Читать книгу Drachenkind - იაკობ ცურტაველი - Страница 10
Kapitel 7
ОглавлениеJack hatte sich schon lange wieder erholt, während Eric sich nach zwei Wochen immer noch unter Schmerzen im Bett herumwälzte. Er träumte nur von dem, was er durch die Wächter gesehen und empfunden hatte. Mia ließ ihn auf einer Liege in ihrem Büro, kümmerte sich um ihn wie um einen Schwerkranken. Jack verbrachte die meiste Zeit damit, Erics Gedanken zu überwachen, um Mia Bescheid sagen zu können, falls es Eric wieder besser ginge. Mia kochte Tee, stellte Salben gegen die starken Krämpfe her und betete, dass Eric schnell wieder gesund würde.
Eines Tages kam Jack zu ihr in die Küche, wo sie gerade mit der Köchin den Speiseplan für die nächste Woche schrieb und eine Einkaufsliste erstellte. Als sie Jack sah, legte sie den Bleistift aus der Hand, sagte ein paar Worte zu ihrer Kollegin und folgte Jack in ihr Büro, wo sie sich neben die Liege kniete. Eric gab noch immer keinen Ton von sich, lag einfach still da und nichts war mehr von seinen Gedanken zu bemerken. Jack sah Mia so besorgt an, dass sie befürchtete, er könnte gleich losheulen.
»Was ist?«, fragte Jack und unterdrückte einen Kloß im Hals.
»Er hat es geschafft. Er denkt an gar nichts mehr. Wahrscheinlich hat er den Kampf gegen sie gewonnen und ruht sich nur aus, vielleicht aber auch nicht. Wir müssen abwarten. Ich weiß nicht, wann er aufwachen wird.«
Jack sah sie nur wenig überzeugt an. Doch er vertraute ihr und nickte.
»Warum er das überlebt?«
»Weil er stark ist. Aber falls er nicht bald wieder zu Kräften kommt, werden wir hier alle nicht mehr sicher leben können. Sie werden wiederkommen. Er muss unbedingt lernen, damit er sich richtig wehren kann. Also bete, dass er bald erwacht. Die Wächter haben sich noch nie so verhalten oder eine so unangreifbare Form gehabt. Sie hatten immer die Gestalt von menschenähnlichen Wesen, erst letzten Monat begegnete ich einem. Aber jetzt … Sie sind offensichtlich viel stärker geworden. In so kurzer Zeit … «
Mia klang besorgt. Jack nahm einen Klappstuhl und setzte sich an Mias Stelle an das Kopfende der Liege, auf der Eric lag. Wie ein Toter.
Es dauerte ganze fünf Tage, bis Eric aus seinen Gedanken wieder einen Weg in die Realität gefunden hatte. Er bemerkte schnell, wie lange es her war, dass er sich mit jemandem unterhalten hatte. Er ließ die Augen geschlossen. Es war, als hätte er sich Jahre lang verirrt, irgendwo in den Untiefen seines Unterbewusstseins. Ohne es zu wollen, bei dem rastlosen Versuch, den Schmerzen und ihren Bildern zu entgehen. Vergeblich. Stattdessen musste er sich tagelang gegen die Spuren der Wächter in seinem Geist wehren, welche wie Gift nachwirkten und angriffen. Das hatte ihn mehr Kraft gekostet als er hätte geben können. Für fast vier Tage waren seine Körperfunktionen alle auf ein Minimum reduziert, wie bei einem Tier im tiefsten Winterschlaf. Es war keine bewusste Entscheidung gewesen und Eric begriff nicht, wie er eine derart hohe Kontrolle über seinen Körper erlangen konnte. Jener zustand hatte ihm das Leben gerettet und er begann langsam wieder, sich zu erholen. Eric spürte deutlich, wieviel Gewicht er verloren hatte. Feurig dachte er nur noch an eines: Regeneration.
Eric öffnete die Augen und sah Mias Gesicht. Sie schien ihn zu untersuchen und als er plötzlich blinzelte, wirkte sie überrascht. Sie sprach, doch Eric hörte nichts. Sie legte ihre Hand auf seine Stirn und zog sie reflexartig zurück. Mia blickte Eric mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an, betrachtete dann ihre verbrannte Handfläche. Eric versuchte, etwas zu sagen, aber seine Muskeln blieben still und es fühlte sich an, als würde sein Kurzzeitgedächtnis nur wenige Sekunden umfassen. Alles zerfloss, war haltlos und irgendwie unangenehm. Als wäre er von seinem Körper getrennt. Er stellte seine Frage in Gedanken.
