Читать книгу Die versunkene Hexe: Von Göttern und Hexen - Laura Labas - Страница 14

Kapitel 6

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Erik duckte sich unter einem besonders hinterhältigen Schlag hindurch, holte mit seinem rechten Arm aus und stieß mit dem Handballen gegen die Rippen eines Bootsmannes. Seine Mannschaftsmitglieder, der Smutje, Segelflicker, Rigger, Steuermann, Kanoniere und Rudergänger sowie viele andere hatten einen Kreis um sie gebildet. Manche standen mit grimmigen Mienen da, andere hatten sich auf Kisten niedergelassen oder lehnten gegen Mast oder Reling. Der Hauptmann fühlte sich an seine Überfahrt an Neels Seite erinnert, als er gegen ihn gekämpft hatte.

Der Grund war ein anderer gewesen, aber sein Inneres war damals wie heute gleichermaßen aufgewühlt.

Ein weiterer Schlag gegen den Brustkorb des langhaarigen Mannes, der vor dem Kampf seine Jacke abgelegt und dadurch seine tätowierten Arme offenbart hatte, und er begann ernsthaft zu straucheln. Monteans Männer waren ihm und seinen Fähigkeiten nicht gewachsen. Er hätte den Kampf bereits vor drei Runden beenden können, doch das hätte dem Sinn der Sache nicht entsprochen.

Schließlich brauchte Erik die Ablenkung und nicht den Sieg, der zwangsläufig damit einhergehen würde.

In einer schnellen Abfolge spielte er mit den Koordinations­schwierigkeiten seines Gegners, packte ihn am Kragen, donnerte zuerst die Faust in sein Gesicht, dann den Ellbogen in seine Kehle und schließlich das Knie in dessen Magengrube, ehe er ihn losließ.

Der Bootsmann keuchte und rang nach Luft. Mit letzter Kraft hob er einen Arm und gab auf.

Wie enttäuschend.

Den Mund verzogen, schritt er wie ein gefangenes Tier im Kreis, versuchte, die Gedanken und Erinnerungen so einfach wie den Bootsmann niederzuringen. Ohne Erfolg. Er sah seine Opfer wie rachsüchtige Geister vor sich aufsteigen. Einen nach dem anderen. Jac, Cillian und Higherford wechselten sich ab, blickten ihn voller Zorn an, während Chelions Lachen grausamer und grausamer wurde. Erik wusste, dass er selbst nur einen Teil der Schuld an Jacs Tod trug. Er hätte nichts von seiner verfluchten Gestalt ahnen können. Deshalb fühlte er sich jedoch nur ungleich besser, denn er hatte den wahren Schuldigen gehen lassen. Welche Verletzung Larkin ihm auch zugefügt hatte, Chelion hatte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen und sicherlich selbst heilen können.

Erik hasste ihn von ganzem Herzen für das, was er dem kleinen Jungen und seiner Familie angetan hatte.

»Wer traut sich als Nächstes?«, brüllte Erik der johlenden Menge entgegen, die nur im ersten Kampf gegen ihn gewettet hatte. Schnell hatte er sie eines Besseren belehrt.

Er schluckte furchtsam, als er sah, wie sich sein eigener Vater durch die Menge wand, um sich jeden Moment freiwillig zu melden. Seine Kehle schnürte sich zu. Er würde nicht gegen ihn kämpfen können. Er würde die Vergangenheit nicht ruhen lassen können. Er würde …

Panik stieg in ihm auf und drohte, ihn mit sich zu reißen in den Ozean, der nur aus Verzweiflung und Angst bestand.

»Zeig, was du kannst, Hauptmann«, erklangen dann die herausfordernden Worte auf der anderen Seite des Ringes und er drehte sich einmal um die eigene Achse, bis er Morgan Vespasian gegenüberstand.

Sie hatte ein wölfisches Grinsen aufgesetzt und ließ ihren Umhang nun von ihren schmalen, aber muskulösen Schultern gleiten. Von irgendwoher hatte sie sich eine neue Tunika besorgt, die sie mit einem Gürtel um ihre Mitte befestigt hatte, das Haar war ihr vorhin von Rhea geflochten worden, wie er im Vorbeigehen gesehen hatte, wodurch er ihr schönes Gesicht betrachten konnte. Beinahe hätte es ihn von der aktuellen Situation abgelenkt, da wurde ihm klar, dass sie ihn gerade nicht nur herausgefordert, sondern im gleichen Maße gerettet hatte. Vor seinem Vater. Vor einer Blamage.

