Читать книгу Was dich nicht umbringt - Mark Billingham - Страница 16

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»Danke fürs Kommen«, sagte Maria. »Ich bin ein bisschen … durch den Wind, um ehrlich zu sein.«

Ihr Exmann trat in die Küche, warf seine Jacke über einen der Barhocker und nahm Platz. Er fühlte sich in dem Haus, in dem er bis vor fünf Jahren gewohnt hatte, eindeutig wohl. »Warum um alles in der Welt hast du nicht gestern angerufen, als es passiert ist?«

»Ich hab gehofft, es würde sich von allein klären.« Maria setzte sich ihm gegenüber, auf die andere Seite der Kücheninsel. »Dass er wiederauftauchen würde.«

»Wie geht es Joshy?«

»Er ist völlig am Boden. Natürlich, was sonst.« Maria glitt vom Hocker und ging zur Tür. »Ich sag ihm, dass du hier bist.«

Jeff Ashton wartete und lauschte den Schritten seiner Exfrau, wie sie die zwei Treppen bis zum Zimmer ihres Sohnes hinaufging. Wenige Minuten später war sie zurück. Falls sie es seltsam fand, dass er Schranktüren öffnete und schloss, als wolle er überprüfen, ob während seiner Abwesenheit alles gut organisiert war, ließ sie es nicht durchblicken.

»Er kommt gleich runter.« Maria nahm wieder Platz und ließ die Schultern hängen. »Er ist immer noch ziemlich durcheinander.«

Ashton blickte auf und rief den Namen seines Sohnes. Er wartete einen Moment und hob dann frustriert die Arme.

»Ich finde es verständlich.« Sie sah ihm zu, wie er in der Küche auf und ab ging. »Du weißt ja, wie sensibel er ist.«

Ashton nickte, als wisse er das nur zu gut. Dann setzte er sich wieder hin und schaute sie an. »Wie war er zuletzt? Vor dieser Sache, meine ich.«

»Unverändert eigentlich. Er kommt nicht zur Ruhe. Letzte Woche hat er in der Schule ein Mädchen gebissen.«

»Warum hast du mir nichts davon erzählt?«

»Ich hatte schon Angst, sie würden ihn eine Weile suspendieren.«

Ashton beugte sich zu Maria hinüber. »Hör mal, soll ich ihn nicht ein paar Tage zu mir nehmen?«

»Nein.«

»Dann hast du mal Pause. Ich meine, die Sache hat dir offensichtlich zugesetzt.« Er wartete, bis sie seinem Blick begegnete. »Du wirkst fix und fertig.«

»Ich komme schon klar.« Maria setzte sich gerade auf und schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Lass uns bei unserem Arrangement bleiben.«

»Ich biete nur meine Hilfe an, Mazz …«

»Ich weiß, aber … Du hast ihn wieder am übernächsten Wochenende. Das Letzte, was er jetzt braucht, ist, dass zu allem Überfluss auch noch seine Routine durcheinanderkommt.«

Ashton nickte, als leuchte es ihm ein. Er stand wieder auf, ging zum Kühlschrank und nahm sich eine kleine Flasche Wasser. »Wie geht es deiner Freundin? Wie heißt sie noch?«

»Cat«, sagte Maria. »Sie heißt Cat.«

Maria wusste, dass Jeff ihre Freundin nie sonderlich gemocht hatte. Zu seinen zahlreichen Fehlern gehörte, dass er immer einen Hang zum Snobismus gehabt und sich offensichtlich gefragt hatte, wie eine Arztgattin mit einer Frau befreundet sein konnte, der es nichts auszumachen schien, von Sozialleistungen zu leben. Deren Partner, nicht zu vergessen, im Gefängnis saß. Maria hatte versucht, es ihm zu erklären. Und statt ihn mit der Nase darauf zu stoßen, dass sie nicht gerade über einen exorbitanten engeren Freundeskreis verfügte, hatte sie ihn darauf hingewiesen, dass auch sie keinen allzu großen Beitrag zum Gemeinwohl leistete. Nicht, solange sie in einem Haus wohnte, das jemand anders bezahlt hatte. Sie war eine Frau, die einmal wöchentlich zum Mittagessen und zum Friseur ging und ansonsten mit dem Geld, das sie jeden Monat von Jeff erhielt, gerade so über die Runden kam. Sie und Cat, hatte sie ihm erklärt, hätten mehr gemeinsam, als er oder wer auch immer es gern wahrhaben mochte.

