Читать книгу Drachenkind - იაკობ ცურტაველი - Страница 17
Kapitel 14
ОглавлениеEric schreckte aus dem Schlaf hoch und rieb sich die Augen, welche vom grellen Licht der gewaltigen Blitzschläge noch immer geblendet waren. Doch es ließ schnell nach. Er schüttelte den Kopf und sah sich im Raum um. Jack war scheinbar gerade erst aufgestanden und nun dabei, ein frisches Handtuch aus dem Schrank zu zerren. Er sah Eric besorgt an.
»Wieder so schlimm?«
»Nein«, sagte Eric zögerlich, »es ist okay. Keine Schmerzen. Es war ein sehr alter Traum, irgendwie verwirrt. Ich weiß nicht, wieso ausgerechnet der. Wie spät ist es?«
»Bald Mitternacht. Wir sollten gehen. Ich nur noch einmal duschen, lieber frisch reisen. Du auch?«
Eric nickte, gähnte und beeilte sich aus dem Bett.
Alles im Heim war still und schlief. Sie schlichen durch den Flur und in den Duschraum, schlossen die Tür hinter sich, was sie sonst nie taten. Jack betrat gleich die erste Kabine. Er hatte wohl keine Lust, mitten in der Nacht auch nur einen einzigen unnötigen Schritt zu tun. Eric konnte die Reste von Jans Blut riechen und kurz war es ihm, als hinterließe er mit jedem Schritt rote, feuchte Abdrücke auf den Fliesen. Obwohl er genau wusste, dass es nicht mehr zu sehen sein konnte, da hier regelmäßig geputzt wurde, verzichtete er darauf, seinen Stammplatz aufzusuchen und so den Raum durchqueren zu müssen. Er nahm die nächste Kabine neben Jack. Ein komisches Gefühl beschlich ihn, als ihm richtig klarwurde, dass sie dieses Haus für unbestimmte Zeit verlassen würden. Irgendwie keimte der Verdacht, dass er das Heim vermissen würde. Eric kannte nichts anderes und obwohl er sich immer gewünscht hatte, einmal weit weg zu reisen, fort von allem, fühlte er sich doch an dieses Gebäude gebunden und an alles, was damit zusammenhing. Was wäre mit Crow und Haku? Würden Jack und er die beiden wiedersehen? Crow brauchte jemanden, der ihm Hilfe und vielleicht Schutz oder Trost anbot. Wahrscheinlich würde Haku das übernehmen. Eric erinnerte sich sofort, wie Haku Crow ohne zu zögern bei der Hand genommen hatte, als Jan ihm zu nahe gekommen war. Jan … Was würde der wohl tun, wenn ihm klarwürde, dass Jack, Eric und Mia fort wären? Jack klopfte gegen die Kabinentür, Eric zuckte zusammen. Offenbar entglitt ihm mal wieder die Zeit.
Als sie draußen vor dem Gebäude standen und die leeren Straßen begutachteten, sah Jack sich das Haus noch einmal genau an. Er schien etwas Ähnliches wie Eric zu empfinden und meinte:
»Gutes Haus. Eric, ich viel nachgedacht. Ich sehr froh, dass wir zusammen diese Reise antreten, glaub mir.«
Stumm nickte Eric zustimmend. Er war abgelenkt. Mia war erst vor Kurzem losgegangen, die Reste ihres Geruchs und ihrer Körperwärme hingen in der sommerlichen Windstille leicht verwirbelt in der Luft. Gemeinsam und angenehm aufgeregt machten sie sich in der Dunkelheit auf den Weg zum verlassenen Sportzentrum.
Schon bevor sie die Tennisplätze erreicht hatten, zeigte Eric auf einen kleinen, dunklen Punkt auf dem mittleren Platz, Jack sah angestrengt hin und nickte.
»Ja, sie schon da. Mit Gepäck dabei, wie es aussehen. Wie sollen das gehen? Ich werden bestimmt nicht viertausend Kilometer lang festhalten.«
Eric schmunzelte. Mia hatte eine Lösung für das Problem, da war er sich sicher. Auch Jack war das klar, doch wie so oft, wenn er aufgeregt war, sprach Jack genau das aus, was er als Erstes dachte. Eric lauschte, etwas raschelte hinter ihnen und er drehte sich um. Ein tiefschwarzer Vogel landete auf einer Bank im Park, durch welchen sie gerade gingen. Die großen Grünflächen grenzten direkt an das Sportzentrum. Ein Lächeln schlich sich in Erics Gesicht, als er erkannte, dass es eine Krähe war. Er winkte ihr zu, der Vogel blieb still, doch dann hüpfte er über die Bank und flatterte davon.
