Читать книгу Ein Krokodil für Zagreb - Marina Achenbach - Страница 11
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ОглавлениеDer Vater durchtrennt ihre Nabelschnur. Am 17. April 1917, im Revolutionsjahr. Auch Bosnien bäumt sich auf in diesem dritten Kriegsjahr. Vorbei am Haus der Majstorović’s ziehen Bauern hinab ins Zentrum der Stadt, aus ihren Bergen, von denen aus sie die spitzen Minarette und die schweren Glockentürme der Kirchen von Sarajevo sehen. Eine dunkle, vorandrängende Menge nimmt die Straßenbreite ganz ein. Dem Strom drängt sich der Vater entgegen, der aus seiner Kanzlei kommt, er teilt ihn und schaut in die Gesichter, vielleicht erkennt er einen seiner bäuerlichen Klienten. Erreicht den Nebeneingang seines Gartens, lehnt sich ans rostige Tor, das unbenutzte. Oben im Fenster beobachtet ihn seine schwangere Frau, und plötzlich sieht sie, wie er mit dem ganzen Gittertor nach hinten stürzt und hilflos auf dem Rücken liegt. Die hinabziehende Menge stockt, verknäult sich, was ist passiert, etwa Gewalt gegen ihn, den beliebten Rechtsanwalt? In diesem Augenblick spürt die Mutter, dass das Baby aus ihrem Leib gleitet. Es stürzt sich wie in einem großen Ausatmen hinaus.
Die Mutter kauert sich auf den Teppich, ruft nach Tereza, ruft die anderen Namen der im Haus Beschäftigten, niemand hört sie. Alle sind von der nie gesehenen Protestflut aus den Bergen aufgesogen. Die Mutter begreift, dass sie allein im Haus ist, sie zieht das Neugeborene in seinem Schleim auf ihren Bauch, reicht mit einem Arm bis zu einem Plaid, holt es herunter und hält damit das Kind und sich warm. Gefasst, wie es ihre Art ist, wartet sie. Es ist der siebte Monat der Schwangerschaft und ihr drittes Kind.
So findet sie der Vater. Er durchschneidet die Nabelschnur, nimmt die winzige Tochter mit den feinen Knöchelchen in seine beiden Hände, ihn überwältigt eine ungeahnte Zärtlichkeit.