Читать книгу Countdown Marathon - Markus Brennauer - Страница 19

„The Flo“ und Nominierungskriterien - Kann ich bei der WM überhaupt mitlaufen?

Оглавление

Die Unterkunft war gebucht, aber ich war noch nicht angemeldet. Ich versuchte wiederholt mein Glück mit der offiziellen Seite des „Trail Sacred Forests“, der offiziellen Seite der Trailrunning-WM 2017. Auf der Startseite strahlte mir sofort wieder der Link zur Anmeldung entgegen, doch auf meinen Mausklick hin passierte wieder … nichts. Leider wurde auch nicht, wie sonst üblich, die Zielseite des Links per Pop-Up-Fenster am unteren linken Bildrand des Browsers angezeigt, sodass ich die Anmeldeseite nicht händisch eintippen konnte. Ich blieb hartnäckig und durchsuchte die Seite weiter. Ganz oben entdeckte ich eine Navigationsleiste, die unter anderem in so vielsagende Kategorien wie „Where“ oder „Press“ eingeteilt war, auch die anderen Kategorien „Accomodation“, „Sponsor“, „The Park“, „Be a volontaire“ und „Contacts“ klangen nicht vielversprechend. So klickte ich auf den einzigen Link, von dem ich nicht genau wusste, wohin er mich führen würde, ich wählte den „Where“-Button. Sofort sprangen mir vier neue, grau hinterlegte Buttons entgegen, die mit folgenden Titeln versehen waren: „Google Maps“, „Google Earth“, „Webcam“ und „Weather“. Alles durchaus lohnenswerte Links, die mich im Moment aber überhaupt nicht interessierten, ich klickte aber trotzdem darauf. Es passierte, mal wieder, nichts. Trotzdem scrollte ich weiter nach unten, überflog in Kürze den Text und kam nach wenigen Sekunden zu einem weiteren Button. Hier stand doch tatsächlich „Sign up“. Ich machte mir wenig Hoffnung, drückte aber trotzdem die linke Maustaste. Und tatsächlich, ich wurde auf eine neue Seite weitergeleitet. Diese Seite sah tatsächlich aus, als ob man sich hier für den Traillauf anmelden könnte. Man musste sich dafür allerdings zunächst bei einem Meldeportal registrieren. Nichts Besonderes, wäre da nicht Zeile 15 der Anmeldemaske gewesen.

Das Anmeldeportal wollte doch wirklich die Nummer meines Personalausweises wissen. Handynummer und weitere persönliche Daten waren natürlich ebenfalls Pflichtfelder. Ich hatte noch nie die Nummer meines Personalausweises irgendwo eintragen müssen, mit Ausnahme bei der Beantragung meines Einreisevisums für die USA. Wollten die Verantwortlichen der Trailrunning-WM auf diese Weise vielleicht mögliche Terroristen oder andere „Gefährder“ für das Event im Vorfeld identifizieren und aussortieren? Ich zögerte. Ich entschied, mich zunächst nicht anzumelden. Es gäbe sicherlich kein Starterlimit bzw. ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Startplätze bereits jetzt, Anfang Februar, knapp werden würden. Da ich diese Vermutung auf der offiziellen Seite der Trailrunning-WM nicht überprüfen konnte, surfte ich sicherheitshalber auf die Seite der „International Trailrunning Association“ (ITRA). Auf der Startseite befand sich ein Link zu einer Unterseite, die sich mit der Trailrunning-WM 2017 beschäftigte. Leider gab es hier keinen direkten Link zur Ausschreibung, sondern nur allgemeine Informationen zur WM. Die allgemeinen Informationen waren zunächst nicht sehr hilfreich, bei einem Satz blieb ich allerdings hängen. Man könnte sogar sagen, ich stolperte über ihn und kam fast zu Sturz. Dieser Beinahe-Sturz hätte fast zu einer vorzeitigen Aufgabe geführt, zum Abbruch meines Projekts, bevor es überhaupt richtig losgegangen war. Dieser Satz teilte mir nämlich mit, dass die jeweiligen Landesverbände die Teilnehmer für die WM nominieren und die Regularien dafür selbst festlegen. Ich konnte mich für die Weltmeisterschaft gar nicht selbst anmelden, sondern musste von irgendjemandem für die Nationalmannschaft vorgeschlagen und für das Event vom nationalen Verband gemeldet werden. Bislang war ich davon ausgegangen, dass sich jeder, der wollte, für die Traillauf-WM anmelden könnte. Natürlich wusste ich, dass bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Olympischen Spielen in der Leichtathletik, auch bei Laufwettbewerben, der Deutsche Leichtathletik Verband die Meldehoheit hat und bestimmt, wer teilnehmen darf und wer nicht. In der jüngsten Vergangenheit wurde ja vor allem im Marathon viel diskutiert, ob die Normen des DLV nicht zu hoch angesetzt wären. Für Olympia hatte sich der Verband dann endlich einmal dazu „herabgelassen“, für die meisten Disziplinen die deutlich leichteren, internationalen Normen zu übernehmen. Für die Weltmeisterschaft 2017 sind die Verantwortlichen aber wieder in ihre alten Verhaltensmuster zurückgefallen, und haben teilweise deutlich härtere nationale Normen beschlossen, als sie der Weltverband IAAF vorgibt. Diese Regelung muss man als Athlet und als Trainer nicht unbedingt verstehen, schließlich wird so dem Großteil der Deutschen suggeriert, dass unsere Läuferinnen und Läufer zu schlecht für solche Meisterschaften sind. Dass dies letztendlich ein Bumerang für die Verantwortlichen des Deutschen Leichtathletik Verbandes ist, bedenken anscheinend die Wenigsten. Denn letztendlich sind die Bundestrainer für die Leistung ihrer Athleten verantwortlich, zumindest in den Augen der breiten Öffentlichkeit, die sich nicht so intensiv mit der Materie beschäftigen wie wir Läufer. Somit führt demnach eine Nichtnominierung deutscher Läufer für Großereignisse zu dem Schluss, dass die Führungsriege des DLV nicht kompetent genug sei, ihre Athletinnen und Athleten international konkurrenzfähig zu machen. Dabei sehen die Zuschauer lieber einen deutschen Athleten, der im Vorlauf ausscheidet und dabei alles versucht hat, als einen Vorlauf, in dem kein deutscher Läufer vertreten ist.

