Читать книгу Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон - Страница 38
XXIII.
Оглавление82. So äußerte sich der sterbende Cyrus. Laßt uns nun, wenn es beliebt, einen Blick auf unsere Geschichte thun. Niemand wird mich, mein Scipio, je überzeugen, daß dein Vater Paullus 222 oder deine beiden Großväter Paullus und Africanus 223 oder des Africanus 224 Vater oder Oheim oder viele andere ausgezeichnete Männer, die aufzuzählen nicht nöthig ist, so große Dinge unternommen hätten, die mit dem Andenken der Nachwelt in Beziehung stehen, wenn sie nicht in ihrem Geiste erkannt hätten, daß die Nachwelt mit ihnen in Beziehung stehe. Oder meinst du, – um auch von meiner Person nach Art alter Leute Etwas ruhmredig zu sagen, – ich würde so große Mühen bei Tage und bei Nacht im Frieden und im Kriege übernommen haben, wenn ich meinen Ruhm durch dieselben Gränzen, wie mein Leben, hätte beschränken wollen? Wäre es alsdann nicht ungleich besser gewesen mein Leben in Muße und Ruhe ohne alle Mühe und Anstrengung hinzubringen? Aber mein Geist, der sich, ich weiß selbst nicht wie, emporrichtete, blickte immer so auf die Nachwelt hin, als ob er dann erst leben würde, wenn er aus dem Leben herausgetreten wäre. Verhielte es sich nicht so, daß die Seelen unsterblich seien; so würden nicht die Seelen gerade der Edelsten am Meisten nach dem Ruhme der Unsterblichkeit 225 streben. 83. Wie? daß gerade die Weisesten mit der größten Gemüthsruhe, die Thörichtesten mit dem größten Unmuthe sterben, scheint euch darin nicht ein Beweis zu liegen, daß der Geist, der mehr und weiter sieht, erkennt, er gehe zu einem besseren Leben über, während derjenige, dessen Blick minder scharf ist, es nicht erkennt? Ich wenigstens fühle mich von dem Verlangen gehoben euere Väter, die ich verehrt und geliebt habe, zu sehen. Aber ich wünsche nicht allein mit denen zusammenzukommen, die ich selbst kannte, sondern auch mit denen, von denen ich gehört, gelesen und selbst geschrieben habe. Und wenn ich mich auf dem Wege dahin befände, so dürfte mich wahrlich nicht leicht Jemand davon zurückbringen, noch wie den Pelias wieder aufkochen 226. Und wollte es mir die Gottheit verleihen aus diesem Alter in die Kindheit zurückzukehren und in der Wiege zu wimmern, so würde ich mich dessen weigern, und ich würde in Wahrheit nicht wünschen gleichsam nach durchlaufener Bahn vom Ziele wieder zu den Schranken 227 zurückgerufen zu werden.
84. Denn was hat das Leben für Annehmlichkeiten? was hat es nicht vielmehr für Mühseligkeiten? Aber mag es immerhin jene haben, so hat es doch gewiß auch seine Sättigung oder sein Maß. Denn ich habe keine Lust das Leben zu bejammern, wie es viele und zwar gelehrte Männer oft gethan haben; auch gereut es mich nicht gelebt zu haben, weil ich so gelebt habe, daß ich nicht umsonst geboren zu sein meine, und ich scheide so aus dem Leben wie aus einem Gasthause, nicht wie aus einem Wohnhause. Denn zum Verweilen hat uns die Natur eine Einkehr gegeben, nicht zum Wohnen. O des herrlichen Tages, an dem ich zu jener göttlichen Versammlung und Zusammenkunft der Geister gehen und aus diesem Gewühle und Gewirre scheiden werde. Denn ich werde nicht allein zu den Männern kommen, von denen ich zuvor sprach, sondern auch zu meinem Cato 228, dem edelsten, dem durch kindliche Liebe ausgezeichnetsten Manne, der je geboren ward, dessen Leichnam ich verbrannte, während er dem meinigen diesen Dienst hätte erweisen sollen. Sein Geist aber, der mich nicht verläßt. sondern nach mir zurückschaut, ist unstreitig in jene Räume hingegangen, wohin ich gleichfalls, wie er wußte, kommen muß. Diesen meinen Unfall sah man mich standhaft ertragen, nicht als ob ich ihn mit Gleichgültigkeit ertragen hätte, sondern ich tröstete mich selbst mit dem Gedanken, daß die Trennung und Scheidung zwischen uns von nicht langer Dauer sein werde.
85. Solche Vorstellungen, mein Scipio, – das war es ja, was du, wie du sagtest 229, mit Lälius zu bewundern pflegtest, – machen mir das Alter leicht und nicht allein nicht beschwerlich, sondern sogar erfreulich. Wenn ich nun darin irre, daß ich an Unsterblichkeit der menschlichen Seele glaube, so irre ich gerne, und ich werde mir diesen Irrthum, an dem ich Freude finde, so lange ich lebe, nicht entreißen lassen. Sollte ich aber nach meinem Tode, wie gewisse kleinmüthige Philosophen 230 meinen, kein Bewußtsein mehr haben, so fürchte ich nicht, daß die todten Philosophen diesen meinen Irrthum verspotten. Ist es nun auch unsere Bestimmung nicht unsterblich zu sein, so ist es doch für den Menschen wünschenswerth, daß sein Leben zu seiner Zeit erlösche. Denn die Natur hat, wie für alle anderen Dinge, so auch für das Leben ein gewisses Maß festgesetzt. Das Greisenalter ist aber der letzte Aufzug des Lebens, wie der eines Schauspieles, und in ihm müssen wir die Ermüdung meiden, zumal wenn Sättigung hinzutritt.
Das sind die Gedanken, die ich über das Greisenalter vorzutragen hatte. Möget ihr doch zu demselben gelangen, damit ihr das, was ihr von mir gehört habt, durch eigene Erfahrung bestätigen könnet.