»Ist das hier echt?«
»Allerdings. Du lebst. Du brennst förmlich. Ein Schutzmechanismus, nehme ich an. Würdest du versuchen, ihn aufzuheben? Wir können dich sonst nicht mehr berühren und … die Stoffe, das Bett … «
Eric wollte denken, beobachtete Mias Mund, der Worte formte, doch sie gelangten nicht in sein Inneres. Er hörte sie einfach nicht und auch ihre Gedanken waren plötzlich wie ausgesperrt. Er analysierte seinen Körper von oben bis unten und bemerkte, dass sein Kreislauf noch immer schwach und instabil war. Er schloss wieder die Augen und rief nach dem Drachen. Den sah er ruhend vor seinem inneren Auge und schon war auch er wieder eingeschlafen.
Eric befand sich plötzlich wieder auf dem Eis, mitten auf einer riesigen Platte, die sich sehr langsam auf den Wellen des Meeres bewegte. Er sah sich um und erschrak, als er von hier aus schon das dunkle Chaos am Himmel erkennen konnte. Finster löste der Horizont sich auf, verschwammen Himmel und alles darunter zu ungewisser Dunkelheit, Meter für Meter. Noch hatte er Zeit. Er drehte sich um und entdeckte, dass er etwa fünfzig Meter vor einem Abgrund stand. Er ging darauf zu. Seine Schritte fühlten sich schwer an und mit jedem weiteren wurde er langsamer. Als er sich gerade fragte, ob er so jemals am Rand ankommen würde, stand er plötzlich ohne Vorwarnung direkt am Abgrund, konnte seinen Augen nicht trauen. Er sah kein Eis mehr, nur noch Wasser. Das Meer, tiefblau und täuschend ruhig. Eric blickte steil nach unten und unzählige Meter weit entfernt brachen riesige Wellen wie in Zeitlupe an dem Eisberg, auf dem er stand. Es war ein Anblick, wie er ihn noch nie erlebt hatte. An dieser Stelle hatte das Eis eine türkisblaue Farbe und glänzte im Licht der Sonne wie ein Spiegel. Eric hörte das vielfältige Knacken der Spannungen im Eis, welche kleine, kurzweilige Frakturen in den gigantischen Berg jagten.
Der Wind pfiff ihm eisig um die Ohren und er machte einen Schritt zurück, um nicht von ihm aufs Meer hinaus geweht zu werden. Er hatte einmal gehört, als sein Leben noch normal gewesen war, dass jemand, der ungeschützt und ungebremst aus zu großer Höhe ins Wasser sprang, wie auf Beton aufschlagen und sich alle Knochen brechen würde. Eric grauste bei dem Gedanken. Das hier waren nicht sechzig Meter, es waren tausende, wahrscheinlich über zwei Kilometer. So dickes Eis … Es ließ sich nur schwer erahnen, da das Meer so gleichmäßig blau aussah und die Sonne blendend direkt gegen die Steilwand schien. Eric schloss die Augen. Wie konnte er aus diesem Traum wieder herauskommen? Er wusste, es war einer, denn seine Bewegungen fühlten sich nicht echt an. Er hörte etwas hinter sich und fühlte, dass sich etwas sehr schnell näherte. Noch bevor er sich umdrehen konnte, empfand er einen stechenden Schmerz in seinem Rücken und kippte wie erstarrt vorwärts über die Kante des Eisberges.
Die Luft schlug ihm entgegen wie der Abgasstrahl einer Rakete, nur eiskalt. Eric drehte sich um sich selbst und für einen Sekundenbruchteil konnte er eine Gestalt auf dem Vorsprung sehen, wo er gerade noch gestanden hatte. Der Schmerz erwischte ihn so heftig, dass er sich kaum noch bewegen wollte. Als er die Augen schloss, um nichts von dem drohenden Aufprall auf der Wasseroberfläche mitzubekommen, hörte er ein Brüllen in sich. Energisch, wütend und zugleich auffordernd. Eric riss sich zusammen und tastete seinen Rücken ab. Als er gegen den dicken Pfeil stieß, der in seiner Hüfte steckte, entfuhr ihm ein lauter Schrei, der von der eisigen Wand des Eisberges merkwürdig hohl reflektiert wurde.
