Читать книгу Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer - Страница 72
d) Die tatbestandliche Pflichtverletzung
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Nicht zu übersehen ist bei alledem, dass die Feststellung einer Garantenstellung als solche für den Tatbestand des § 222 StGB oder des § 229 StGB nicht genügt. Zu bestimmen ist vielmehr jeweils, welche berechtigten Erwartungen sich an den Arzt jeweils richten ließen, um damit die Reichweite der Garantenstellung zu klären.[354] Gerade dies muss auch bei der Unterlassung in Anknüpfung an die Maßstäbe geprüft werden, die zum Facharztstandard z.B. unter Einschluss etwa ökonomischer und individueller Faktoren bereits dargestellt worden sind (siehe Rn. 110 ff.). Beispielhaft gesprochen ist auch bei der Unterlassung nicht etwa die mögliche Differenzierung nach unterschiedlichen Einrichtungen („Universitätsklinikum oder Landarztpraxis“) oder die Bedeutung der Arbeitsteilung zu übersehen (siehe Rn. 431 ff.).
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Plastisch zeigt sich dies im Fall Niels H. In ihm ist zu klären, welche Maßnahmen etwa eine stellvertretende Stationsleiterin unternehmen musste, um die Gefahren abzuwenden, die für die zur Betreuung übernommenen Patienten vom Pfleger Niels H. ausgingen. Genügte es, dass die Ärztin alle verfügbaren Informationen an ihren Vorgesetzen weitergab, wenn dieser und die Einrichtung im Übrigen im Anschluss nichts Entscheidendes zur Gefahreindämmung unternehmen?[355] In einem solchen Fall ist der Pflichteninhalt der Garantenstellung und insoweit die (begrenzte) Reichweite einer möglichen Eskalationspflicht zunächst lebensnah konkret herzuleiten.