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Kapitel 17

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Eric öffnete erschrocken die Augen. Es war deutlich heller geworden, musste früher Morgen sein. Der Traum hatte ihn aus seinem Halbschlaf gerissen. Verzweiflung durchfloss seine Gedanken und er verschloss sie. Dieses Mal war er sich sicher: Nachdem sich bereits bei ihrer Abreise ein Splitter dieses Traumes willkürlich und blitzhaft gezeigt hatte, musste das nun die tatsächliche Sicht auf etwas gewesen sein, das entweder gerade geschehen war oder noch kommen würde. Vom Gefühl her musste es sich kurz vor seinem Erwachen abgespielt haben oder passierte gerade jetzt, denn die Lichtverhältnisse waren fast exakt so, wie er sie gerade mit offenen Augen sah. Was zusätzlich bedeutete, dass der Ort des Ereignisses nicht sehr weit weg sein konnte. Und er kannte den Mörder, der den Traum verursacht hatte. Manou hatte sich verändert und seine Kräfte waren nicht mehr mit denen vergleichbar, über welche er noch verfügte, als Eric ihn eingefangen und ausgehorcht hatte. Schuldgefühle. Eric sah sich um. Alles war anders. Das Meer wirkte wie sonst auch, aber die Magnetfelder waren völlig fremdartig und die Luft war so unglaublich klar, dass er selbst jetzt noch einen Sternenhimmel sehen konnte, welchen er so noch nie zuvor erblickt hatte. Als er eine kurze Kurve flog, um hinter sich blicken zu können, entdeckte er zwei Monde. Wo auch immer sie waren, es konnte nicht die Erde sein. Eric begab sich zurück auf Kurs und ein kurzer Anflug von Neugier und Begeisterung überkam ihn, wurde jedoch gleich vom Nachhall dessen zerstört, was er vermutlich hätte verhindern können.

Wie auch immer das möglich war, die Narbe an Manous Arm machte deutlich, dass die erste Bekanntschaft mit ihm während des eisigen Schlafes mehr als nur ein Traum gewesen sein könnte. Eric bemerkte die Gewissheit, dass er Manou doch tatsächlich schon in dem Traum hätte töten können. Denn selbst Manou schien das genau zu wissen, Eric hatte es ja gerade in dessen Gedanken gelesen. Also hätte auch er selbst sterben können, durch den Pfeil. Sofort erinnerte er sich an den Baum am See, welcher ebenfalls von Geschehnissen jenseits der Realität beeinflusst schien. Wie konnten Träume und Visionen die Realität … Egal. Nun war er eigens verantwortlich dafür, dass weit über eintausend Menschen und Wesen umgekommen waren oder bald sterben mussten. Familien wären zerstört, unzählig viele zukünftige Leben bereits jetzt vernichtet. Er schloss wieder die Augen. Das nächste Mal, wenn er die Wahl hätte, würde er sich anders entscheiden. Bestimmt.

Unter ihnen rollten die Wellen sanft durch das unbekannte Meer. Eric registrierte eine Veränderung. Vor dem Einschlafen hatte er noch verschiedene Ströme beobachtet, die er selbst aus der sehr großen Höhe hatte sehen können. Jetzt bewegten sich die Wellen fast alle in eine Richtung, ihre Richtung. Gravitation und Atmosphäre waren nahezu exakt so wie auf der Erde, also musste dies definitiv bedeuten, dass sie sich nicht mehr über dem offenen Meer befanden. Er schätzte ihre Höhe. Fast sechs Kilometer. Er drehte die Flügel und sie sanken so schnell tiefer, dass Jack und Mia beinahe schwerelos wurden. Als er langsam ihren Fall abbremste, wachten die beiden auf. Eric achtete nicht auf sie, suchte nach einem Strich, irgendetwas in der Ferne, das an Land erinnerte. Mia rief sich ihre Karte in Erinnerung. Der kleine Punkt schwebte fast über dem Kreuz. Sie dachte:

»Wunderbar, wir sind bald da! Noch drei Stunden vielleicht und wir sind am Ziel!«

Eric freute sich, doch es hielt nicht lange an. Der Traum ging ihm nicht aus dem Kopf. Seine Schuld … Mia konnte seine Gedanken nicht lesen, er hatte sie völlig verschlossen. Nicht einmal eine Horde Wächter hätte diesen Willen durchbrechen können. Falls sie nicht mächtiger würden. Seit dem letzten Angriff, den sie miterlebt hatte, waren erst wenige Wochen vergangen. Es konnte sich vieles verändert haben. Aber im Moment war es Eric, der Mia Sorgen machte. Sie drang nicht zu ihm durch, er schloss ihre Gedanken aus.

