Читать книгу Näher als du denkst - Ein Schweden-Krimi - Mari Jungstedt - Страница 15
ОглавлениеEr stand inzwischen sicher schon fünf Minuten vor der Tür und drückte immer wieder auf die Klingel. So verdammt tief konnte Blitz doch wohl nicht schlafen? Jetzt nahm er den Finger überhaupt nicht mehr von dem blanken Knopf, aber aus der Wohnung war nichts zu hören.
Er bückte sich mit einer gewissen Mühe und rief durch den Briefschlitz: »Blitz! Blitz! Aufmachen, zum Teufel!«
Seufzend lehnte er sich an die Tür und steckte sich eine Zigarette an, obwohl er wusste, dass die Nachbarin darüber meckern würde, wenn sie zufällig vorbeikäme.
Es war fast eine Woche her, dass er Blitz beim Östercentrum getroffen hatte, und seither hatte der sich nicht mehr blicken lassen. Was ihm überhaupt nicht ähnlich sah. Sie hätten sich auf jeden Fall bei der Bushaltestelle oder vor dem Supermarkt über den Weg laufen müssen.
Er zog ein letztes Mal an der Zigarette und klingelte bei der Nachbarin.
»Wer ist da?«, fragte eine piepsige Stimme.
»Ich bin ein Kumpel von Blitz ... von Herrn Dahlström von nebenan. Ich hätte da mal eine Frage.«
Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und die Oma lugte über eine dicke Sicherheitskette.
»Was ist los?«
»Haben Sie Henry in letzter Zeit gesehen?«
»Ist etwas passiert?«
Ein neugieriges Funkeln trat in ihre Augen.
»Nein, nein, das glaube ich nicht. Ich wüsste nur gern, wo er ist.«
»Ich habe seit diesem Radau am letzten Wochenende keinen Mucks mehr gehört. Da war ein grauenhafter Lärm. Ja, Sie haben sicher gezecht, wie üblich«, sagte sie schnippisch und blickte ihn anklagend an.
»Wissen Sie, ob irgendwer einen Schlüssel zu seiner Wohnung hat?«
»Der Hausmeister hat Schlüssel für alle. Er wohnt im Aufgang gegenüber. Fragen Sie ihn doch einfach. Er heißt Andersson.«
Als er mithilfe des Hausmeisters die Wohnung betreten konnte, empfing sie ein Chaos aus herausgezogenen Schubladen, Schränken, aus denen der Inhalt gerissen worden war, und umgekippten Möbeln. Papiere, Bücher, Kleidungsstücke und allerlei andere Gegenstände lagen wild durcheinander. In der Küche fanden sie Essensreste, Kippen, Schnapsflaschen und anderen Abfall auf dem Boden. Es stank nach altem Bier, kaltem Zigarettenrauch und Bratfisch. Irgendwer hatte mit Sofakissen und Bettwäsche um sich geworfen.
Die beiden Männer blieben mitten im Wohnzimmer stehen und glotzten verblüfft.
Nur stoßweise konnte der Hausmeister Andersson sagen: »Was zum Teufel ist denn hier passiert?«
Er riss die Balkontür auf und schaute hinaus.
»Da ist er auch nicht. Vielleicht ist er in seiner Dunkelkammer.«
Sie gingen die Treppe zum Keller hinunter. An der einen Seite des leeren Ganges lag eine Tür neben der anderen, beschildert mit Aufschriften wie »Waschküche«, »Kinderwagen«, »Räder«. In der Mitte befanden sich normale Kellerräume mit Türen aus Maschendraht. Ganz hinten kam eine Tür ohne Schild.
Der Gestank hätte sie fast umgeworfen. Aus der Dunkelkammer drang eine Fäule, bei der sich ihnen der Magen umdrehte.
Andersson machte Licht, und ihnen bot sich ein entsetzlicher Anblick. Auf dem Boden lag Henry Dahlström in seinem Blut. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bauch. Sein Hinterkopf war zertrümmert und zeigte eine offene Wunde von der Größe einer Faust. Das Blut hatte die Wände und sogar die Decke bespritzt. Dahlströms ausgestreckte Arme waren von kleinen braunen Blasen übersät. Seine Jeans wies hinten braune Flecken auf, als habe er sich in die Hose gemacht.
Andersson wich in den Gang zurück.
»Muss die Polizei anrufen«, jammerte er. »Hast du ein Handy? Ich hab meins oben vergessen.«
Als Antwort erhielt er nur ein Kopfschütteln.
»Warte so lange hier. Und lass niemanden rein.«
Der Hausmeister drehte sich um und lief die Treppen hoch.
Als er zurückkam, war Henrys Bekannter verschwunden.