Denn wenn er gegen seinen Vater angetreten wäre, hätte er nichts tun können. Wut hätte ihn gelähmt und Angst davor, tatsächlich die Kontrolle zu verlieren; ihn zu töten und dadurch dem kleinen Mädchen seinen Vater zu rauben. Er hatte schon genug Schaden angerichtet, indem er sich im Kampf gegen das Schwarze Biest nicht zurückgehalten hatte.

Morgans Augen blitzten, doch nicht die Knochenhexe begegnete ihm in ihrem Blick, allein Morgan. Sie freute sich auf diesen Zweikampf und auch er konnte ähnliche Gefühle nicht abstreiten. Er war neugierig, was sie ihm entgegensetzen konnte.

Zunächst liefen sie einander ab, im Kreis an der grölenden Menge vorbei, die nach Blut verlangte, nun, da keiner ihrer eigenen Männer verletzt werden konnte. Sie geiferten nach Grausamkeiten, die sie sich sonst nicht erlaubt hätten. Schließlich mussten sie jeden Arbeiter ersetzen, der aufgrund schwerer Verletzungen nicht auf seinem Posten stehen konnte. Doch weder Morgan noch Erik bedeutete ihnen etwas und so riefen sie Obszönitäten aus, die der Hauptmann schließlich ausblendete.

Er konzentrierte sich ganz allein auf seine Gegnerin, auf deren Lippen sich nun ein schmales Lächeln bildete. Eine Sekunde später stürzte sie auf ihn zu, schlug mit der Handkante gegen seine Kehle und platzierte ihren Ellbogen in seiner Magengegend. Glücklicherweise sah er beides kommen und ihm blieb genug Zeit, um auszuweichen. Sie streifte ihn nur, nicht genug, um ihn ins Straucheln zu bringen, aber ausreichend, um ihr Selbstvertrauen zu stärken.

Zugegeben, er war überrascht worden von ihrer Schnelligkeit.

Er erlaubte ihr nicht, sich von ihm zu entfernen, packte sie am Oberarm und wirbelte sie herum. Sie wehrte sich mit einem gezielten Tritt gegen sein Schienbein, aber er atmete durch den Schmerz durch und drehte sich, zog sie an ihrem Arm über seinen Rücken und ließ sie auf die hölzernen Planken krachen.

Das Geräusch des Aufschlags war so laut, dass er glaubte, der Boden würde auseinanderbrechen, doch Morgan rappelte sich schon wieder auf.

»Du willst also spielen?« Sie grinste.

»Mit dir immer«, entgegnete er und dann nahm er sehr lange Zeit nichts mehr wahr außer ihrer beider fließenden Bewegungen. Der Rhythmus, in den sie verfielen, beherrschte sein ganzes Sein und auch wenn sie sich nicht davor scheuten, sich gegenseitig zu verletzen, hielten sich beide zurück. Ließen es nicht bis aufs Äußerste ankommen. Gleichzeitig bewiesen sie dem anderen, dass sie seit ihrer ersten Bewegung gelernt und sich weiterentwickelt hatten.

Hin und wieder stockte er in seiner Verteidigung, wenn er nicht anders konnte, als Morgans grazil, aber vor allem tödlich ausgeführten Schläge zu bewundern und ihr schien es manchmal ebenso zu ergehen. Erneut fing er dann das Glitzern in ihren Augen auf und er wusste, dass sie seine Bewegungsabfolgen als Neels erkannte. Alles hatte er sich bei dem Meister der Assassinen abgeschaut und schließlich zu seinem eigenen Stil hinzugefügt.

Erik verengte die Augen, als er bemerkte, wie Morgan ihren linken Fuß immer den Bruchteil einer Sekunde langsamer hinter sich herzog, nachdem sie kurz umgeknickt war. Von ihrer Miene ließ sich jedoch nichts ablesen, was ihn davon überzeugte, dass es sich dabei um keine Finte handelte. Sie wollte ihn die Verletzung nicht sehen lassen und wäre er ein Ehrenmann, dann würde er sie nicht ausnutzen.

Gut, dass er keiner war.

Ein Grinsen unterdrückend arbeitete er sich voran, bis er hinter ihre Verteidigung kam, trat gegen ihre Wade, doch sie wirbelte zu schnell herum. Ließ sich nicht ganz so sehr von ihrem Fuß beeinträchtigen, wie er es vorhergesehen hatte. Dann war sie es dieses Mal, die seinen Arm packte, ihn auf seinen Rücken drehte. Mit ihrem Knie zwischen seinen Schulterblättern zwang sie ihn zu Boden.

