Читать книгу Kinder, Kirche, Kuchenkrümel - Maria Lang - Страница 11
14. Januar, 16.05 Uhr
ОглавлениеHeute darf ich in Ruhe ausschlafen, während Georg die Kinder versorgt. Um halb acht stehe ich auf, dusche und bereite Frühstück für uns beide und Sara. Eine halbe Stunde haben wir Zeit, um ein wenig zu plaudern, bevor Georg seinen vollen Tag in Angriff nimmt und ich zu meinem Seelsorge-Termin fahre. Seit mehr als zehn Jahren bin ich bei Pater S. in geistlicher Begleitung. Es tut gut, jemanden zur Aussprache zu haben, dem ich nicht jedes Mal neu alles erklären muss, der die Zusammenhänge und Hintergründe schon kennt und mich so Schritt für Schritt anleiten kann, dem Willen Gottes in meinem Leben zu folgen. Ich schätze seine Nüchternheit und Weisheit sehr und habe schon eine Menge von ihm gelernt – über mich, über die Menschen allgemein und natürlich über Gott. Ich freue mich auf jeden meiner ca. alle zwei Monate stattfindenden Besuche bei ihm, denn es bedeutet, jedes mal wieder ein Stückchen weiterzukommen auf meinem Weg. Auch heute kann er mir ein wenig weiterhelfen und mir einige Fragen beantworten. Natürlich weiß auch er nicht auf alles eine Antwort, doch durch seine Lebenserfahrung und seine vielseitige Ausbildung hat er einfach schon ein wenig mehr Weitblick als ich. Ich bin dankbar, einen so besonnenen Ratgeber zu haben.
Nach dem Termin habe ich noch eine Stunde Logotherapie bei einer Therapeutin, die mich während der vergangenen drei Jahre begleitet und mir auch schon sehr geholfen hat. Damals war ich an einem Punkt angelangt, wo ich einerseits sehr mit Aggressionen, aber auch depressiven Phasen kämpfte. Ich merkte, dass ich damit nicht mehr fertig wurde und auch Georg nicht in der Lage war, mir weiterzuhelfen. Der eigentliche Anstoß, eine Therapie zu beginnen, waren meine Kinder. Denn ich wollte nicht, dass sie unter meiner Unausgeglichenheit weiter zu leiden hatten.
Im Lauf der Therapie arbeiteten wir verschiedenste Kapitel meiner persönlichen Geschichte auf, Traumata, die ich erlebt habe, falsch eingelernte Verhaltensmuster und einiges mehr. Ich merke, dass ich durch diese intensive Auseinandersetzung mit mir selbst langsam gelernt habe, wirklich erwachsen zu werden, Verantwortung zu übernehmen und mit mir und meiner Geschichte Frieden zu schließen. Auch wenn ich von meinem Naturell her immer noch eher aufbrausend und impulsiv bin, hat sich vieles in mir beruhigt. Nun bin ich am Ende meiner Therapie angelangt. Einen letzten Termin im Februar habe ich noch und danach bin ich »austherapiert«, sofern man so etwas überhaupt von jemandem sagen kann. An sich arbeiten kann und soll man ja, denke ich, ein Leben lang …
Ich hab sehr lange überlegt, ob ich diese doch sehr persönlichen Dinge wirklich mit in meine Aufzeichnungen nehmen soll. Denn auch wenn dies ein Tagebuch ist, möchte ich ja nicht jedes Detail meines Lebens in die Öffentlichkeit zerren. Psychotherapie in Anspruch zu nehmen ist heute nach wie vor mit vielen Vorurteilen behaftet. Doch ich denke, es ist ein Teil meines Lebens und ich möchte authentisch sein, deshalb gehört das einfach auch dazu.
Ich merke, dass diese Offenheit für mich zwar ein sehr großer Schritt war und einiges an Mut erforderte. Doch gleichzeitig erfahre ich nun eine Freiheit, die ich früher nie gekannt habe, als ich noch versuchte, vorzugeben, ich hätte mein Leben voll im Griff und alles sei paletti. Eine perfekte Fassade aufrechtzuerhalten, kostet auf die Dauer wesentlich mehr Energie, als einfach aufrichtig zu sein … Und die Ehrlichkeit mit mir selbst gibt mir auch die Möglichkeit, über meine Eigenheiten zu lachen! In manchen Dingen bin ich ja wirklich komisch … Welch befreiende Erfahrung – für mich, aber auch für meine Umgebung!