»Es muss schrecklich für sie sein«, sagte er jetzt. »Mir wird schon ganz anders, wenn ich nur daran denke.« Er nahm wieder Platz. »Was, wenn es Josh gewesen wäre?«

»Das habe ich auch gedacht.«

Sie redeten noch eine Weile über Einzugsermächtigungen für Nebenkostenabrechnungen, über die anstehende Inspektion von Marias Auto und über ein Buchhaltungsproblem im Zusammenhang mit der Hypothek, das Maria in ihrem Stress nicht wirklich nachvollziehen konnte. Als ihnen die praktischen Themen ausgegangen waren, fragte Maria, wie es ihm ging.

Er schaute sie an.

»Ernsthaft. Wie läuft es bei dir?«

»Na ja, es gibt keine Neue, falls deine Frage darauf abzielt.«

»Das tut sie nicht.«

»Wenn es so wäre, würde ich es dir sagen«, erklärte er. »Von allem anderen mal abgesehen ist in der Praxis im Moment die Hölle los. Und bei dir?«

Sie lachte auf. »Keine Chance.«

»Das ist schade«, sagte er. »Wirklich.«

»Ich war tatsächlich mit jemandem etwas trinken.« Sie lächelte, als sie sah, wie er die Augenbrauen hochzog. »Ich hab mich stundenlang mit einem nagelneuen Outfit zurechtgemacht, bin dann ins Restaurant gegangen und hab anderthalb Stunden lang nur über Josh gequasselt. Der arme Kerl konnte gar nicht schnell genug wieder verschwinden.«

»Dann ist er ein Idiot.«

Maria war verlegen und ärgerte sich, weil sie merkte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Was meinst du, willst du zu einem frühen Abendessen bleiben?« Wieder schob sie sich die widerspenstigen Strähnen aus dem Gesicht. »Ich könnte schnell was in die Pfanne werfen.«

Es schien, als würde er über das Angebot nachdenken, dann aber sagte er: »Ich schätze, ich fahre lieber, sobald ich Josh gesehen hab. Sonntags ist der Verkehr meistens ziemlich übel.«

Eine Weile saßen sie schweigend zusammen. Ashton schaute zur Decke, aber oben war alles ruhig. »Glaubst du, es könnte ihn übersensibel machen, wenn er so viel mit dir zusammen ist? Du weißt schon … ein bisschen weich?«

»Sensibel bedeutet nicht weich«, sagte Maria.

»Ich meine ja bloß.«

»Erklär mal den Eltern des Mädchens, das er gebissen hat, dass er zu weich ist.«

Ashton nickte und dachte über ihre Antwort nach. »Tut mir leid, das alles ist einfach irgendwie …« Er schüttelte den Kopf. »Rufst du mich an, sobald es etwas Neues gibt?«

»Natürlich.«

»Oder wenn du deine Meinung änderst und Josh für eine Weile bei mir lassen willst?« Er setzte das Grinsen auf, das er stets als besonders gewinnend betrachtet hatte. »Oh, und sag Cat bitte, dass ich an sie denke.«

Maria brummte. »Ich glaube, im Moment hat sie keine Lust, mit mir zu reden.«

»Glaubt sie, es war deine Schuld?« Er wirkte erschrocken. »Das ist absolut unfair.«

»Sie hat ihr Kind verloren, Jeff«, sagte Maria. »Vielleicht sogar für immer. Zumindest muss ihr der Gedanke durch den Kopf gegangen sein.«

»Trotzdem.«

»Wie du eben gesagt hast: Was, wenn es Josh gewesen wäre? Wie würdest du dich fühlen?«

Langsam senkte Ashton den Kopf. Als er ihn kurz darauf wieder hob, standen ihm Tränen in den Augen.

Maria lächelte. »Genau, und ich bin diejenige, bei der Joshy verweichlicht.«

Was dich nicht umbringt

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