, bekannter Risiken nicht angewandt hat und |
4. | besondere Umstände fehlen, die den Vorwurf des groben Behandlungsfehlers mildern können“.[87] |
Gerade dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt ist aus der Sicht des Arztes und seiner Verteidigung wichtig: Auch wenn elementare Erkenntnisse und Erfahrungen der Medizin verletzt werden, folgt daraus nicht zwangsläufig die Annahme eines groben Behandlungsfehlers oder leichtsinnigen Verhaltens, vielmehr sind die Gesamtumstände des Falles zu berücksichtigen, die das Verhalten des Arztes möglicherweise in einem „milderen“ Licht erscheinen lassen.