Er wartete, hielt inne und spürte den Moment, da die Anspannung einen Teil ihres Körpers verließ. Flink wand er sich in ihrem Griff und packte sie an ihrem Oberarm. Hart schmetterte er sie neben sich und begrub sie unter seinem eigenen Gewicht, wodurch er in ihr leicht gerötetes Gesicht sehen konnte. Freude ließ sein Herz flattern.

»Einigen wir uns auf Gleichstand«, flüsterte er.

»Wie du willst.« Sie lächelte breit.

Schließlich erklang ein dunkler Glockenschlag, der sie beide aus dem Bann riss, den sie um sich selbst gewoben hatten. Montean nutzte die Möglichkeit und stellte sich vor sie, während sie sich langsam aufrappelten.

Schwer atmend betrachtete Erik seinen Vater und wieder einmal wünschte er, dass sie sich ein anderes Schiff ausgesucht hätten. Irgendeines. Warum sah das Schicksal vor, dass sie ausgerechnet hier gelandet waren? Er verstand nicht, warum er sich mit dieser verfluchten Person auseinandersetzen musste, wo er doch Jahre gebraucht hatte, um sich von ihr zu lösen …

»So schön dieser Kampf auch anzusehen war«, rief der Kapitän, ehe er den Arm hob und damit gen Osten zeigte, »Land in Sicht!«

Die Mannschaft verteilte sich, nachdem sie etwaige Wettschulden beglichen hatte, und Montean, Rhea, Jeriah, Magus und das kleine Mädchen traten zu Morgan und ihm. Jeriah warf Erik ein Handtuch zu, mit dem er sich den Schweiß von der Haut wischte. Morgan hatte sich ein eigenes besorgt und legte sich eilig ihren Umhang um. Sobald man sich nicht länger körperlich betätigte, setzte einem die Kälte zu. Er selbst zitterte bereits und nickte ihr dankend zu, als sie sich an seine Seite drängte. Anscheinend war es ihr egal, was die anderen dachten, und so legte er, ohne einen Hauch von Zweifel, den Arm um sie.

»In Kürze werden wir in den Hafen von Minst einlaufen«, verkündete Montean und kratzte sich unter der Nase, während seine Tochter mit großen Augen zu ihm aufsah. Warum war sie überhaupt hier? Ein kleines Mädchen wie sie hatte nichts auf einem Piratenschiff zu suchen. »Da ich bezweifle, dass ihr auf eurer Flucht einen Beutel voller Kronen aus der Schatzkammer habt mitgehen lassen, werden wir unsere Vorräte auf kreative Weise aufstocken müssen. Vorausgesetzt ihr überlegt es euch nicht anders und verlasst mein Schiff.«

»Das Schiff ist unseres«, entgegnete Jeriah kompromisslos. Die Traurigkeit lag wie ein Schleier über Eriks besten Freund und König, doch er war klar genug, um seine Rolle als Anführer auszufüllen, worüber der Hauptmann dankbar war. Er selbst konnte nicht mal einen Gedanken fassen, wenn sein Vater in Sichtweite war. »Wie sieht dein Plan aus?«

»Das, was wir haben, werden wir auf den Spieltischen vervielfachen.« Sein Grinsen versetzte Erik einen heftigeren Schlag in den Magen, als Morgan es zuvor mit ihren Fäusten getan hatte.

»Wetten und Spieltische«, spuckte Erik aus, der nicht an sich halten konnte. »War klar, dass ein Versager wie du an nichts anderes denken kann.«

»Mein Vater ist kein Versager«, knurrte das kleine Mädchen, Elida, und stellte sich halb vor Montean, als würde er seinen Schutz brauchen.

»Ist schon gut, Schätzchen«, beschwichtigte Montean sie und legte eine Hand auf ihr Haupt, aber die grimmige Miene hielt sie auf Erik gerichtet. »Wie wäre es, wenn ich dir ein neues Buch kaufe, sobald wir an Land sind?«

Nun drehte sie sich doch von ihrem Halbbruder weg und zu Montean hin. »Kann ich nicht mitkommen?«

»Nicht dieses Mal, fürchte ich.« Mit den Fingern schnipste er gegen ihre Stubsnase und entlockte ihr ein Lachen, ehe er sie an seine Seite presste. Über seine Schulter rief er ihnen noch zu: »Rubeo wird euch beim Einkleiden helfen. So wie ihr jetzt ausseht, fallt ihr zu sehr auf. Eure Kleidung stinkt nach Reichtum.« Dabei sah er insbesondere Erik an, dessen Hände sich unwillkürlich zu Fäusten ballten.