»Hey, kleiner Drache, was ist mit dir?«

Eric hörte ihre Rufe, aber er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Sein grimmiger Blick jagte Mia einen Schrecken ein und sie spürte die langsam ansteigende Hitze in ihm, als er seine Gedanken freigab. Mia sah sich alles an, den ganzen Traum. Dann meinte sie mit erdrückter Stimme:

»Es ist nicht deine Schuld. Du konntest das doch nicht wissen, oder? Und …«

Eric unterbrach sie.

»Ich habe ihn in einem Traum gesehen, nachdem mich die Wächter angegriffen hatten. Er versuchte, mich zu erschießen, aber es misslang. Ich konnte spüren, wie er war. Ich konnte klar erkennen, dass er ein grausames Wesen ist! Und ich habe gesehen, was für widerliche Dinge er mit den Menschen in den Dörfern und Städten gemacht hat! Also ist es ja wohl meine Schuld, oder? Ich hätte ihn töten können! Wäre wohl besser gewesen?«

Mia wusste keine Antwort. Sie hatte einen Kloß im Hals und er tat ihr leid, gleichzeitig machte sie sich Sorgen, dass Eric gleich die Kontrolle verlieren könnte. Er schien wieder instabil zu werden, seine Emotionen waren wild und schmerzhaft. Eric stieg höher und beschleunigte so stark, dass Jack ihm eine Warnung zudachte, aber er hörte nicht darauf. Er spürte, dass der Drache ein Maß an Unruhe und Wut gegen Manou und die Situation entwickelte, welches massenhaft überschüssige Energie freisetzte. Er musste diese abbauen, oder sowohl Mia als auch Jack würden verbrennen. Es gab keine Zeit und keinen Sinn für Erklärungen. Ein Kontrollverlust wäre ihr Ende. So gab Eric sich der Hoffnung hin, ihr Ziel noch zu erreichen, bevor etwas passierte, was auch nur annähernd mit dem Traum vergleichbar wäre.

Mit heftigen Flügelschlägen trieb Eric sie höher und sie wurden so schnell, dass der Wind Mia und Jack fast flach auf seinen Rücken presste. Die Lehnen der Sättel klappten nach hinten und waren letztlich alles, was sie vor den harten, scharfen Stacheln bewahrte. Eric kalkulierte, die Sättel würden halten. Jack wurde schlecht. Eric ging wieder tiefer, damit sie nicht erstickten, dann legte er all seine Gedanken und Kraft in die Geschwindigkeit. Sie wurden immer schneller, flogen jetzt nur noch etwa hundert Meter über dem Wasser. Als sie in eine Nebelwand rasten, zog er einen Schweif hinter sich her, die winzigen Wassertröpfchen wirbelten laut um ihn herum, durchnässten Mia und Jack in wenigen Sekunden. Sie brannten auf ihrer Haut und fühlten sich kälter an als alles, was sie kannten. Ohne die Hitze aus Erics Inneren wären beide spätestens jetzt in großen Schwierigkeiten gewesen, doch da diese Hitze mit jedem Flügelschlag heftiger wurde, hielt die Kälte nicht lange an.

Eric schloss die Augen. Er sah ja trotzdem was, aber so konnte er sich besser konzentrieren. In Gedanken schützte er Mia und Jack fast instinktiv mit einer Hülle aus Licht, damit sie nicht zerdrückt würden. Sekunden später stellte er fest, dass sie tatsächlich gerade von einer Art Kraftfeld umgeben wurden, welches sich wie eine dicke und kaum sichtbare Luftblase um die beiden herum aufbaute. So ließ er alle Dämme brechen und überließ sich dem stürmischen Trieb, schneller zu werden als er Energie würde nachlegen können, als wollte er durch Manou hindurch fliegen und ihn so schlichtweg zerfetzen. Als er ein merkwürdiges Brennen in den Flügeln spürte, legte er sie etwas mehr an und erkannte, dass die Luft um sie herum sehr heiß wurde. Es war nicht schmerzhaft und Eric ließ sich von jener Kraft, welche ihn fortbewegte, immer weiter antreiben. Es waren längst nicht mehr seine Muskeln, sondern etwas direkt in seinen Flügeln, was ihn beschleunigte. Kurz darauf spürten sie eine heftige Erschütterung und es wurde ruhiger. Die Schallmauer war durchbrochen, doch sie wurden noch schneller.

