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bb) Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten die zu einer Kündigung berechtigen (1) Bis zur Novellierung

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Die Kodifizierung der Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzung der in § 4 EKD-RL normierten Loyalitätsanforderungen ist an den Art. 5 GrOkathK a.F. angelehnt. § 5 EKD-RL a.F. differenzierte allerdings anders als die GrokathK nicht hinsichtlich der Konfession der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst.292

Gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EKD-RL a.F. war allerdings nur die außerordentliche Kündigung ultima ratio. Die ordentliche Kündigung erschien demgegenüber als „anderes“ bzw. „vorletztes Mittel“.293 Hinsichtlich der besonders schwerwiegenden Verstöße fasste sich die evangelische Kirche deutlich kürzer als die katholische und bediente sich eines weitgehend unbestimmten Tatbestands. Bei einer außerordentlichen Kündigung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EKD-RL a.F. musste ferner eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Absolute Kündigungsgründe kannte die EKD-RL damit bereits vor ihrer Reformierung nicht.

Der Austritt aus der evangelischen Kirche rechtfertigte den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung (§ 5 Abs. 2 Var. 2 EKD-RL a.F.), die allenfalls durch einen Wiedereintritt verhindert werden konnte.294 Daneben kam eine außerordentliche Kündigung bei grober „Missachtung der evangelischen Kirche“ und damit verbundener „Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes“ in Betracht (§ 5 Abs. 2 Var. 2 EKD-RL a.F.). Zwar mochte eine Beeinträchtigung der kirchlichen Glaubwürdigkeit durch nachweisebare negative Auswirkungen für die evangelische Kirche objektivierbar gewesen sein295, jedoch war der Tatbestand im Übrigen kaum greifbar und führte zu Rechtsunsicherheiten.296

Die Ehe ist aus evangelischer Sicht kein Sakrament.297 Die zivilrechtlich wirksame Wiederheirat konnte nicht ohne Weiteres unter die Norm subsumiert werden, da die evangelische Kirche die Wiederheirat von Geschiedenen unter bestimmten Bedingungen anerkennt.298 Die Wiederheirat wird bspw. in § 7 Kirchengesetz über die Ordnung der Trauung in der Evangelischen Kirche von Westfalen299 nicht als absolutes Hindernis einer erneuten Eheschließung gewertet.300 Auch hinsichtlich der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie der gleichgeschlechtlichen Ehe nimmt die evangelische Kirche mitunter eine wesentlich liberalere Haltung ein als die katholische Kirche.301 Einzelne Landeskirchen stellten die gleichgeschlechtliche Ehe homosexueller Paare der Trauung von Mann und Frau sogar bereits rechtlich als auch theologisch gleich.302 Demgemäß dürfte das Eingehen einer solchen Verbindung mithin nicht in allen Landeskirchen als pflichtwidriges Verhalten eingestuft werden können.

Soweit in § 5 Abs. 1 S. 1 EKD-RL bestimmt ist, dass der Anstellungsträger durch Beratung und Gespräch auf die Beseitigung des Anforderungsmangels des Mitarbeiters hinwirken „soll“, ist fraglich, ob es sich hierbei um eine zwingende Verfahrensvorschrift handelt, die sogar die Unwirksamkeit der getroffenen Maßnahme bewirken könnte.303 Wegen der „Soll“-Formulierung vertritt die Literatur überwiegend die Ansicht, das Unterlassen von Beratung und Gespräch habe keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme.304 Dafür spricht, dass die evangelische Kirche diese Formulierung in Kenntnis der katholischen Normierung wählte, die in der GrOkathK von 1993 das Wort „muß“ verwendete. Allerdings wird wegen der mit der Vorschrift verbundenen Rechtsunsicherheit die Durchführung eines Beratungsgesprächs vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung angeraten.305

Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG

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