Mia stand lächelnd da und erwartete sie.
»Sehr schön, ihr kommt zur richtigen Zeit. Beeilung, in wenigen Stunden wird es hell. Ich habe Decken mitgebracht. Wir werden wohl kaum frieren, Eric strahlt ja ordentlich Wärme ab. Aber wir können so besser und bequemer sitzen. Ich hoffe, du bist ausgeruht, denn wir werden lange nur Wasser unter uns haben und da kannst du wohl kaum rasten. Ich weiß, dass du es mit Leichtigkeit schaffen kannst, doch möchte ich sicher sein, dass wir nicht ertrinken.«
Eric schloss die Augen, fühlte sich den Umständen entsprechend gut, ausgeruht und munter. Trotz des alten, wiedererwachten Traumes, denn der war fast völlig schmerzfrei gewesen. Während des Fluges konnte er darüber nachdenken. Genug Zeit gab es ja, außerdem würde er bestimmt nicht müde. Und da war es wieder, jenes Aufblitzen von Bildern, die nach weniger als einer Sekunde verschwanden. Er rief sich das Bild wieder vor Augen, sah etwas, das wie eine Gruppe von vermummten Gestalten wirkte, die scheinbar durch einen Wald liefen und sich plötzlich verflüchtigten. Im nächsten Moment sah er Feuer und Rauch, brennende Körper und ein wahres Trümmerfeld, rund herum um einen tiefen, qualmenden Krater. Eric blinzelte, Mia schaute ihn besorgt an.
»Eric, ist etwas?«, fragte Mia. Auch Jack warf ihm einen fragenden Blick zu, hatte den kurzen Schrecken gespürt. Eric sah sie beide an und überlegte, ob er es für sich behalten sollte.
»Manchmal fühle ich Dinge, es geht sehr schnell. Einfach nur blitzartige Bilder oder Momente.«
»Zum Beispiel?«, fragte Mia.
Eric zögerte. Erst jetzt wurde ihm schlagartig klar, dass er Jans Folter gesehen hatte, lange bevor es tatsächlich dazu gekommen war. Vor dem Angriff der Wächter gegen ihn und Jack auf der Wiese, waren Bilder in seinen Gedanken eingeschlagen, die ihm einen toten und völlig misshandelten Jan gezeigt hatten. Er warf Jack einen Blick zu, der scheinbar Bände sprach. Es lag schon viele Wochen zurück, doch auch Jack erinnerte sich jetzt. Eric ließ Mia diese Erkenntnis spüren, dann meinte er:
»Ich wollte dir davon erzählen, aber dann waren die Wächter im Raum und wir sind raus auf die Straße und dann …«
Eric verstummte. Nach dem wochenlangen eisigen Schlaf, in welchen er nach dem zweiten Angriff der Wächter gefallen war, hatte er diese Bilder völlig vergessen.
»Ich verstehe. Und was hast du jetzt gerade gesehen?«
Mia kam näher, Eric sah sie kurz an und meinte rasch:
»Ich weiß es nicht. Feuer und Tod.«
Mia und Jack sahen einander kurz an, schließlich dachte Mia:
»Falls du mehr siehst, sag Bescheid. Wir müssen das beobachten. Ich habe einen Verdacht, bin mir aber nicht sicher. Wir sprechen darüber, falls das noch einmal vorkommt.«
»Welchen Verdacht?«
Eric und Jack fragten gleichzeitig nach, doch Mia hob die Hand.
»Nein. Ich will keine grundlos belastenden Gedanken säen. Ihr würdet es noch nicht verstehen, glaubt mir. Wir werden noch darüber sprechen. Aber nicht jetzt.«
Mia sah sofort, wie unzufrieden Eric und Jack mit dieser Antwort waren. Doch beide schwiegen, sahen einander stumm an. Nach kurzem Überlegen meinte Jack:
»Okay. Aber wir fragen wieder.«
Er gab Mia ein Lächeln, sie erwiderte es.
