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2 Das dominierende hattische Milieu der Religion in der althethitischen Zeit

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Bei der Entstehung des hethitischen Staats mit der Übernahme der hattischen Königsideologie kommt es zu einer dominierenden Rezeption hattischer Gottheiten in die Religion des neuen Staates bzw. in den »Staatskult«. Zugleich wurden Gottheiten des palaischen Gebiets teilweise in den hethitischen Kult aufgenommen, vielleicht auch bereits luwische religiöse Traditionen.19 Dabei ist für die Rekonstruktion der religiösen Vorstellungen im althethitischen Reich zu betonen, dass aus den hethitischen (und zahlenmäßig geringen hattischen) schriftlichen Quellen in erster Linie nur die »offizielle« Religion bzw. die Religion der mit der Herrschaft verbundenen Oberschicht zu erschließen ist. Ansatzweise lassen sich zwar auch lokale Traditionen, die nicht in den »überregionalen« Staatskult bzw. den Kult der Hauptstadt integriert wurden, ausfindig machen. Was jedoch außerhalb des Erschließbaren bleibt, sind – mangels aussagekräftiger Quellen – Informationen hinsichtlich der religiösen (Alltags-)Praktiken der »allgemeinen« Bevölkerung, auch wenn man – als argumentum e silentio – vermuten darf, dass die Götter des Staatskults oder lokaler Heiligtümer auch individuell verehrt wurden, jedoch wohl nicht unbedingt entsprechend den öffentlichen Hierarchien des Staatskults.

Bemerkenswert für die religiöse Situation ist dabei, dass trotz der politischen Dominanz der Hethiter über die hattische Bevölkerung in religiöser Hinsicht ein möglicherweise indoeuropäisches Erbe der (ursprünglichen) religiösen Vorstellungen der Hethiter nicht mehr sichtbar ist, d. h. offensichtlich haben die Hethiter diese Traditionen völlig zu Gunsten der Übernahmen aus dem hattischen Milieu aufgegeben.20 Am deutlichsten ist dieses Verschwinden indoeuropäischen Erbes im Zusammenhang mit Šiu (šiu-) zu sehen, wie der Anitta-Text zeigt. Denn šiu- ist in hethitischer Zeit nur noch ein Appellativum oder allgemeines Wort für »Gott«, nicht aber – aufgrund der Etymologie21 – ein Begriff für »Licht(-Gott)«. Es lebt zwar das ererbte Wort im Hethitischen weiter, nicht aber die ursprünglich damit verbundene Vorstellung. Ein weiteres Charakteristikum der Religion in althethitischer Zeit besteht darin, dass es – im Unterschied zu späteren Perioden – während dieser Zeit noch keinen Einfluss nordsyrischer oder mesopotamischer Traditionen in der religiösen Welt der Hethiter gibt,22 trotz bereits kurzfristiger militärischer Aktionen in diese Gebiete unter Ḫattušili I. und seinem Nachfolger Muršili I. Erst im 15. Jahrhundert beginnen solche außeranatolischen Einflüsse die religiösen Vorstellungen zu verändern.

Religionsgeschichte Anatoliens

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