Читать книгу Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts - Marco Mansdörfer - Страница 38
2. Konkretisierung des Ergiebigkeitsprinzips als Handlungsmaxime bei Unsicherheit (normative Entscheidungstheorie)
Оглавление74
Ausgangspunkt der notwendigen Ergänzung der Handlungsmaxime der Wirtschaftlichkeit um Entscheidungsmaximen bei Risiken und Unsicherheit ist wieder das Modell des homo oeconomicus. Eingangs wurde das (ökonomische) Menschenbild als allgemeine Vorstellung über den (ökonomischen) Menschentyp und seine Wesensmerkmale eingeführt und erklärt, dass der Erklärungsgehalt des ökonomischen Modells umso höher ist, je wirklichkeitsnäher das zugrunde liegende Menschenbild ist[177]. Der klassische homo oeconomicus verkörperte das idealtypische Menschenbild der klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie. Die Beschreibung des homo oeconomicus war auf diejenigen Wesenszüge begrenzt, die das wirtschaftliche Handeln betrafen. Der homo oeconomicus gibt sich ein widerspruchsfreies Zielsystem (ohne Zielkonflikte) und entscheidet unter vollkommener Information rational entsprechend dem Ergiebigkeitsprinzip.
75
Die moderne Wirtschaftstheorie nimmt dagegen komplexere Modelle – mit Ähnlichkeiten zu der von Heinen als Alternative zum Ergiebigkeitsprinzip entwickelten Nutzenfunktion – auf und modifiziert das strenge Menschenbild des homo oeconomicus für die wirklichkeitsnähere Situation. Danach müssen weder sämtliche Alternativen und deren Konsequenzen bekannt sein, noch muss ein geschlossenes, widerspruchsfreies System von Zielen, Wünschen und Motiven bestehen[178]. Funktional werden Produktions-, Investitions- und Konsumentscheidungen unterschieden; die je nach ihrem Bezugszeitraum in kurz-, mittel- und langfristige Entscheidungen unterteilt werden. In der Entscheidungshierarchie wird zwischen normativen, strategischen, taktischen und operativen Entscheidungen unterschieden, die je nach ihrer Reichweite für die Unternehmung konstitutiv und laufend getroffen werden müssen[179].
76
Entscheidungstheoretisch wird nach folgendem Muster vorgegangen: Am Beginn eines jeden Entscheidungsprozesses steht zunächst die Vereinbarkeit einer Tätigkeit mit den vorhandenen Budgetrestriktionen[180]. Die Entscheidungstheorie differenziert dann in einem nächsten Schritt zwischen sicheren, riskanten und unsicheren Entscheidungskonsequenzen. Die „Entscheidung unter Sicherheit“ entspricht dem traditionellen Bild des homo oeconomicus. Die bestehenden Alternativen und ihre Folgen werden als sicher bekannt vorausgesetzt und gewählt wird diejenige Alternative, die den größten Gewinn verspricht. Bei einer „Entscheidung unter Risiko“ sind zwar die Alternativen, aber nur die Wahrscheinlichkeiten ihrer Konsequenzen bekannt. Bereits für die Qualifikation einer Entscheidung als „sicher“, „riskant“ oder „unsicher“ müssen Informationen beschafft werden. Obwohl kaum jemals alle gegenwarts- und zukunftsbezogenen Informationen zur Verfügung stehen werden, hindert dies nicht daran, die vorhandenen Informationen zu nutzen, das heißt, zu konkretisieren und womöglich nach Eintrittswahrscheinlichkeiten zu quantifizieren[181]. Praktisch gebräuchlich ist dafür die sog. Szenariotechnik, die durch die Entscheidungstheorie strukturiert und weiterentwickelt wird[182]. Bei Entscheidungen unter Unsicherheit lassen sich nicht einmal solch subjektive Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen. Die Entscheidung hängt dann wesentlich von der Risikobereitschaft des Einzelnen ab, sodass er entweder im Fall der Risikoaversion tendenziell den maximal möglichen Verlust minimieren wird oder im Fall der Risikofreude die Alternative mit dem besten Ergebnis wählen wird[183].
77
Im Zentrum der Entscheidungstheorie stehen die „Entscheidungen bei Risiko“, da sie das am besten geeignete Modell darstellen, um betriebswirtschaftliche Fragestellungen operabel zu machen[184]. Der Fall der „sicheren“ Erwartung ist als Grenzfall der degenerierten Wahrscheinlichkeitsverteilung in der Entscheidung bei Risiko enthalten. Als das am meisten akzeptierte Entscheidungsprinzip für Risikosituationen gilt das Bernoulli-Prinzip, dem die Idee zugrunde liegt, aus bestimmten Annahmen über rationales Handeln ließe sich eine Nutzenfunktion ableiten[185]. Nach dem Bernoulli-Prinzip wird jedem Ergebnis ein Nutzen zugeordnet und nach dem Erwartungswert des Nutzens entschieden. Der Erwartungswert einer Handlungsalternative ergibt sich aus der Summe der Einzelnutzen multipliziert mit der für den Eintritt des Nutzens bestehenden Wahrscheinlichkeit. Letztlich wird dann diejenige Handlungsalternative gewählt, die den maximalen Erwartungswert des Nutzens herbeiführt[186].