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Maskenball

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Unmittelbar nach dem Abendessen trat die zweite Gruppe, wie von Dämonitzki befohlen, vor dem Kompaniegebäude an. Dämonitzki trat aus der Tür. Hämisch grinsend sagte er: „Alle Achtung, meine Herren Panzerschützen, wirklich pünktlich angetreten. Ich hoffe, ich kann mich den ganzen Abend an Ihrer Pünktlichkeit erfreuen.”

Karl spürte den Zynismus. Dämonitzki griff in seine Hosentasche und zog eine Stoppuhr hervor. Langsam senkte er den Kopf. Wie in Hypnose starrte er auf das Zifferblatt. „Eine wunderbare Erfindung”, sagte er, den Kopf hebend, „nicht wahr, Sanftleben?”

Dieser schwieg. Sanftleben wusste wie jeder andere, was auf dem Spiel stand. Nur das Untier nicht reizen. Eine Ansprache hatte keiner erwartet, aber Dämonitzki hielt eine. Er sprach von der historischen Aufgabe Deutschlands, von der Ehre und Gnade, die den deutschen Soldaten zuteil werde, jetzt, dem Führer zu dienen, wo der Endsieg in unmittelbare Nähe gerückt sei. Er sprach von den Schändlichkeiten der Feinde und von Selbstaufopferung, von Heroismus und Ruhm deutscher Helden, die schon ihr Leben in den ersten Kriegsjahren gelassen hatten. Und die Gruppe täte recht daran, den Helden durch alle Niederungen der Leiden während der Ausbildungszeit zu folgen. Nur so würden sie sich selbst zu Titanen empor schwingen.

Staunend hatte Karl dieser seltsamen Rede gelauscht. Er wollte es nicht glauben, aber in Dämonitzkis Kopf hatten sich viele Schlagwörter so verfestigt, dass er sie nur noch herunter beten musste. Einige Sekunden ließ Dämonitzki seine Rede wirken. Dann reckte er sich und krächzte: „So, meine Herren, und jetzt beginnen wir – sagen wir, in drei Minuten, ich wiederhole, in drei Minuten stehen Sie Feldmarsch mäßig wieder hier unten. Wegtreten, marsch, marsch!”

Die Rekruten rasten nach oben. In der Stube rissen sie die Spinde auf, zogen den Drillich vom Leib und sprangen in die Uniform. Schon rannten sie nach unten zum Stellplatz, immer mehrere Stufen auf einmal nehmend. Dämonitzki spielte gelassen mit seiner Stoppuhr.

Als die Gruppe stand, drückte er den Knopf der Uhr. „Wie man sich täuschen kann”, krähte er giftig. „Noch vor wenigen Minuten, meine Herren Panzerschützen, lobte ich Sie wegen Ihrer Pünktlichkeit. Und was registriere ich jetzt? Sie verspäteten sich genau um sechzehn Sekunden. Das bedeutet, ich bin gezwungen, mit Ihnen weiterhin Pünktlichkeit zu üben. Das tut mir außerordentlich leid, aber wer nicht pünktlich ist, muss fühlen.” Sich schnäuzend, trat er an die Gruppe heran, prüfte bei jedem den Sitz der Uniform und ihre Vollständigkeit. Karl erhielt, wie alle anderen auch, wegen irgendwelcher Nichtigkeiten einen Anranzer. Plötzlich trat Dämonitzki zurück und befahl: „Rechten Stiefel ausziehen!”

Wie befohlen zogen alle den Stiefel aus. Dämonitzki starrte ins zweite Glied. Er brüllte: „Sanftleben, vortreten!”

Sanftleben hüpfte auf einem Bein vor. Karl sah, er hatte keinen Strumpf am Fuß.

Triumphierend, klirrte Dämonitzkis Stimme. „Genauso hab Ich’s mir gedacht: Der Pomadenfritze tritt ohne Strümpfe an. Zu faul, Strümpfe anzuziehen.” Arglistig blitzten seine Augen. Grinsend fragte er: „Sagen Sie, Sanftleben, haben Sie noch einen Bruder?”

Ohne zögern antworte der: „Jawohl, Herr Unteroffizier!”

„Ich hab’s gewusst”, wieherte Dämonitzki. „Er hat tatsächlich einen Bruder. Einer allein kann ja auch nicht so blöd sein.”

Karl war über die maßlose Beleidigung entsetzt. Das war die Rache eines minderbemittelten Unteroffiziers für die Niederlage, die er als UvD auf der Stube erlitten hatte. Aber dieser Unhold war noch nicht am Ende. Mitleidlos kreischte er: „Sanftleben, für Sie und Ihren Bruder hätte sich Ihr Vater besser einen von der Palme wedeln sollen.”

Krüger, neben Karl, flüsterte: „O Gott, was für ein Primitivling.”

Dämonitzki trat zwei Schritt zurück. Mit verzerrtem Mund stieß er hervor: „Her hören, ihr Säcke! Was ich jetzt sage, schreiben Sie sich gefälligst hinter die Ohren. Ich werde Ihnen in den nächsten Wochen Zucht, Ordnung, Disziplin, Pünktlichkeit und eine gewissenhafte Befehlsausführung beibringen. Ich, und das verspreche ich Ihnen, werde Sie zu Soldaten des Führers erziehen, die inbrünstig den Tag des Fronteinsatzes herbeisehnen, damit Sie für Großdeutschland kämpfen und sterben dürfen. Die Hölle der Front wird gegenüber meinen Erziehungsmethoden die reine Freude sein.”

Erneut lief ein Krampf über sein Doggengesicht. Und sein perverses, schrilles Lachen ließ die Rekruten mit Schrecken an die zukünftigen Wochen denken.

Noch am selben Abend erhielten sie einen Vorgeschmack darauf, was dieser Unteroffizier unter soldatischer Erziehung verstand. Ununterbrochen, fast bis zur Nachtruhe, jagte er sie treppauf und treppab. Ständig mussten die Uniformen gewechselt werden, in Zeiten, die niemals zu erreichen waren.

Und als Krönung des „Maskenballs” befahl er, alle Uniformen, einschließlich der Unterwäsche, übereinander anzuziehen; was aber schlicht unmöglich war. Dies war Dämonitzki willkommener Anlass, die gesamte Gruppe zum Nachexerzieren für kommenden Sonntag zu verdonnern.

Karl Hellauers Wandlung im Zweiten Weltkrieg

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