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e) Beispiele für „grobe Behandlungsfehler“
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Nach diesen Grundsätzen wurde in der Judikatur ein „grober“ Behandlungsfehler z.B. in folgenden Fällen bejaht:
• | Mobilisation des Armes nach Anlegung eines Streckverbandes zur Förderung der Innervation der Bruchstellen, obwohl schon das erste postoperative Röntgenbild ergab, dass die eingesetzten Kürschner-Drähte zum Teil überstanden und gewandert waren;[97] |
• | nicht rechtzeitige Eröffnung eines geschlossenen Oberarmgipses trotz über mehrere Tage beklagter starker Schmerzen, Schwellungen der Finger und Ausfall der Motorik;[98] |
• | Übernahme der Lymphknotenexstirpation durch einen in der Facharztausbildung befindlichen Assistenzarzt, der eine derartige Operation am Hals noch nie vorgenommen hatte, ohne Anleitung und Aufsicht durch einen erfahrenen Chirurgen;[99] |
• | keine sofortige Fibrinolysetherapie trotz akutem Hinterwandinfarkt (bei thrombotisch verschlossenem Infarktgefäß);[100] |
• | Nichterkennen einer Peritonitis und deshalb zu späte Verlegung nach einer Blinddarmoperation, obwohl Komplikationen (erhöhte Temperatur, Erbrechen, kein Stuhlgang) und zusätzliche „Alarmzeichen“ (erhöhte Leukozytenzahl, Pulsanstieg auf Werte zwischen 140 und 160, harter Bauch) auftraten;[101] |
• | Nichterkennen einer Nierenstauung im Ultraschall kann ein fundamentaler Diagnosefehler sein;[102] |
• | Unterlassen eindeutig gebotener und möglicher Diagnoseuntersuchungen (Röntgenkontrastdarstellung der Speiseröhre, Breischluck und [oder] Ösophagusskopie) zur Aufklärung einer Ösophagitis mit der Folge einer Stenosebildung;[103] |
• | Unterlassen einer dringenden Empfehlung zur Klinikeinweisung trotz Herzinfarktverdachtes[104] bzw. des Hinweises auf die Infektionsgefahr bei vorzeitigem Verlassen der Klinik nach Herzkatheteruntersuchung;[105] |
• | verzögerte Einleitung des Kaiserschnitts;[106] |
• | Unterlassen der Hinzuziehung des Arztes seitens der Hebamme trotz erster klinischer Herztonabfälle;[107] |
• | Delegation der Überwachung einer Risikogeburt (Vorderhauptlage des Kindes) allein auf eine Hebamme;[108] |
• | Verlassen des Kreißsaals zur Mittagspause trotz deutlicher Warnzeichen, die eine sofortige Entbindung durch sectio geboten erscheinen lassen;[109] |
• | keine ausreichende Überwachung der Temperatur eines frühgeborenen Kindes, keine transkutane Sauerstoffmessung während der Unterkühlungsphase und Nichtvornahme einer Blutgasanalyse;[110] |
• | Verlassen des Patienten nach einer Operation, bevor dessen Atemstörung behoben oder die Verantwortung von einem kompetenten Arzt übernommen worden ist;[111] |
• | mangelnde postoperative Überwachung durch Nichteinsatz eines vorhandenen Pulsoxymeters trotz vorheriger Opiat-Applikation bei der Narkose;[112] |
• | Unterlassung einer Blutuntersuchung auf Malaria bei bewusstlosem Patienten;[113] |
• | Nichtvornahme einer Phlebographie trotz bestehenden Thromboseverdachts;[114] |
• | unterlassene umgehende sonographische Hüftuntersuchung trotz Verdachts auf eine Hüftfehlbildung nach Geburt aus Beckenendlage und fehlender Hinweis auf die Dringlichkeit einer baldigen orthopädischen Hüftkontrolle;[115] |
• | Anwendung des Kristeller-Handgriffs bei der Entwicklung des Kindes vor dem Lösen der verkeilten Schulter (Schulterdystokie);[116] |
• | Vornahme einer chirotherapeutischen Manipulation trotz möglichen Bandscheibenvorfalls;[117] |
• | Mangelnde Abklärung der pathologischen Leberwerte im Hinblick auf eine mögliche Hepatitis-B-Infektion;[118] |
• | Nichtvornahme einer Röntgenaufnahme vom Becken nach einem Motorradunfall trotz Schmerzen beim Gehen, so dass eine Beckenringfraktur übersehen wurde.[119] |