Читать книгу Näher als du denkst - Ein Schweden-Krimi - Mari Jungstedt - Страница 12

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Fanny musterte sich im Spiegel und zog den Kamm durch ihr glänzendes Haar. Ihre Augen waren dunkelbraun, ebenso wie ihre Haut. Schwedische Mutter und westindischer Vater. Mulattin, aber ohne eine Spur vom typisch afrikanischen Aussehen. Ihre Nase war klein und gerade, die Lippen schmal. Ihr rabenschwarzes Haar reichte bis zur Taille. Manchmal wurde sie für eine Inderin oder Nordafrikanerin gehalten, dann wieder wurde auf Marokko oder Algerien getippt.

Sie kam gerade aus der Dusche und trug nur eine Unterhose und ein weites T-Shirt. Sie hatte sich mit einer harten Bürste abgeschrubbt, die sie im Kaufhaus Åhlén gekauft hatte. Solche Bürsten rauten die Haut auf und ließen sie rot werden. Ihre Mutter hatte wissen wollen, warum Fanny sie angeschafft hatte.

»Um mich damit zu waschen. Dann wird man viel sauberer. Außerdem ist es gut für die Haut«, hatte Fanny geantwortet und erklärt, dass der Pferdegeruch sich sonst festsetze. Die Dusche war zu ihrer besten Freundin geworden.

Fanny drehte sich zur Seite und musterte ihren schmächtigen Körper im Profil. Ihre Schultern hingen herunter; wenn sie den Rücken geradehielt, ragten ihre Brüste hervor und waren noch deutlicher zu sehen. Deshalb hielt sie sich immer leicht gebückt. Sie war früh entwickelt. Hatte schon in der vierten Klasse einen Busen bekommen. Anfangs hatte sie sich alle Mühe gegeben, ihn zu verbergen. Weite Pullover waren eine gute Hilfe gewesen.

Am schlimmsten war es beim Sport. Trotz Sport-BH, der die Brüste flach drückte, waren sie beim Laufen und Springen doch zu sehen. Fanny fand die Veränderung ihres Körpers schrecklich. Warum entwickelte der sich so widerlich, nur weil er erwachsen wurde? Die Haare in den Achselhöhlen rasierte sie weg, sowie auch nur millimeterlange Stoppeln zu sehen waren. Aber noch viel schlimmer war ihr Unterleib. Das Blut, das jeden Monat ihre Unterhosen und die Bettwäsche besudelte, wenn sie nachts zu stark menstruierte. Sie verabscheute ihren Körper.

Zudem machte ihre Hautfarbe die Sache nicht besser. Sie wollte aussehen wie alle anderen. In ihre Klasse gingen drei Kinder mit dunklem Teint. Die beiden anderen waren Zwillinge, die immerhin einander hatten. Zwei Jungen aus Brasilien, von schwedischen Eltern adoptiert und die besten Fußballspieler der Schule. Sie galten als aggressiv und unschlagbar, denn sie sahen aus wie Real Madrids Roberto Carlos. Für sie war ihre Hautfarbe ein Pluspunkt. Fanny dagegen wollte nicht auffallen.

Sie sehnte sich danach, einer Clique anzugehören, so wie alle anderen. Leute zu haben, denen sie sich anvertrauen konnte. In der Schule achtete niemand mehr richtig auf sie. Sie ging allein dort hin und allein nach Hause zurück. Ihr war klar, dass es ihre eigene Schuld war. Als sie nach der Grundschule in die siebte Klasse gekommen waren, hatten die anderen sie manchmal eingeladen, nach dem Unterricht gemeinsam etwas zu unternehmen. Fanny lehnte immer ab. Nicht, weil sie nicht mit den anderen zusammen sein wollte, sondern, weil sie in aller Eile einkaufen und daheim so viel erledigen musste. Eine Freundin mit nach Hause zu nehmen, daran war nicht zu denken. Das Risiko, vor einer unaufgeräumten, zugeräucherten Wohnung mit heruntergelassenen Rollos zu stehen, in der nicht einmal der Frühstückstisch abgeräumt war, erschien Fanny zu groß. Sie wollte nicht auf eine deprimierte Mutter mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem Weinglas in der Hand stoßen. Nein, danke, das wollte sie weder sich noch irgendeiner Freundin zumuten. Es würde sonst nur Gerede geben und schrecklich peinlich sein. Das brauchte Fanny nun wirklich nicht auch noch.

Deshalb blieb sie allein. Die anderen verloren schließlich die Lust, sie einzuladen, und am Ende machten sie sich nicht einmal mehr die Mühe, mit ihr zu reden. Fanny schien überhaupt nicht mehr zu existieren.

Näher als du denkst - Ein Schweden-Krimi

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