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9. Januar, 20.30 Uhr
ОглавлениеGeschafft! Unglaublich, aber ich habe diesen Tag überstanden. Es war wieder mal einer von diesen Tagen, die nie enden wollen und an denen einfach nichts gelingt.
6.20 Uhr: Benni weckt uns wieder mal zu früh auf, ich bleibe aus Protest noch ein wenig liegen. Georg geht’s noch schlechter als gestern und ich hab schlechte Laune. Ist es PMS? Nein, dafür ist es zu früh. Das wäre dann PPMS. Schlechte Ausrede. Ich bin angriffslustig und streite mit Georg, die Kinder machen natürlich alles nach und es folgen endlose Zankereien … Ich will gar nicht alles im Detail aufzählen. Das normale Chaos eben, nur dass ich mich bereits am Vormittag saft- und kraftlos fühle – und dazu noch sauer bin wie eine ausgequetschte Zitrone.
Am Nachmittag möchte ich mir mit einem Spaziergang ein wenig Energie verschaffen. Doch draußen ist es trüb und nebelig, matschig und kalt, so wenig einladend, dass niemand außer ein paar Hundebesitzern unterwegs ist. Irgendwie deprimiert marschiere ich trotzdem eine Stunde herum, froh, der Krankenhausatmosphäre und dem Kindergeschrei zuhause zu entkommen. Nach meiner Rückkehr koche ich – auf Wunsch meiner Männer nicht das geplante Sonntagshuhn, sondern Rindersteak. Gut, denke ich, soll mir nur recht sein. Das ist noch schneller zubereitet! Im Normalfall. Doch dies ist kein normaler Tag. Denn als ich es nach den bestellten drei Minuten serviere, ist es allen zu roh. »Das kann man ja nicht essen, Mama! Und die Kartoffel-Wedges sind auch noch nicht durch!« Also noch mal an den Herd, um mich von oben bis unten mit Fett bespritzen zu lassen. Ein wenig dankbarer könnten sie schon sein! Sara wirft währenddessen mit ihrem Plastik-Essgeschirr herum und hätte um ein Haar ein Glas vom Tisch gefegt.
Als endlich alle satt und zufrieden sind, steht Haareschneiden auf dem Programm. Ich möchte schließlich, dass meine Kinder am nächsten Tag zivilisiert aussehen, wenn die Schule und der Kindergarten wieder losgehen. Während ich Fritzis dickes Haar im ersten Stock mit dem Bartschneider stutze, hören wir von unten plötzlich lautes Gepolter, gefolgt von Saras durchdringendem Geschrei. Oje, was ist jetzt schon wieder passiert?
Ich stolpere die Treppe hinunter, falle fast über ein paar unaufgeräumte Spielsachen und sehe erleichtert, dass Sara noch in ihrem Hochsitz angeschnallt ist. Sie ist nicht umgefallen, sondern hat den neben ihr stehenden Stuhl umgeworfen. Das hat sie so erschreckt, dass sie nun herzzerreißend weint … Schnell nehme ich sie auf den Arm, beruhige sie und setze sie in ihren Laufstall im Kinderzimmer. Da kann garantiert nichts passieren.
Nachdem Fritz »geschoren« ist, kommt Benni an die Reihe. Er ist ein wenig zimperlich beim Haareschneiden, weil ich ihn schon mal versehentlich mit der Schere gezwickt habe. Doch wir bringen es ohne Zwischenfälle hinter uns. Nun schnell ab in die Badewanne, denn ich möchte noch rechtzeitig zum Abendgottesdienst kommen! Welch ein Stress, wenn man das alles allein machen muss! Sara stecke ich auch noch schnell mit in die Wanne, sie protestiert, als sie schon nach ein paar Minuten wieder raus muss. Schnell in den Schlafsack gepackt, Milchfläschchen gewärmt, ab ins Bett.
Die Buben dürfen mit Papa noch eine Runde Karten spielen, aber ich muss dafür sorgen, dass sonst alles in Ordnung ist. »Also ruckzuck raus aus der Wanne, spritzt nicht so herum, hört auf zu rangeln, Pyjamas anziehen!« Wieder mal spiele ich dieselbe Leier wie an so vielen bisherigen Abenden …
Ich bin schon spät dran, darum lasse ich das Chaos in der Küche zurück mit der Gewissheit, dass niemand das für mich erledigen wird, bis ich in etwa einer Stunde wieder zurückkomme.
Im Gottesdienst komme ich zum ersten Mal heute wirklich zum Verschnaufen. Bin ich müde! Mich würde es nicht wundern, wenn mir irgendjemand sagen würde: Maria, was ist passiert? Du siehst heute mindestens um zehn Jahre älter aus!
Ausgepowert, ja, das bin ich. Und nun versuche ich, die Tankstelle Gott anzuzapfen, um wieder ein wenig auf die Reihe zu kommen. Gott, bitte, schenk mir Kraft!
Wieder zuhause, schicke ich erstmal die Jungs ins Bett. Sie durften mit Georg noch Skispringen schauen, doch jetzt ist es höchste Zeit zu gehen. Maulend trollen sie sich.
Beim Anblick des Esstisches würde ich auch am liebsten herummaulen. So was Ödes. Jeden Tag dasselbe. Immer diese Sisyphus-Arbeit. Undankbarer Job. Wenigstens muss ich nicht alles von Hand abwaschen, sondern kann es dem geduldigen Geschirrspüler in den Rachen stopfen. Und dann jedes Mal diese Sauerei unter dem Tisch. Das darf doch nicht wahr sein, von den vielen Krümeln könnte ich ein kleines Schwein ernähren! Oh nein, nur ja keine Haustiere! Das fehlte mir gerade noch …
Murrend erledige ich meine Arbeit und besuche dann noch meinen armen Gatten, der gerade dabei ist, unseren Wochen- und Monatsplan auszudrucken. Ich solle nicht so sauer gucken, meint er. Wie jedes Wochenende nehmen wir uns Zeit für eine genaue Besprechung aller Termine der kommenden Woche und klären, wer wofür zuständig ist. Also, ich wäre, ehrlich gesagt, reif für ein Wochenende oder einen Feiertag … Aber erbarmungslos wie das Leben so ist, wird der Montagmorgen kommen und vollen Einsatz von mir fordern.
Als ich mich endlich auf die Couch fallen lasse, um meinen Feierabend auszukosten, kommt mir ein glorreicher Gedanke: Ja, das ist es, was ich jetzt brauche! Bergsteigerfutter! Schnell sause ich in die Küche und bereite mir eine Schüssel meines Lieblings-Kraftfutters zu, das auf meinen Bergtouren niemals fehlen darf: Mandeln (fürs Gehirn), Rosinen (Mineralstoffe), Smarties (Energie und Endorphine) und getrocknete Preiselbeeren (Vitamine). Das ist die perfekte Mischung für ausgelaugte Muttis! Und während ich diesen bereits sehr ausführlichen Tagesbericht in den Computer klopfe und die Schüssel leere, merke ich, wie meine Kraft zurückkommt. Erinnerungen an vergangene Bergabenteuer werden wach, das Herz der Kämpferin kommt wieder zum Vorschein. Was habe ich bisher schon alles überstanden! Ein verpatzter Sonntag kann mich da nur einen Lacher kosten! So, und jetzt gehe ich und gebe meinem Mann mal einen ordentlichen Kuss …