Читать книгу Näher als du denkst - Ein Schweden-Krimi - Mari Jungstedt - Страница 10

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Er fuhr mit dem Bus in die Stadt. Der Fahrer war so nett, ihn gratis mitzunehmen, obwohl Henry sich einen Fahrschein nun doch wirklich hätte leisten können. Beim Östercentrum stieg er aus. In der Luft hing Regen, und draußen war es dunkel und ziemlich menschenleer. Die meisten Läden hatten schon geschlossen.

Auf einer der Bänke bei »Alis Grillkiosk« saß Bengan mit diesem Örjan, der neu vom Festland gekommen war. Ein unangenehmer Typ; blass, mit dunklen, nach hinten gekämmten Haaren und stechendem Blick und mit einem Bizeps, der keinen Zweifel daran ließ, wie er sich bis zu seiner kürzlich erfolgten Entlassung im Knast die Zeit vertrieben hatte. Er hatte angeblich wegen schwerer Körperverletzung gesessen. Sein Brustkorb war mit Tätowierungen bedeckt, die unter seinem verdreckten Hemdkragen hervorschauten. Henry fühlte sich in Örjans Gegenwart alles andere als wohl, und die Sache wurde auch nicht besser dadurch, dass Örjan immer seinen knurrenden Kampfhund bei sich hatte. Weiß mit roten Augen und viereckiger Schnauze. Hässlich wie die Sünde. Örjan protzte damit, dass der Hund im Stadtteil Östermalm mitten in Stockholm einen Zwergpudel totgebissen hatte. Die kackvornehme Oberklassenkuh, der die Töle gehört hatte, war durchgedreht und hatte Örjan mit ihrem Regenschirm geschlagen, schließlich war die Polizei aufgetaucht und hatte sich ihrer angenommen. Örjan war mit der Mahnung davongekommen, sich eine kräftigere Leine zuzulegen. Sogar das Fernsehen hatte von diesem Zwischenfall berichtet.

Als Henry sich näherte, stieß der Hund zu Örjans Füßen ein dumpfes Knurren aus. Bengan grüßte mit einem verwackelten Winken. Der Freund war reichlich zugedröhnt, das war schon von weitem zu sehen.

»Na, wie sieht’s aus? Noch mal einen Herzlichen, meine Fresse, scheißtoll.«

Bengan richtete seinen trüben Blick auf den Freund.

»Danke.«

Örjan zog eine Plastikflasche mit farblosem, unidentifizierbarem Inhalt hervor.

»Einen Schluck?«

»Aber sicher.«

Der Fusel roch scharf. Nach einigen tiefen Zügen zitterten Henrys Hände nicht mehr.

»Kommt doch gut, so ein Schluck, was?«

Örjan stellte diese Frage, ohne dabei zu lächeln.

»Absolut«, sagte Henry und setzte sich neben die beiden anderen auf die Bank.

»Und wie geht’s selbst?«

»Na ja, Kopf oben und Füße unten eben«, antwortete Örjan obenhin.

Bengan beugte sich zu Henry hinüber und pustete ihm ins Ohr.

»Verdammt, hömma, die ganze Kohle«, zischte er. »Dolle Kiste. Hassu denn damit vor?«

»Keine Ahnung.«

Henry schaute kurz zu Örjan hinüber, der sich eine Zigarette anzündete und in den Anblick des Stadtteils Östergravar vertieft war. Er schien nicht zugehört zu haben.

»Darüber reden wir später«, flüsterte Henry. »Und halt die Klappe, was die Kohle angeht, davon soll niemand etwas wissen. Okay?«

»Alles klar«, versprach Bengan. »Selbstverständlich, Kumpel.«

Er klopfte Henry auf die Schulter und wandte sich wieder Örjan zu.

»Schmeiß mal ’nen Schluck rüber.«

Dann riss er die Flasche an sich.

»Jetzt übertreib mal nicht, Mann. Piano.«

Typisch Örjan, dachte Henry. Der redet immer so komisch. Wieso denn Piano?

Er wollte nun nur noch den Schnaps haben und dann weg hier.

»Habt ihr was zu verkaufen?«

Örjan wühlte in einer abgenutzten Reisetasche aus Kunstleder. Schließlich zog er eine Plastikflasche voll Schwarzgebranntem heraus.

»Fünfzig Ecken. Aber du kannst vielleicht ein bisschen drauflegen?«

»Ne. Ich hab bloß einen Fuffziger.«

Henry zog den Schein hervor und packte die Flasche. Örjan wollte sie jedoch noch nicht loslassen.

»Sicher?«

»Japp.«

»Und was, wenn ich dir nicht glaube? Was, wenn ich glaube, dass du mehr hast und einfach nicht mehr blechen willst?«

»Zum Teufel, red keinen Scheiß!«

Henry riss die Flasche an sich und sprang gleichzeitig auf. Örjan grinste spöttisch.

»Kannst du nicht mal einen kleinen Spaß vertragen?«

»Ich muss jetzt los. Also, bis dann.«

Henry ging zur Bushaltestelle, ohne sich noch einmal umzusehen. Örjans Blicke bohrten sich wie Nadelstiche in seinen Rücken.

Näher als du denkst - Ein Schweden-Krimi

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