Das Meer kam langsam näher. Eric spürte, wie sich der Druck auf seinen Körper stetig erhöhte. Ihm wurde schwindelig, er drehte sich weiter und das Blut stieg ihm unaufhaltsam in den Kopf. Er konzentrierte sich angestrengt auf das Feuer des Drachen und dessen Stärke und endlich fühlte er die Glut in sich. Als er sich verwandelt hatte, verschwanden die Schwindelgefühle sofort, Hitze verbannte die schneidende Kälte des Windes. Er drehte sich immer noch wild um sich selbst und als er unüberlegt die Flügel ausspannte, schlugen ihm die Windböen so heftig hinein, dass er sich kaum noch fangen konnte. Sein linker Flügel krachte gegen das Eis, riss eine tiefe Furche hinein und die Splitter folgten ihm abwärts, erzeugten merkwürdige Geräusche. Eric drehte sich zwar immer langsamer, intuitiv veränderte er die Form der Flügel immer so, dass eine Seite der Drehung entgegenwirkte. Wegen der schnittigen Form seines Körpers beschleunigte er aber schließlich so stark, dass er schnell die ersten, noch kleinen und spitzen Splitter des Eisberges auf dem Wasser treiben sah. Als er endlich aufgehört hatte, sich zu drehen, spreizte er die Flügel zu voller Größe und katapultierte sich in einem langen Bogen wieder nach oben.
Der Drache war wütend. In seinem Inneren tobte der Zorn über den Angriff, den jemand auf ihn verübt hatte. Er wendete in Richtung Eisberg und seine Augen machten ihm sofort klar, dass die Gestalt immer noch dastand. Er konnte erkennen, dass sie einen Bogen in der rechten Hand hielt und sich bereits abgewandt hatte, ihn also nicht kommen sah. Er beschleunigte, wollte unter keinen Umständen zulassen, dass ihm dieses Etwas entkam. Als er noch glatte zweihundert Meter entfernt war, bohrte er seinen Blick in den Rücken des Geschöpfes, welches nicht ahnte, was für einen dummen Fehler es da gemacht hatte. Eric raste auf seinen Widersacher zu und in der nächsten Sekunde schnappte er sich das Wesen mit der Linken. Der Bogen zerbrach, der Köcher mit Pfeilen schoss über das Eis und Eric sah ihn in Gedanken zersplittern. Er flog so schnell, dass er schon dachte, er hätte den Schützen durch den Aufprall erledigt, aber er spürte den Herzschlag des Feindes und hätte ihn am liebsten in seiner Faust zerquetscht. Der Gefangene musste sich erst von Erics Augen und ihrer fesselnden Wirkung befreien, bevor er wieder denken konnte. Er schickte seinem Entführer die am meisten verachtenden und bösesten Verwünschungen, wand und krümmte sich und hatte doch nicht genug Kraft, dem Griff zu entkommen. Es hätte ihm auch nicht mehr als den sicheren Tod gebracht, denn Eric glitt nun lautlos wie eine Eule hoch über den Eisbergen dahin, während er nach einer Stelle suchte, wo er sich seinen Fang ungestört aus der Nähe ansehen könnte. Als er eine kleine Fläche auf einem einsamen, winzigen Eisberg entdeckte, änderte er schnell die Richtung, segelte über den Rand des Eisklumpens und steuerte zielstrebig auf den fast ebenen Fleck zu.
Eric missachtete die Beschimpfungen, Drohungen und Befehle seines Opfers, es gefälligst irgendwo abzusetzen und sich zu verziehen und als er auf der gigantischen Scholle landete, ließ er die Gestalt einfach fallen. Er schüttelte sich, blieb aufrecht auf den Hinterbeinen stehen und wartete darauf, dass sich das Geschöpf bewegte. Zuerst geschah gar nichts, doch als Eric seiner Wut Ausdruck verlieh, sich schwungvoll auf alle viere fallen ließ und das kleine Ding so laut anbrüllte, dass es ein paar Schritte weit über das Eis rollte, drehte sich die kleine Figur um und sah Eric in die Augen. Schon war sie wieder in den Tiefen ihres Denkens und Seins eingeschlossen und Eric brüllte ihn in Gedanken an, wer er denn sei und warum er versucht hatte, einen unbekannten Jungen von hinten zu erschießen. Die Gedanken des Gefangenen überschlugen sich und der Fremde versuchte, sie zu verschließen, scheiterte aber kläglich unter der Einwirkung von Erics willen, ihm eine Antwort abzuverlangen. Eric ging auf seine Beute zu, betrachtete sie von allen Seiten. Ein Mensch, in dicke, dunkle Stoffe gekleidet. Nicht besonders groß oder stark, aber scheinbar absolut fit und ein hervorragender Schütze, was der starke, zielsichere Schuss auf lange Distanz trotz des stürmischen Windes bewiesen hatte. Eric spürte die feindselige Erregung durch seine Wirbel schießen, sein langer Schwanz zuckte. Der Stachel bewegte sich, Eric hielt ihn zurück. Mit schmerzenden Gliedern, er hatte sich scheinbar eine Rippe gebrochen, sprach der Mann die ersten Worte.
