Читать книгу Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG - Lisa Maria Völkerding - Страница 53

(6) Auswirkungen der Überarbeitung vom 27. April 2015 (aa) Reformierung der Tatbestände schwerer Loyalitätsobliegenheitsverstöße

Оглавление

Die schweren Loyalitätsverstöße des Art. 5 Abs. 2 GrOkathK n.F. wurden im Rahmen der Überarbeitung im Jahr 2015 nach der Konfessionszugehörigkeit abgestuft und tragen insofern jetzt der Systematik des Art. 4 GrOkathK Rechnung.

Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) bis d) GrOkathK n.F. zählt Verstöße auf, die glaubensunabhängig für sämtliche Mitarbeiter eine dienstliche Sanktionsmöglichkeit eröffnen. Hierzu gehört nicht mehr der Tatbestand des Kirchenaustritts. Um das zeitpolitische Beispiel „Fremdenhass“ ergänzt, wertet aber Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) GrOkathK n.F. das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche nach wie vor ungeachtet der Konfession des Mitarbeiters als schweren Loyalitätsverstoß.

Die „schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung“ ist nunmehr an weitere, objektivierende Voraussetzungen gebunden. Sie muss „objektiv geeignet“ sein, „ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen“ (Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) GrOkathK n.F.). Insoweit zieht die Vorschrift einerseits eine Parallele zu Art. 4 Abs. 4 GrOkathK n.F. und nimmt neben dem Interesse der Kirche an ihrer eigenen Glaubwürdigkeit nun offenbar auch die Interessen der Dienstgemeinschaft sowie Dritter im „beruflichen Wirkungskreis“ in den Blick. Die Vorschrift setzt kumulativ voraus, dass der Verstoß einerseits geeignet ist, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu gefährden und andererseits ein „erhebliches Ärgernis“ in der Dienstgemeinschaft oder dem beruflichen Wirkkreis hervorzurufen. Insofern wurden die Anforderungen deutlich erhöht.282 Der Glaubensabfall wird in Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) GrOkathK n.F. von den Verhaltensweisen ausgenommen, die für sämtliche Mitarbeiter eine dienstliche Sanktionsentscheidung nach sich ziehen. Diese Herausnahme dient indes wohl nur der Klarstellung, da ein Glaubensabfall bereits nach altem Kirchenrecht rein logisch nur für vormals Gläubige in Betracht kam. Neu als Kündigungsgrund aufgenommen wurde hingegen das „Verunglimpfen und Verhöhnen von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen“.

Hintergrund der tatbestandlichen Erweiterung war, dass zuvor böswillige Karikaturen und Beschimpfungen nicht unter den Tatbestand der Gotteslästerung oder anderer Strafgesetze subsumiert und daher nicht sanktioniert werden konnten.283 Ferner stellt seit der Reform die Propagierung von Überzeugungen und Glaubensinhalten, die im Widerspruch zum katholischen Glauben stehen, ein schweres Vergehen dar, soweit der Aufruf während der Arbeitszeit erfolgt oder ein dienstlicher Zusammenhang besteht. In diesem Sinne tatbestandlich könnte auch das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeitszeit sein, da der 5. Senat des BAG284 in einem solchen Verhalten bereits eine nicht hinzunehmende Glaubensbekundung für eine andere Religion erkannt hat.285

Hinsichtlich ihrer katholischen Mitarbeiter stellt die katholische Kirche in Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 GrOkathK n.F. nach wie vor andere Anforderungen als an ihre übrigen Mitarbeiter: Der Austritt aus der katholischen Kirche (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) GrOkathK n.F.) sowie der Abfall vom katholischen Glauben (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) GrOkathK n.F.) bleiben nach katholischem Selbstverständnis schwere Treuebrüche. Da § 5 Abs. 2 S. 1 EKD-RL keinen Grund zur Kündigung annimmt, wenn der betreffende Arbeitnehmer in eine andere Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen oder der Evangelischen Freikirchen eintritt, spricht sich ein Teil der Literatur unter dem Gesichtspunkt der Ökumene für eine entsprechende Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) GrOkathK aus.286

Eine auffällige Neuerung ist, dass die kirchenrechtlich unzulässige Zivilehe gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) GrokathK nur dann einen schweren Loyalitätsverstoß darstellt, wenn sie „objektiv geeignet“ ist, nach den konkreten Umständen „ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis“ hervorzurufen und eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Kirche droht. Neu ist auch, dass die Anforderung an die kirchenrechtliche Gültigkeit der Ehe ausdrücklich nur noch für katholische Mitarbeiter gilt und auch hier kumulativ die Interessen der Kirche und der Dienstgemeinschaft bzw. des beruflichen Wirkkreises betroffen sein müssen. Ob der ungültige Eheschluss ein „öffentliches Ärgernis“ i.S.v. Art. 5 Abs. 5 S. 2 GrOkathK a.F. erregt, ist dagegen nunmehr unerheblich. Die Gefährdungseignung des Loyalitätsverstoßes wird bei pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeitern und solchen, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, unwiderlegbar vermutet. Leitende Angestellte oder Personen im erzieherischen Dienst werden vom Wortlaut der Vorschrift nicht mehr erfasst.

Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft stellt für katholische Mitarbeiter in Form der praktizierten Homosexualität einen Loyalitätsverstoß i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. d) GrOkathK n.F. dar.287 Die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wurde in den Katalog der schweren Loyalitätsverstöße gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. d) GrOkathK n.F aufgenommen und der Eingehung einer ungültigen Ehe gleichgestellt. Die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Zivilehe dürfte bereits unter Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) GrOkathK n.F. fallen, da die Kirchenrechtslehre homosexuell veranlagten Personen die zur Ehegültigkeit erforderliche Ehefähigkeit abspricht.288

Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG

Подняться наверх