Читать книгу Ein Krokodil für Zagreb - Marina Achenbach - Страница 12

8

Оглавление

Sie geht die Treppen hinunter, Schritt für Schritt, es ist still im Haus, das Treppengeländer glänzt dunkel. Sie drückt die Tür zur Küche auf. Ein Sonnenstreifen trifft sie in die Augen. Die Köchin Tereza dreht sich zu ihr um. Sekas Augen leuchten dunkelgelb, mit verstreuten grünen und schwarzen Punkten. Gibt es ein Tier, das solche Augen hat? Tereza wartet, bis sich die eigenartige Tochter des Hauses auf das breite Fensterbrett hockt und ihr geduldig beim Kochen zuschaut, obwohl sie fast nichts isst und Speisen ihr gleichgültig sind. Sie weiß, dass die Mutter diese Küchenbesuche nicht schätzt, dass ihr auch die knochigen Knie ihres Kindes missfallen, die Blässe und die unbewegte Miene, die sie für aufsässig hält. Tereza weiß alles im Haus, unausgesprochen ist sie die Vertraute ihrer Patronin. Doch wenn es um die kleine Seka geht, fügt sie sich nicht ihrer herrischen Laune.

Tereza knetet einen weißen Teig, sie drückt ihn rhythmisch, lässt das Gewicht ihres Rückens, ihrer Brust bis in die großen Hände sinken. Den Teig schlägt sie in ein frisch gewaschenes Tuch ein, legt ihn auf ein Brett. Sie nimmt ihr Messer, mit dem ihr alles gelingt. Niemand sonst darf damit etwas schneiden. Vor langer Zeit hat sie es einem Händler aus dem Kosovo abgekauft, auf der Klinge sind die Schmiedespuren eingedrückt. Das Messer schärft sie kurz an der Unterseite einer Tonschale und beginnt, Gemüse zu putzen. »Ja, meine Sekica, die richtige Reihenfolge ist beim Kochen die größte Kunst. Darin liegt das Geheimnis. Alles hat eine eigene Zeit, um gar zu werden. Wer diese Zeiten kennt, ist der Meister.« Ein Küchenmädchen schiebt Holz in den gemauerten Herd. Tereza holt einen schwarzen Topf aus Eisen für das Fleisch von der Wand herunter. »Nur dir erzähle ich das alles, mein Herz, srce moje sladko, du verleitest mich, meine Geheimnisse zu verraten«, sagt sie, und der im Fenster hockenden Seka gleitet ein Zärtlichkeitsschauer die Wirbelsäule hinunter.

Aus der Küche führt eine Tür in den Garten, durch sie springt Slavica herein, Terezas unbändige Tochter. Mit ihrem ganzen Körper drückt sie sich an die Mutter. Beide wohnen im kleinen Haus im Garten. Ein Vater ist nie zu sehen, mit dieser Mutter wie ein Berg ist ein Vater entbehrlich. Die Mädchen nicken sich höflich zu wie zwei Erwachsene. Sie sind im selben Jahr geboren und sind nah und vertraut, wenn sie allein im Garten spielen, der sich den Abhang hinunter bis fast ans Zentrum von Sarajevo streckt. Sie schleichen durch Büsche, die dicht und starr stehen wie ein Dschungel, kriechen durch den Zaun zur gutmütigen Wäscherin nebenan, die sie immer bei den Bottichen und Wäscheleinen finden. Doch die Mädchen sind zwei Ungleiche: Slavica steht unter dem Schutz ihrer mächtigen Mutter und verteidigt diesen Platz, Seka ist ohne solche Geborgenheit. Tereza sieht den frühen Kummer und weiß, dass sie ihn den Kindern nicht ersparen kann.

Ein Krokodil für Zagreb

Подняться наверх