Читать книгу Ein Krokodil für Zagreb - Marina Achenbach - Страница 20
16
ОглавлениеIm Klinikhof wächst ein Quittenbaum, dort, wo die Ziegelmauern die frühe Wärme halten, er blüht schon im April, seine Zweige stoßen leicht an die Scheiben. Seka sieht am Morgen die weißen Blüten vor dem hellblauen Zagreber Himmel schwanken, sie liegt in blendenden Laken, das Kind neben ihr, der kleine Kopf mit einem schwarzen Haarschopf in ihrer Achselhöhle. Ein Mädchen, hatte ihr die Hebamme zugerufen, und Seka hatte die Abendglocken läuten gehört, nicht endend zum Gründonnerstag. Obwohl ihr die Frömmigkeit abhanden gekommen ist, trägt sie die biblischen Bilder aus ihren klösterlichen Schuljahren in Sarajevo in sich, sieht den schönen Tisch voller Schüsseln und Krüge, um den Jesus und die Jünger sitzen, und sie nimmt es als ein Zeichen, dass sie ihr Kind zum mythischen Abendmahl auf die Welt gebracht hat.
Jetzt am Morgen steht Ado am Bettende, streichelt ihre Füße, lässt keinen Blick vom atmenden Wesen neben ihr. Mit ihm ist sie nun endgültig verbunden, mit dem Heimatlosen, dem nicht Vorhergesehenen, nicht Erwarteten, dem Nicht-ganz-Begriffenen. Und Ado sieht sie so jung und stark, sie liegt nach den stundenlangen Wehen gelassen im frühen Licht vor ihm. Er öffnet das Fenster, Blütenblätter treiben herein. Quittenblüten, Dunja-Blüten. »Geben wir ihr doch als zweiten Namen Dunja, die Quitte, die zu ihrer Geburt blüht.«
Als Ado am Abend aus der Stadt zu Seka kommt, ist er verfinstert. An diesem Karfreitag hat Mussolini die italienische Flotte über die Adria geschickt, um Albanien zu unterwerfen. Wieder ein drohendes Vorzeichen des großen Kriegs, auf den die Faschisten zusteuern. Die Brände flackern schon an weit verstreuten Orten, nun in Jugoslawiens Nachbarland. Ado und Seka geben ihrem Kind noch einen dritten Namen, Irena, Frieden.