Читать книгу Ein Krokodil für Zagreb - Marina Achenbach - Страница 9
5
ОглавлениеDer Riss. Neben mir liegt ein Mädchen aus Afrika, ihre große Familie sitzt um das Bett. Sie beten und reden in ihrer weichen Sprache und erklären mir behutsam: Es ist hier die Neurologische Abteilung im Virchow Klinikum.
Das Mädchen kommt aus dem Kongo, ihr Vater war Präsident einer Region. Seine Gegner haben die Familie überfallen, die dicke Mutter hat sich in einem rasenden Furor den Angreifern entgegengeworfen und die Kinder gerettet. Der Präsident ist mit seiner Familie geflüchtet, bei der Ankunft am Flughafen Orly ist die Tochter ins Koma gefallen. Ihr sind Rückfälle geblieben.
Wie die Zeit hier nichtig verrinnt – Blutabnahmen – in Röhren geschoben – Knistern und Brummen im Schädel. Die liebe Familie W’Otepa mit ihren Gebeten.
Andreas öffnet die Tür zum Klinikzimmer, das erschrockene Bruder-Gesicht, da ist er zugleich Ado und Seka, über die ich im Erzähl-Café gesprochen hatte.
Was hat mich stocken lassen? Kein Hirnschlag, dieser Verdacht über Stunden. Der Körper hat das Denken gekappt und mich in den Dämmerzustand versetzt, bis auf wenige Erinnerungsinseln. Trage ich unerkannt etwas in mir? Am Meer könnte ich es finden, mit dem Finger in den Sand schreiben, der Wind nimmt’s mit. Ich glätte die Stelle und schreibe immer weiter. Was ich schreibe, fliegt weg. Doch es soll unversehens zu mir zurückkommen, auf fast durchsichtigen Blättern, noch lesbar.