Die Umgebung verschwamm langsam, sie hatten die Nebelwand hinter sich gelassen und abrupt ließ der Widerstand der Feuchtigkeit nach. Da spürte er das Land, die Küste. Und einen unendlichen Wald. Nach kurzer Zeit konnte Eric kaum noch etwas erkennen und öffnete wieder die Augen, welche mittlerweile von einer dicken, zweiten Haut geschützt wurden, welche alles leicht golden einfärbte. Es sah aus, als ob er auf eine mit Ölfarbe gemalte Landschaft hinabblicken würde, über die jemand einen nassen Lappen gezogen hätte. Alles, was nicht mindestens einen Kilometer entfernt war, wirkte so verschwommen, dass er gerade noch die verschiedenen Bäume erkannte. Er spürte, wie seine Augen sich daran gewöhnten und die Sicht immer schärfer wurde, doch es war ihm egal. In Mias Gedanken sah Eric nichts weiter als einen fast einfarbigen Untergrund und Jack sah gar nichts mehr. Ihre Augen waren zu träge. Vor Wind und Hitze geschützt durch jene flimmernde Schicht einer unbekannten Energieform hielten sie sich fest, waren wie berauscht und hatten keinen Einfluss auf das, was geschah.

Eric stellte sich die Karte vor und bemerkte, dass er bei dem Tempo in Windeseile zig Kilometer zu weit fliegen würde. Er beschleunigte noch immer, spürte so etwas wie einen merkwürdigen Druck in seinem Bauch. Dünne, haarfeine Leuchterscheinungen zuckten durch seine Flügelhäute, sein Maul war wie zugenagelt und jeder Muskel steinhart gespannt, Nüstern und Atemlöcher fast verschlossen. Die zweite, dicke und schützende Haut über den empfindlichen Augen wurde langsam angenehm warm. Wie ein riesiger, stählerner Pfeil schoss er starr durch die Luft, welche um sie herum langsam zu glühen begann.

Eric strengte seine Sinne an und entdeckte eine riesige Lichtung, auf der das Zentrum jener Stadt war, von der er vor Kurzem geträumt hatte. Kurz scannte Eric die Umgebung, beobachtete mit einem Anflug von Neugier, dass sich noch mindestens einen Kilometer in jede Richtung Wiesen, Plantagen und Gebäude versteckt unter den Baumkronen befanden. Nach wenigen Sekunden richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf den Flug und schoss in einem Kilometerlangen Bogen aufwärts, sah in diesem Manöver die einzige Chance, ihre Geschwindigkeit aufzufangen und am richtigen Ort zu landen. Er erkannte, dass die nun auftretenden Fliehkräfte für Mia und Jack noch eher verkraftbar waren als ein gewaltsames Abbremsen auf kurzer Strecke, was ohnehin zunehmend unmöglicher erschien.

Mia konnte Erics Gedanken nicht lesen. Als sie und Jack voller Schwindel und Sorge sahen, wie sich der Boden rasend schnell entfernte und die Atmosphäre bald hinter ihnen liegen würde, fühlten sie sich selbst innerhalb des mächtigen Kraftfeldes nicht mehr sicher, als ob sie sich außen an einer startenden Rakete festklammern würden. Als jedoch die Geschwindigkeit nach Minuten endlich abgebaut war und Eric dann einfach umdrehte und sich fallen ließ, entfuhr Mia ein kurzer Schrei. Sie befürchtete, dass er sich umbringen wollte. Der Boden kam nach einer Weile so schnell näher, dass für ihren Verstand keine Zeit für eine Warnung blieb. Alles, was sie und Jack nun empfanden, war eine fremdartige Leere. Ein Gefühl der Machtlosigkeit im Angesicht jenes unvorstellbaren Aufpralls, der sie schon sehr bald erwartete und gleichzeitig eine Art Rausch, angefacht von der unglaublichen Aussicht und dem Gefühl völliger Schwerelosigkeit und feuriger Hitze. Eric jedoch wusste, was er tat. Die Wut pulsierte wild und heiß in seinem Körper, doch er riss sich zusammen, verfeuerte ihre Macht und gefährliche Energie im Flug, wollte ihr keine Chance bieten, andere Dinge anzurichten. Etwa einen Kilometer entfernt sah er etwas glitzern, auf der riesigen Lichtung im Wald.

