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bb) Sachgründe für das Bild des homo oeconomicus als Arbeitsmodell
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Der Umstand, dass die Ökonomik an dem Bild des homo oeconomicus in vielen Bereichen weiter festhält, hat andere Gründe und – um eine Vermutung gleich auszuschließen – die Gründe liegen nicht in einem Mangel an Alternativen[98]: Bereits die klassischen Ökonomen um Adam Smith haben den Menschen weitaus differenzierter gesehen[99] und selbstverständlich haben auch die Wirtschaftswissenschaften das Bild des homo oeconomicus angereichert[100]. Die bekanntesten dieser komplexeren Menschenbilder sind die des resourceful evaluative maximizing man (REMM)[101] und das der Soziologie entlehnte Bild des socialized, roleplaying, socialy sanctioned man (SRSM)[102]. Das REMM-Modell baut zunächst auf dem Bild des homo oeconomicus auf. Menschen sind danach zwar weiterhin rational und abwägend (evaluative) und versuchen weiterhin ihre Ziele maximal zu erreichen (maximizing); zugleich wird aber in Rechnung gestellt, dass sie kreativ und unberechenbar (resourceful) sind. Der resourceful man maximiert daher nicht nur monetäre, sondern auch nicht-monetäre Güter wie etwa Prestige, Selbstverwirklichung oder Freiheit[103]. Nach dem SRSM-Modell wird der Mensch als Person verstanden, die die Rollen ausfüllt, in denen sie sozialisiert wurde, und bei der innere (dem Gewissen entspringende) und äußere Sanktionen dafür sorgen, dass ihr Verhalten von den mit den Rollen verbundenen Erwartungen nicht abweicht[104]. Der Zweck dieser Menschenbilder besteht darin, die Menschen in ihren über die rein physiologischen Grundbedürfnisse hinausgehenden Zusammenhängen zu erkennen, ihre bestimmende Handlungsmotivation zu erklären und die Wohlfahrtswirkungen alternativer institutioneller Regelungen abzuschätzen. Über diese angereicherten Bilder des homo oeconomicus hinaus hat die Betriebswirtschaftslehre ihren Teilbereichen – namentlich der Organisation, Planung, Steuerung sowie dem Informations- und Rechnungswesen – angepasste, spezifische Menschenbilder entwickelt[105].
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Die Ökonomik hält an dem einfachen Bild des homo oeconomicus vielmehr aus Sachgründen fest und findet ihre Bestätigung auch in den neueren, insbesondere entscheidungs- und spieltheoretischen[106] Forschungen: Die ökonomische Theorie ist in ihrem Grundanliegen keine normative Wissenschaft[107]. Die Ökonomik bemüht sich um die Erklärung und Gestaltung von Situationen, die durch gemeinsame und konfligierende Interessen gekennzeichnet sind. Hier kann dann alles menschliche Verhalten so betrachtet werden, als ob man es mit Akteuren zu tun hat, die allein darauf ausgerichtet sind, ihren Nutzen zu maximieren[108]. Der Handelnde sieht sich in diesen Situationen einem Gegenüber ausgesetzt, das potentiell seine konfligierenden Interessen durchzusetzen versucht, sodass die Handelnden in dieser Situation zur „präventiven Gegenausbeutung“ greifen, also strikt ihre Interessen verfolgen. Gerade diese sogenannten Dilemmastrukturen begründen also den homo oeconomicus als ökonomisches Menschenbild. Der homo oeconomicus dient damit methodisch präzise zur Analyse von Handlungssituationen und damit der Situationslogik[109]. Er ist ein Modell und soll als solches nur begrenzte, aber „hinreichend“ genaue Aussagen liefern[110].
Gerade die Annahme des eigennützigen und individualistisch handelnden Menschen führt überdies zu jener wundersamen Koordination der individuellen Wirtschaftspläne, die bereits von Adam Smith als die „unsichtbare Hand“ des Marktes bezeichnet wurde[111]. Es ist gerade das individuelle Streben nach Mehrung der eigenen Güter, das den Einzelnen zur Produktion handelbarer Waren unter Erzielung eines bestimmten Gewinns verführt und damit eine wechselseitige Koordination der individuellen Erwartungen bewirkt. Aus der daraus folgenden Vorstellung einer natürlichen Ordnung resultiert dann nicht nur die Forderung an den Staat, sich aus dem Wirtschaftsleben soweit als möglich herauszuhalten[112]. Die Forderungen lassen sich für die verschiedensten Wirtschaftsbereiche und Einrichtungen des Wirtschaftslebens konkretisieren und werden im Detail vor allem durch die Neue Institutionenökonomik formuliert[113].