»Ah … Wie konntest du …? Du bist so gut wie tot.«
Er lachte leise, doch es hörte schnell auf, da es ihm scheinbar Schmerzen bereitete. Eric stand über ihm, empfand eine zunehmend gefährliche Lust, den Schützen zu töten. Doch er hielt sich im Zaum, konnte allerdings kaum verhindern, dass sein langer Schwanz zielstrebig auf den Mann zu kroch. Langsam kam der Stachel zum Vorschein, berührte haargenau und kontrolliert mit seiner Spitze die Stirn des Mannes und zwang ihn, sich wieder auf den Rücken zu legen. Sofort wanderte der Stachel blitzschnell zum Solarplexus des Mannes und Eric hielt die Waffe an Ort und Stelle, spürte das Gift darin und hielt es zurück. Der Mensch erstarrte, traute sich kaum, zu atmen, da jeder Atemzug seinen Brustkorb anheben und den Stachel somit hineinzwingen konnte.
»Warum so still? Drohe mir. Na komm! Wer bist du? Woher kommst du? Was willst du?«
»Ich … Manou, mein Name ist Manou. Aus den Bergen, ich komme aus den Bergen!«, stammelte er und Eric erkannte in Manous Gedanken einen stechenden Schmerz, als der Stachel ein paar Millimeter tief in seinen Körper schnitt und stetig heißer wurde. Doch Eric ließ nicht locker, hatte das Gefühl, nur in eine Richtung gehen zu wollen. Als er den Stachel langsam vorantrieb, schrie der Attentäter.
»Weiter. Du hast versucht, mich zu töten. Sprich weiter.«
Eric spürte das warme Blut an der Spitze des Stachels, was beinahe einen Reflex auslöste, welcher das Gift mit hohem Druck injiziert hätte. Doch er hielt sich weiterhin zurück. Manou zitterte, konnte trotzdem keinen Funken Mitgefühl oder Erbarmen bei dem Jungen erkennen, welchen er so einfach hatte erschießen wollen. So antwortete er gehorsam.
»Ich bin Jäger, aus den Ewigen Wäldern des Herrschers. Ich lebe dort. Ich kam in seinem Auftrag hierher. Ich … ich dachte, du wärst … Ich musste doch … Ich weiß nicht … Bitte, ich habe eine Familie, bitte!«
Eric verwunderten die vielen ich`s, er dachte schnell über die mechanische Antwort des Jägers nach. Ewige Wälder? Auf dem Eis? Wo sollten die sein? Selbst für den Fall, dass sie weit weg wären und somit keine Erfindung, dann müsste der kleine Mann für den Auftrag sehr lange unterwegs gewesen sein. Um einen einzigen Jungen zu finden, welcher rein zufällig irgendwo auf einem Eisberg auftauchte? Und wer hatte ihn geschickt? Ein Herrscher? Eric sah in den Gedanken des Jägers eine erstaunlich große Holzhütte im Wald.
»Wald, sagst du? Ich sehe hier nur Eis. Neuer Versuch!«, fauchte Eric wütend. Der Schmerz in seinem Rücken hing noch immer in seinen Gedanken fest.
Manous anfängliche Überheblichkeit war wie vergessen, vor lauter Angst vergaß er völlig, was er gerade gesagt hatte. Er schielte auf den Stachel des Drachen, dann sah er nach oben, direkt in dessen glühende Augen. In seinen Gedanken sah Eric die nahende Erkenntnis, dass er sterben würde und gleichzeitig eine Art fanatische Überzeugung, dass das gar nicht sein könnte.