»Jack, davon gehe ich aus. Jetzt aber los.«
Mias Gelassenheit wirkte unsicher, aber sie vertrauten ihr trotzdem. Schließlich machte auch sie sich Sorgen um Eric. Der war schon beim nächsten Gedanken: Was wäre, falls sie tatsächlich von Wächtern angegriffen würden? Doch schnell verwarf er die Frage. Wenn er einen Wächter mitten über dem Ozean besiegte, würde der sicher nicht mehr nachkommen. Falls überhaupt jemand so weit fliegen konnte, ohne Schutz und Rast über dem kalten Wasser. Sicherer ging es eigentlich nicht. Unwillkürlich wurde seine Zuversicht von einem Zweifel durchbrochen. Es wirkte sehr unwahrscheinlich, dass Geschöpfe wie diese Wächter überhaupt von Wind und Wetter abhängig wären.
»Schön, dich mal optimistisch zu erleben«, sagte Mia, die Erics Gedanken verfolgte, den Zweifel aber nicht bemerkte, »also, kann ich hochkommen? Ich muss die Decken und zwei Sättel festschnallen, die ich mithabe.«
Erst jetzt sahen Eric und Jack die schwarze Tasche genauer an, welche Mia neben sich hatte. Eric machte ein paar Schritte von ihnen weg, sah sich um und schloss die Augen. Kaum zwei Sekunden später war die Verwandlung vorüber, eine rötliche Staubwolke wirbelte umher und zerbrach am rostigen Maschendrahtgitter, welches den Tennisplatz umgab. Er streckte sich ausgiebig, ließ die Hitze den letzten Rest Schläfrigkeit und kühle Nachtluft aus seinem Inneren vertreiben, dann kniete er sich hin und legte den Kopf auf den staubigen Boden, was ihn kurz niesen ließ. Mia kam eine kleine, heiße Dampfwolke entgegen und sie lachte, stieg vorsichtig nach oben, hangelte sich an den Hörnern vorbei und balancierte auf dem Hals bis hin zu der Stelle, an welcher sie sitzen wollte. Jack hatte die Tasche geöffnet und zog die erstaunlich großen und zusammengeklappten Sättel hervor. Sie sahen aus wie modifizierte Pferdesättel, wirkten relativ schwer. Mühevoll wuchtete Jack sie nach oben, Mia fing sie auf und setzte sich breitbeinig hin, genau zwischen zwei der scharfen Zacken und Eric wagte es kaum, sich zu bewegen. Dann schnallte sie in aller Ruhe alles fest, schmierte die dicken Lederriemen mit Fett ein, damit Erics Schuppen und Stachel sie nicht durchreiben würden. Schließlich bot sie Jack den Platz vor sich an. Nachdem auch Jack nach oben geklettert war und sich niedergelassen hatte, saßen sie etwa einen Meter vor dem Flügelansatz. Mia kramte in ihren Taschen.
»Tut mir leid«, sagte sie und zog eine Schachtel Bonbons hervor, »ich denke, die sind zu klein für dich, Eric. Jack, willst du eines?«
Jack lachte Eric spaßeshalber aus und schnappte sich eines der winzigen, pillenartigen Bonbons. Kaum hatte er es ein paar Sekunden im Mund, spuckte er es hustend in weitem Bogen wieder aus.
»Was ist das, verdammt?! Ah …«
»Das ist eine mexikanische Chilimischung, gepaart mit gutem indischem Pfeffer und einer Menge Koffein. Das regt den Kreislauf an, merkst du ja! Ich habe nie behauptet, dass sie dir schmecken würden. Aber wir müssen wach bleiben, zumindest jetzt noch.«
Eric lachte innerlich, als die extrem scharfen Gerüche seine Nüstern erreichten. Jack standen die Tränen in den Augen und sein ganzer Körper geriet urplötzlich in Wallung. Es musste sehr stark brennen. Mia klopfte Jack entschuldigend auf die Schulter. Dann sagte sie streng:
»Wir müssen jetzt wirklich starten. Es ist schon halb eins und wir sollten vor drei in Skagen in Dänemark sein. Also gen Norden!«
Ohne darüber nachzudenken drehte sich Eric leicht nach rechts, hielt die Schnauze in den schwachen Ostwind und richtete sich schließlich nach Norden aus. Argwöhnisch betrachtete er den Maschendraht um sie herum. Zu wenig Platz für einen sanften Start.
»Haltet euch gut fest, ich muss springen«, ließ er die beiden wissen. Er öffnete die gewaltigen Flügel und spürte eine Welle der Vorfreude, als die Hitze in seinem Inneren noch stärker wurde und er an den langen Flug dachte. Sekunden später war von ihnen nicht mehr zu erkennen als ein kleiner Punkt, der scheinbar dem Mond entgegenflog.