Er hasste ihn.


»Ganz gleich, was er tut, was er sagt, es macht mich wütend«, presste Erik hervor. Morgan war ihm unter Deck gefolgt und sie befanden sich in ihrer zugewiesenen Kajüte, in der es nach Kaffee roch. Ein Getränk, das er in Idrela kennen- und lieben gelernt hatte. Ein paar Säcke voll mit den dunklen Bohnen waren im hinteren Bereich gestapelt. Er stand vor der Schüssel, die sie als Becken nutzten, um sich zu waschen. »Ich kann den Zorn nicht unterdrücken.«

Sie streichelte sein Schulterblatt und eine Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus. Obwohl er es nicht sehen konnte, wusste er, dass sie die Linien seines goldenen Tattoos nachzeichnete. Der Bär, der für ihn Vergangenheit und Zukunft verkörperte. Seine Hoffnung, dass Jeriah sie irgendwann anführen würde.

»Ich weiß. Niemand nimmt es dir übel.« Sie küsste ihn sanft. »Ich könnte Chelion nicht mal ansehen, weil ich ihn sofort angreifen würde, dabei kannte ich ihn vor einem Monat nicht einmal. Du brauchst Zeit.«

Er schlug mit der Faust auf den Tisch und das Wasser in der Schüssel schwappte über. Wütend auf sich selbst und die Situation drehte er sich zu Morgan um, die ihm gerade genug Platz machte. Aber sie fürchtete sich nicht vor ihm und seinem Zorn. Sie blieb so nahe, dass er die goldenen Sprenkel in ihren Augen erkennen konnte.

»Zeit für was?«, fragte er frustriert und fuhr sich durch das feuchte kurze Haar. »Zwischen ihm und mir wird es nie normal sein. Das wird einfach nicht passieren.«

»Und was ist mit Elida?«

»Was soll mit ihr sein?«, brummte er unfreundlicher, als er eigentlich vorgehabt hatte. Verlegen sah er zu Boden.

»Willst du sie nicht kennenlernen?« Sanft strich sie seinen Arm entlang. »Rhea hat sich mit ihr unterhalten und sie ist sehr neugierig auf dich. Auf eure Verbindung.«

Kopfschüttelnd versuchte er, seine Gedanken in eine geordnete Reihenfolge zu bringen, doch es fiel ihm so unsagbar schwer. Was wollte er? Wie stellte er sich seine Zukunft vor? Er wünschte sich, Montean hätte seinen Weg nicht erneut gekreuzt.

Leider hatte er keinen Wunsch frei.

»Ich glaube nicht, dass es so gut wäre, wenn ich sie kennenlerne«, sagte er schließlich. »Mich in ihrer Nähe zu haben, würde ihr mehr schaden als helfen, also …«

Als Morgan nichts darauf erwiderte, wagte er einen Blick in ihr Gesicht und erkannte, dass sie nicht aus Zorn nicht mit ihm sprach, sondern vor Überraschung.

»Was?«, knurrte er verdrießlich. Je länger dieses Gespräch andauerte, desto übellauniger wurde er.

»Ich kann es nicht glauben«, hauchte sie. »Du fürchtest dich.«

»Das ist absurd.«

»Ist es nicht«, entgegnete sie vehement und berührte sein Gesicht, seine Wange. »Warum, Erik? Warum wäre es so schlimm, deine Schwester kennenzulernen? Sie ist anders als dein Vater. Stur, ja, aber mit dem Herz am rechten Fleck, klug und freundlich. Sie erinnert mich an dich, wenn ich ehrlich bin.«

Er ignorierte das Flattern seines Herzens, da er nicht sicher war, die Worte wirklich gehört zu haben. Konnte Morgan so blind sein?

»Ich habe Jac getötet, Morgan«, raunte er plötzlich heiser. »Ich habe nicht mal gezögert. Genauso wenig wie ich gezögert habe, Cillian, ein Kind, hinzurichten. Jemand wie ich sollte sich nicht im Leben eines Kindes befinden.«

Und darin echote auch das eigentliche Problem. Was, wenn Morgan schwanger war? Was, wenn sie sein Kind unter ihrem Herzen trug? Er würde sie nicht beschützen können. Ihm folgten Dunkelheit und Schatten auf dem Pfad, den er bereits vor langer Zeit betreten hatte. Wie sollte er es rechtfertigen, bei ihnen zu bleiben, wenn er wusste, wie es enden würde?