»Die Wälder des Herrschers, es sind seine! Ich bin mit ihm, stehe in seinem Dienst! Sie befinden sich weit von hier und doch in der Nähe, hinter der Gebirgskette dort drüben. Lass mich gehen, ich habe eine Familie!«
Eric durchsuchte die Gedanken Manous nach einer Frau oder Kindern, fand aber keine. Der Stachel bewegte sich weiter abwärts, einen weiteren Zentimeter, was in Manou eine Explosion an Adrenalin und Schmerz verursachte, da Eric jetzt den dicken Nervenstrang erwischt hatte, welcher genau an der Stelle verlief. Manou begriff, dass er die Wahrheit nicht verschweigen konnte. Die gedanklichen Fesseln des Drachen schnürten ihm die Kehle zu und er hörte auf, sich zu wehren. Er hatte ja doch keine Chance. Falls dies das Ende für ihn sein sollte, dann hatte der Herrscher gelogen. Er hatte ihm und seinen Freunden versprochen, sie zu beschützen. Beinahe hätte er es geschafft, mit dem vergifteten Pfeil den Drachenjungen zu töten. Aber der hatte mehr Kraft als der Herrscher gesagt hatte. Beinahe wäre eine Belohnung fällig geworden, die niemand sich erträumen konnte. Jetzt stand er kurz davor, mit dem Tod belohnt zu werden. Das alles war verkehrt, nicht nach Plan.
Eric las all diese Gedanken und sein Herz schlug schneller. Unentschlossen zog er den Stachel zurück und schlug ihn wütend neben Manous Kopf ins Eis, was dem eine Gehirnerschütterung verpasste und ihn durch die blitzschnelle Bewegung so schockierte, dass er brav liegen blieb, wie gelähmt durch ein lautes Pfeifen in seinem linken Ohr. Eric entfernte sich von ihm, wanderte gereizt über die Eisfläche. Während sich der Stachel fast widerwillig zurückzog und abkühlte, peitschte der Schwanz angespannt durch die Luft. Eric empfand dies als Warnung, durchsuchte seine Sinne nach Bildern oder Eindrücken, die ihm verraten konnten, was sich da entwickelte, aber noch war weder etwas zu sehen noch zu spüren. Nur riechen konnte er etwas. Ein herber, ekelhafter Geruch mischte sich unter den süßlich salzigen Duft des Eismeeres und die Geruchlosigkeit des eiskalten Windes. Er blickte kurz zum Horizont. Dunkelheit, die sich weiter näherte.
Manou bekam von all dem nichts mit, lag nach wie vor mit dem Rücken auf dem Eis, was ihn langsam auskühlte. Scheinbar hatte Eric eine Art Zweifel in ihm ausgelöst und so Manous Idee davon untergraben, dass es richtig wäre, den Jungen oder das Monster zum Schutz anderer zu töten. Manou schien von der Idee besessen, dass Eric um jeden Preis sterben müsse. Doch dass er jetzt noch lebte, was man schon fast mit Gnade oder einer Form von Mäßigung deuten konnte, schwächte dieses Vorhaben im Moment. Noch ehe die Zweifel jedoch richtig fußfassen konnten, hatte sich Manou schon dagegen entschieden. Der Herrscher hatte immer recht. Der Junge würde irgendwann sterben. Nicht heute, aber eben später. Er musste nur still liegenbleiben.
Eric drehte sich geladen zu Manou um, bohrte seinen Blick tief in dessen Seele und erhaschte darin eine Art Geständnis. Verdrängte Fetzen von Schuld und Erinnerungen. Er sah angewidert die Bilder von grausam zugerichteten Leichen. Tiere, Menschen … Darunter einige Kinder, die in ihrem eigenen Blut erfroren oder verfaulten. Feinde des großen Planes, Unwürdige, Verräter … Manou hatte keine Angst. Dafür war kaum noch Platz. Er spielte nur, kalkulierte. Eric schloss die Augen. Wenn er sich getraut hätte, dann hätte er den Mörder zu seinen Füßen gefressen. Doch war dies nur ein Traum, warum also sollte er? Eric hielt inne. Ein Traum … richtig. Zeit, aufzuwachen. In seinem Kopf brannten sich die schrecklichen Bilder ein wie ein glühender Metallstab in ein Stück weiches Holz. Eric sah Manou kalt an, verpasste ihm einen heftigen Schlag mit seiner Schwanzspitze, was dem kleinen Mann den linken Arm aufriss und die geschockte Gestalt meterweit über das Eis schleuderte. Eine wunderschöne rote Spur blieb zurück. Eric stieß sich kraftvoll mit den Hinterbeinen ab und schoss von dem kleinen Eisberg weg in Richtung Gebirge, wo er hergekommen war.