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3. Die Chefarzt-Entscheidung a) Hintergrund

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Erneut war es das außerdienstliche Verhalten eines nordrhein-westfälischen Mediziners, das dem 2. Senat des BVerfG Gelegenheit gab, sich mit der arbeitsgerichtlichen Prüfungskompetenz in Bezug auf kündigungsrelevante Loyalitätsobliegenheiten zu befassen:

Seit dem Jahre 2000 war der Katholik „JQ“ als Chefarzt in einem unter Aufsicht des Erzbistums Köln stehenden Krankenhaus beschäftigt, das durch eine dem Bistum unterstehenden Kapitalgesellschaft („IR“) betrieben wurde. JQ ließ sich während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses Anfang 2008 von seiner Ehefrau zivilrechtlich scheiden. Die nach kanonischem Recht geschlossene Ehe wurde kirchenrechtlich allerdings nicht für nichtig erklärt. Nachdem JQ einige Zeit mit einer neuen Lebensgefährtin zusammengelebt hatte, was seinem Arbeitgeber bekannt war, heiratete er diese schließlich Mitte des Jahres 2008 standesamtlich. Als die Arbeitgeberin IR hiervon Anfang 2009 erfuhr, kündigte sie JQ daraufhin ordentlich das Arbeitsverhältnis. Die gegen diese Kündigung gerichtete Klage von JQ war in allen drei arbeitsgerichtlichen Instanzen erfolgreich.354 Das BAG wies die Revision der Arbeitgeberin IR mit Urteil vom 8. September 2011355 zurück und führte aus: Auch wenn der Loyalitätsverstoß der Wiederheirat dem Grunde nach eine Kündigung rechtfertige356, überwögen vorliegend die Grundrechte und Interessen des gekündigten Arbeitnehmers.357 Im Rahmen der Interessenabwägung stellte das Gericht fest, dass die bisherige Handhabung des kirchlichen Dienstgebers gegen die Notwendigkeit der Durchsetzung des sittlichen Loyalitätsanspruchs spreche.358 Erstens beschäftige das Krankenhaus auch nichtkatholische Chefärzte, sodass sie auf das Lebenszeugnis der katholischen Mitarbeiter weniger angewiesen sei.359 Zweitens habe sie mehrere wiederverheiratete Chefärzte in der Vergangenheit beschäftigt.360 Drittens habe die Dienststelle die nichteheliche Lebensgemeinschaft, die der Heirat vorangegangen war, gekannt und toleriert361, und viertens spreche für den Arzt der Schutz aus Art. 8 und Art. 12 EMRK sowie der Umstand, dass die Eheschließung nicht in feindlicher Gesinnung oder erkennbarer Ablehnung der Sittenlehre der Kirche erfolgt sei.362

Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG

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