Als sie in der Morgenröte durch eine seichte Wolkenschicht hindurchfielen, sahen sie von weitem aus, wie ein kleiner und blau leuchtender, fallender Stern. Mit geschlossenen Augen sah Eric dieses Bild vor sich, es regte eine Art Erinnerung in ihm an doch er verdrängte den Impuls, konzentrierte sich auf seinen Tastsinn. Knapp zwei Kilometer über dem Boden öffnete Eric die Flügel und drehte sich so, dass die Füße nach unten zeigten. Die Schwingen wie Bremsschirme gespreizt, verzögerte er so stark, dass Mia und Jack ohne die schützende Hülle aus Licht sicher über die scharfen Zacken auf seinem Rücken hinüber und in die Tiefe gerutscht wären. Da sie auf seinem Rücken saßen und sich flach an ihn pressten, sank ihnen das Blut nun schlagartig in die Beine. Beide kämpften mit der Bewusstlosigkeit und Jack war der erste, den sie erwischte. Eric war immer noch viel zu schnell. Niemals würde dieser Luftwiderstand ausreichen, um heil unten anzukommen. Noch neunzehn Sekunden.

Eric rief den Wind, als hätte er das schon allzu oft getan, spürte ihn eisig unter den Flügeln und in seiner Schnauze. Er erzwang einen heftigen Unterdruck, welcher die Luftmassen in der Umgebung rapide in Bewegung versetzte. Strömungen aus allen Richtungen türmten sich säulenartig unter ihnen auf, kaum zehn Sekunden später schlug ihnen wie aus dem Nichts ein Sturm entgegen, welcher Unmengen kleiner Steine, Halme, Erdklumpen und Getreide vom Feld unter ihnen mit sich riss und ihnen buchstäblich um die Ohren schmetterte. Doch sie wurden tatsächlich langsamer, bis der magische Sturm sie anhielt und abflaute. Sanft und leichtfüßig wie eine Katze landete Eric auf den Hinterbeinen im aufgewühlten Boden und fing den Rest an Schwerkraft mit ein paar schnellen Schritten auf.

Es wurde langsam still, die Luft beruhigte sich und ein geisterhaftes Rauschen fegte über das Feld. Eric nahm eine Fülle an bekannten und unbekannten Sinneseindrücken wahr, sein Tastsinn lieferte massenhaft Informationen über die unbekannte Erde, auf welcher sie standen. Doch er ignorierte all das und hielt seinen Geist davon ab, sich zu verselbstständigen. Fast wäre ihm die Kontrolle entglitten, als seine Nüstern die ersten Aschepartikel einsogen und seine Zunge die feinen Aromen von verbrannten Materialien aufschlüsselte. Noch ehe ihm völlig klar war, wie sich der Geruch zusammensetzte, zerbrach für Eric die Hoffnung. Es war tatsächlich zu spät. Was der Wind zu ihnen getragen hatte, war mehr als nur der Qualm eines Ofens oder eines kleinen Feuers, da war sich Eric sicher. Wenn er überhaupt etwas kannte, dann Asche.

Als er spürte, dass Jack zu sich kam, löste Eric die schützende Hülle um seine Mitreisenden auf und forderte von Mia und Jack, abzusteigen. Die ließen sich das nicht zweimal sagen, im Nu waren sie unten, eher gefallen als abgestiegen landeten sie weich in der feuchten und aufgewühlten Erde. Jack, noch immer sehr benommen, fiel auf die Knie und erbrach mitten auf dem großen Getreidefeld, im vom Sturm hinterlassenen Chaos. Mia taumelte mit den Decken und Sätteln im Arm herum und versuchte, ihre Beine und ihren Magen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Beide waren geschockt und kurz vor dem Zusammenbruch, noch gar nicht in der Realität angekommen und unfähig, sich aus dem drückenden Rausch zu befreien und sich klarzumachen, dass sie wieder sicheren, festen Boden unter den Füßen hatten. Ihr Gleichgewichtssinn war kaum noch zu gebrauchen. Eric beobachtete abwesend, wie die Beiden das Gefühl hatten, flach auf dem Boden zu liegen, obwohl sie sich mühevoll aufrecht hielten.

Unvermittelt begann all das auf sie herab zu prasseln, was der Sturm wie ein Tornado aus dem Feld gerissen und gewaltsam nach oben geschleudert hatte. Eric entfaltete gleichgültig seine Flügel, schützte Mia und Jack vor tonnenweise fallenden Steinen, Erde und Getreidepflanzen mitsamt ihren Wurzeln und losgerissenen Körnern, welche wie Hagel auf sie niedergingen. Als es vorbei war, prüfte er kurz Jacks Zustand, befand ihn für ungefährlich und stieß sich wieder vom Boden ab. Er machte sich auf den Weg irgendwohin, wo er in Ruhe nachdenken konnte.

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