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Dienstag, 10. Juli 2007 – Aussichten

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Heute hatte Katrin wieder eine „Vor-Therapie"-Stunde. Die Aussichten sehen aus meiner Sicht düster aus. Frau Saggur macht mehr Fragebogenarbeit, als konkrete lebenserleichternde Unterstützung. Fragebogenarbeit? Es scheint ein mögliches Standardverfahren zu sein, dass in den ersten Stunden bei einer solchen Therapie Fragebögen über das Leben und insbesondere den Einfluss der Angst auf das Leben gemeinsam ausgefüllt werden. Sicherlich auch, um über die Zeit eine Möglichkeit zu haben, die Verbesserungen zu verfolgen. Ich würde es als akute Hilfe viel besser finden, wenn Frau Saggur Katrin für bestimmte Situationen Vorschläge macht, wie wir mit der Angst, den Ritualen, den Rückfragen besser oder vielleicht einfach nur leichter umgehen können. Diese Fragebogen können ja dann weiter abgearbeitet werden, wenn die Situation sich halbwegs stabilisiert hat. Aber: Es läuft alles nach Vorschrift, nach Plan. Ausbildung eben. Aber was soll in den vier Wochen Urlaub von Frau Saggur passieren? Dann hat Katrin genau Null Komma Null Unterstützung für diese Zeit!

All mein Bitten und Flehen, doch auch über Alternativen/Verschärfungen (stationäre Behandlung) etc. mit meiner Frau zu sprechen, hat Frau Saggur in den Wind geschlagen. Ich hatte sie angerufen, aber all meine Gedanken wären falsch. Und stationär? Das wäre nicht nötig, meint sie. Kann sie ja auch leicht sagen. Sie lebt ja nicht in dieser Hölle!

Und in dieser Hölle ging es heute Abend weiter: Da ich die Post aus dem Briefkasten geholt habe, hat Katrin sämtliche Türen gesäubert. Ich darf das Handy im Haus nicht mehr benutzen. Außer ich wasche mir anschließend die Hände und das Gesicht. Auch nach dem Schreiben auf dem Laptop müsste ich mir die Hände waschen.

Warum ich mir das gefallen lasse? Das ist im gewissen Sinne ein „tolles" System: Wenn ich versuche, etwas so zu tun, wie ich denke, dass es „normal" ist, dann sieht Katrin dies als Versuch an, sie zu „therapieren". Katrin meint, dass ich Dinge„extra" mache, die aus ihrer Sicht gefährlich sind. Daraufhin droht sie mir, dass sie einfach sofort mit der Therapie aufhört, denn diese hätte ja dann auch keinen Sinn. Also ist Stillschweigen angesagt. Und Mitmachen.

Leider darf ich auch mit niemandem darüber reden. „Was sollte es denn auch bringen?" ist Katrins Aussage. Also gibt es keine Verständigung mit direkten Freunden oder mit meiner Familie. Da Katrin inzwischen unkontrollierbare Situationen vermeidet, gibt es auch im Gegensatz zu früher im Grunde keine Besuche mehr von Freunden oder Bekannten bei uns. Das hat dann zwar immer sehr logische Gründe ("Liebling, lass uns doch EIN Wochenende mal allein verbringen." oder „Liebling, das ist doch im Nachhinein immer so viel Arbeit"), aber dahinter steckt – da bin ich mir sicher – immer der Gedanke, dass sich jemand ganz unbewusst nicht an ihre Regeln halten könnte. Ist ja auch klar, denn DIESE Regeln kann niemand unbewusst befolgen. Schlimm wäre es zum Beispiel, wenn jemand im Vorraum seine Schuhe eben nicht auszieht oder sonst etwas unternimmt, was „verboten" und damit potentiell „gefährlich" ist.

Auch wenn es unglaublich hart klingt: Aus meiner Sicht wäre eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung von Katrin in einer stationären Behandlung in einer spezialisierten Klinik zur Zeit die beste Variante. Im Moment bringt sie nicht nur mich quasi in den „Wahnsinn" ihren Wahnsinn ständig mitzumachen, sie beeinflusst nicht nur die Entwicklung von unserem Sohn Niklas. Sie belastet sich auch unentwegt, was auch für unser ungeborenes Kind sicherlich nicht optimal ist. Nachts putzt sie noch bis weit nach Mitternacht und kümmert sich zum Beispiel um die viele Wäsche die eben anfällt, wenn Kleidung nicht nur täglich, sondern durchaus drei oder vier Mal am Tag gewechselt wird. Und alles, was ihr zu dreckig erscheint, wird in Plastiksäcken unten im Keller gelagert.

Ich weiß nicht, wann diese Krankheit tatsächlich auch langfristig merkliche Auswirkungen auf Niklas und später auf unser zweites Kind haben wird.

Lustiges Indiz für sonstige Nebenwirkungen der Krankheit ist unsere Wasser- und Stromrechnung. Sie ist beeindruckend! Wir verbrauchen als 3-Personenhaushalt so viel Strom und vor allen Dingen Wasser, wie ein über seine Verhältnisse lebender 5-Personen-Haushalt. Woher das wohl kommt?! Und dazu gibt es auch keine „Hygiene-Tücher", „Hygiene-Sprays" und „Unterwegs-Waschlappen", die wir nicht schon im „Test" hatten. Dumm nur, dass die ganzen Supermärkte hier einen so reichen Fundus haben! Ich würde ja am liebsten diese ultra wichtig-tuenden Hygiene-Mittel als gesundheitsgefährdend verbieten. Und dazu die Nachrichten: Die Vogelgrippe ist wieder „akut" in Deutschland. Und schon wieder wird Panik gemacht. Gute Nacht!

Draußen war Sommer...

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