»Es war nicht …«

»Doch, das war es«, unterbrach er sie harsch, wütender auf sich selbst als auf sie. »Ich hätte Jac erkennen müssen. Hätte die Hinweise verstehen müssen. Ich bin so … blind gewesen und das ist mir teuer zu stehen gekommen. Er musste den Preis zahlen. Ich habe die Verantwortung auf mich genommen, für ihn zu sorgen, aber bei der erstbesten Gelegenheit habe ich ihn abgeschoben. Habe zugelassen, dass du ihn wie … ein Haustier beim Hutmacher ablädst, bis ich Zeit habe, mich wieder um ihn zu kümmern. Ich bin einfach gegangen. Nach Idrela gereist, ohne mich um die Konsequenzen zu scheren. Immer der Hauptmann, der seinen Dienst über alles andere stellt.« Hass und Abscheu sich selbst gegenüber stiegen in ihm in unermessliche Höhen, als er sich noch einmal seine eigenen Taten vor Augen führte. Jacs Tod hätte verhindert werden können, ganz gleich, welche Magie Chelion angewandt hatte. Zumindest hätte Erik versuchen können, den Jungen gefangen zu nehmen zu seinem eigenen Schutz, anstatt ihn zu … »Ich bin erbärmlich«, stieß er hervor.

Im nächsten Moment hielt er sich vor Schmerzen die Wange. Blinzelnd sah er Morgan an, die sich die Knöchel rieb, mit denen sie ihn gerade geschlagen hatte. Ihre Miene verriet ihre Wut, die er bis dahin nicht bemerkt hatte.

»Du erzählst solch einen Unfug«, schimpfte sie mit ihm wie mit einem Kleinkind und beinahe schämte er sich in Grund und Boden. »Du hast getan, was du für richtig gehalten hast, und es wird Jeriah früher oder später helfen. Jac war beim Hutmacher in sicheren Händen. Weder du noch ich hätten wissen können …« Sie holte tief Luft, denn auch ihr fiel es schwer, über den Jungen mit so vielen Träumen und so viel Schmerz zu sprechen. »Ich habe die Bestie gesehen und direkt danach Jac besucht und dennoch ist mir nicht mal in den Sinn gekommen, dass seine Krankheit … in so etwas resultieren könnte. Er zeigte uns bloß die Anzeichen seines Körpers, der sich gegen Chelions Fluch zur Wehr setzte. Ich … Ich habe Cardeas Worte für voll genommen, akzeptiert, als sie sagte, er hätte das Bett seit Tagen nicht verlassen, dabei war sie nicht durchgehend bei ihm. Wenn es irgendjemanden gibt, der die Schuld an seinem Tod trifft, dann bin ich es. Aber nicht du. Niemals du.«

Sie sahen sich daraufhin lange an und obwohl er sich dagegen wehrte, sickerten ihre Worte, die Wahrheit langsam in seinen Verstand. Dennoch … oder gerade deshalb spürte er die knochentiefe Müdigkeit in sich, die ihn in die Knie zwang. Gerade so gelangte er noch zu seiner Pritsche, auf deren Kante er sich niederließ. Das schmerzende Gesicht in seinen Händen vergraben.

»Ich bin ein Wrack, Morgan«, wisperte er mit erstickter Stimme.

»Dir wird es besser gehen«, beschwor sie ihn, ohne dass sie die Macht besaß, diese Zukunft herbeizuführen. Oder hielt sie diese doch in Händen? Wenn sie wahrlich das Schicksal änderte, würde es ihm wirklich besser gehen? Dieses Mal berührte sie ihn nicht. Dieses Mal spendete sie ihm nur mit ihrer Anwesenheit Trost. Alles andere hätte ihn vermutlich zerstört. »Ich verspreche es. Dieses Mal werde ich dich nicht verlassen.«

Er wollte ihr glauben.

»Da ist noch so viel …« … über das wir reden müssen. Über das wir uns Gedanken machen müssen. Nichts davon konnte er aussprechen. Er hob lediglich den Kopf und blickte in ihr wunderschönes Gesicht mit den kleinen Narben an ihrer Schläfe und ihrem Kinn, die von ihrer Stärke und ihrer Tapferkeit sprachen.

»Ich weiß.« Sie lächelte sanft. »Eins nach dem anderen.«

Die versunkene Hexe: Von Göttern und Hexen

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