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FÜNFZEHN

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Als Josh an ihrer Seite zu schlagen und zu stöhnen begann, hätte Maria nicht sagen können, ob sie überhaupt schon geschlafen hatte. Sie versuchte, den schreienden und tretenden Jungen zu beruhigen, und spürte die Hitze seines Körpers. Als sie die Decke zurückschlug, sah sie, dass er die kleinen Fäuste geballt hatte. Seine Haare klebten am Schädel, und sein Schlafanzug war schweißnass.

Maria legte die Hand auf seine feuchte Stirn, bis die Schreie in ein leises Wimmern übergingen. »Ist ja gut, Joshy … alles ist gut.«

Schon vor einer ganzen Weile war deutlich geworden, wie sehr ihr Sohn unter der Scheidung und den Folgen litt. Immer wenn sie geglaubt hatte, dass er sich langsam beruhigte, gingen die Probleme von vorne los. Ein Wutanfall zu Hause ohne erkennbaren Grund, ein Schreikrampf im Auto, ein »Vorfall« in der Schule. Sie beobachtete, wie sich Josh schluchzend von ihr wegdrehte. Jetzt, wo sein bester Freund verschwunden war, drohte alles noch schlimmer zu werden.

»Ich bin hier, Hühnchen.«

Sein einziger Freund, um genau zu sein. Etwas, das ihr Sohn und sie gemeinsam hatten, dachte Maria. Hier im Dunkeln gestand sie sich ein, dass zumindest er einen Grund dafür hatte, warum es ihm schwerfiel, tiefere Freundschaften aufzubauen. Josh hatte schon immer ein wenig zum Einzelgängertum geneigt, hatte gern allein gespielt. Allerdings dürfte es noch schwerer werden, Nähe zu anderen aufzubauen, wenn seine erste spontane Reaktion darin bestand, sie anzubrüllen. Oder Schlimmeres zu tun.

Es tut mir leid, Mrs Ashton, aber ich muss auch die Gefühle der Eltern des Mädchens berücksichtigen. Sie hat eine hässliche Narbe zurückbehalten, und wir können einfach nicht zulassen, dass sich dieses Verhalten wiederholt …

Obwohl Beißen weder für sie noch für Jeff jemals infrage gekommen war, musste sie daran denken, wie sie sich angeschrien hatten – und was sie noch getan hatten. Sie dachte an seine ersten spontanen Reaktionen. Und an ihre. Mit Tränen in den Augen starrte Maria hoch zur Deckenlampe und dachte, dass es nett von ihm gewesen war, heute vorbeizukommen.

Aufmerksam, auch wenn sie diesen Begriff sonst selten mit ihm in Verbindung brachte.

Es war ihr kein bisschen unangenehm gewesen.

Zu sehen, wie sehr er sich um Josh sorgte und wie durcheinander er gewesen war, als er das Haus verließ, hatte sie ein wenig … bewegt. Der Begriff mochte altmodisch sein, aber ihr fiel kein besserer ein. Sie würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass Gefühle wiederaufgelebt wären, die sie längst für tot und begraben gehalten hatte. Das wäre lächerlich. Aber zumindest konnte sie sich wieder erinnern, warum sie ihn einmal geliebt hatte. Warum sie ihn – seiner Selbstsucht, seinem Snobismus und allem anderen zum Trotz – immer noch mochte.

Zwischen ihnen bestand, über Josh hinaus, noch immer eine Verbindung.

Sie strampelte die Decken ganz nach unten und fragte sich, was hätte passieren können, wenn Jeff zum Abendessen geblieben wäre. Hatte er es insgeheim gewollt? Jedenfalls hatte er es sich nicht entgehen lassen, ihr mitzuteilen, dass er mit niemandem zusammen war.

Josh stöhnte und rollte sich dicht an der Bettkante zusammen.

Mit einem Mal fand Maria ihre Gedanken sehr dumm und sehr egoistisch. Sie streckte sich und zog ihren Sohn sanft an sich. Sie legte ihm einen Arm um die heiße, dünne Hüfte und ließ ihn dort.

Sie erinnerte sich daran, dass es in ihrem Leben nur einen Mann gab, der zählte.

Cat öffnete die Augen und richtete sich auf. Sie wusste nicht genau, was sie so plötzlich geweckt hatte. Umso besser wusste sie aber, warum sie sofort nach dem Haufen benutzter Papiertaschentücher auf dem Nachttisch griff. Sie presste die Taschentücher aufs Gesicht, gleichzeitig wütend und verstört. Frustriert und zornig auf das, was sie gezwungen hatte, sich von Kieron loszureißen, oder zumindest von einem Traum, in dem er vorgekommen war. Der Traum begann bereits zu verschwinden, wie Wasser, das wirbelnd in den Abfluss lief. Aber die Einzelheiten waren nicht so wichtig. Sie hätte nicht mal beschwören können, dass Kieron wirklich da gewesen war, an ihrer Seite oder zumindest in der Nähe. Aber immerhin war sie im Traum glücklich gewesen.

Ein Traum von früher.

Aus der Zeit vor dem Grauen.

Als noch kein Stein auf ihrer Brust gelegen hatte, hart und schwer.

Sie hörte einen Knall, dann ein metallisches Klappern im Flur vor der Wohnungstür. Dieser Lärm musste sie geweckt haben. Jemand trat gegen die Aufzugstür, jedenfalls klang es so. Irgendwelche Kids wahrscheinlich. Oder jemand, der betrunken nach Hause kam.

Sie stand auf, zog sich ein altes T-Shirt und einen Slip an.

Jetzt klopfte jemand an eine Tür ganz in der Nähe. Sie hörte laute und noch lautere Stimmen. Scheißkerle …

Sie rannte beinahe zur Tür, ein paar derbe Flüche auf der Zunge. Mit einem Mal stand sie unter Strom und war dankbar für die Möglichkeit, den Leuten da draußen ganz genau zu erklären, was sie von ihnen hielt. Sich einen Teil ihres Schmerzes von der Seele zu schreien. Zu treten, zu schlagen und zu kratzen, wenn es darauf ankam.

Das schreckliche Gewicht dieses Steins.

Sie riss die Tür auf und sah einen Mann in einem weißen Plastikanzug, der eine schwere Metallkiste zur Tür der Nachbarwohnung schleppte. Klappernd stellte er sie ab. Dann war es also nicht die Aufzugstür gewesen, dachte sie, denn die öffnete sich gerade und entließ zwei weitere Gestalten in Plastik-Strampelanzügen, die ebenfalls Metallkisten trugen. Ein hämmerndes Geräusch ließ sie herumfahren: Zwei uniformierte Polizisten gingen laut klopfend von Wohnungstür zu Wohnungstür und warteten darauf, dass ihnen jemand öffnete.

Einer der Bullen bemerkte sie und erstarrte. Sie schlang sich die Arme um den Oberkörper und war sich plötzlich bewusst, dass sie halb bekleidet auf dem Flur stand. Der Polizist wandte sich ab, trat auf seinen Kollegen zu und redete leise auf ihn ein.

Kurz schaute der zweite Polizist in ihre Richtung, sonst nichts. Plötzlich wirkten die beiden nur noch dämlich und verunsichert. Irgendwie schuldbewusst, trotz ihrer Uniformen.

Catrin starrte sie an, doch die Polizisten konnten den Blick nicht erwidern.

Was dich nicht umbringt

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