Wie Sie vielleicht bemerkt haben, kenne ich mich mit den Nominierungsrichtlinien des Deutschen Leichtathletik Verbandes sehr gut aus, aber ich wusste im Moment nicht einmal, welcher Verband oder welcher Trainer für die Nominierung zu einer Traillauf-WM verantwortlich wäre. Ich hatte zwar mitbekommen, dass Florian Neuschwander 2016 Vizeweltmeister im Traillauf geworden war, hatte mir aber nie Gedanken darüber gemacht, wie er sich für dieses Event qualifiziert hatte bzw. ob er sich überhaupt dafür qualifizieren musste. Florian Neuschwander ist der einzige Trailläufer, den ich in der Vergangenheit wahrgenommen hatte. Das lag nicht nur an seiner immer stärker werdenden Präsenz in den Medien, sondern daran, dass ich gegen ihn Rennen gelaufen war, lange bevor er Deutschlands bekanntester Trail- und Ultraläufer wurde. Damals war „The Flo“ regelmäßiger Gast bei Bahn- und Straßenläufen und war einer der besten deutschen Juniorenläufer. Seine Bestzeiten auf den Distanzen von 1.500 m bis 10.000 m waren deutlich besser als meine. Trotzdem hängte ich mich 2007 bei einem 1.500-Meter-Wettkampf in Dachau an seine Fersen, um auf der letzten Runde „einzugehen“ und ihn davonziehen lassen zu müssen. Florian gewann, ich wurde Dritter. Auch bei einigen anderen Läufen kreuzten sich unsere Wege. Ich kam mit ihm zwar nie länger ins Gespräch, allerdings war bei uns in Läuferkreisen bekannt, dass Florian ein besonderer Läufer war, der gerne seine eigenen, teilweise unkonventionellen Wege ging. Als er in den vergangenen Monaten immer stärker ins Licht der Öffentlichkeit rückte, war ich zunächst skeptisch und belächelte „The Flo“. im Laufe der Zeit wandelte sich diese Skepsis allerdings hin zu einer Art Bewunderung. Florian machte einfach das, worauf er Lust hatte und kümmerte sich wenig um irgendwelche ungeschriebenen Läufergesetze. Er machte sein Ding. Trotz seiner Ultralaufambitionen startete er hin und wieder bei ganz normalen Volksläufen auf den traditionellen Distanzen, um vielleicht eine Woche später bei irgendeinem Traillauf so nebenbei einen neuen Streckenrekord aufzustellen. Ich muss sagen, ich war beeindruckt von seinem Auftreten und seiner Selbstdarstellung, die ehrlich und unprätentiös ist. Ihm war und ist es egal, wenn er mit seiner Meinung aneckt und damit vielleicht nicht dem Mainstream folgt. Mittlerweile ist er selbst zum Mainstream geworden und immer mehr Läufer folgen ihm. Sogar ich kann mich ihm nicht mehr entziehen und lese zumindest seine monatlichen Beiträge in „Runner`s World“ oder den ein oder anderen Artikel im Internet, der sich mit ihm beschäftigt oder von ihm verfasst wurde. Jetzt interessierte mich vor allem, warum er für Deutschland bei den Traillaufweltmeisterschaften 2016 laufen durfte.

Nach kurzer Recherche stieß ich auf die Deutsche Ultramarathon Vereinigung (DUV), hier schien ich richtig zu sein. Hier gab es Informationen zu sämtlichen Meisterschaften (50 km, 100 km, 24 Stunden, Traillauf, deutsche Meisterschaften, Weltmeisterschaften…), zur Nationalmannschaft, Ergebnisse von unzähligen Veranstaltungen aus der ganzen Welt und viele, viele weitere interessante Fakten. Auf der recht übersichtlichen Seite fand ich mich schnell zurecht und stieß auch relativ bald auf eine Unterseite, auf der zumindest auf die Trailrunning-WM 2017 hingewiesen wurde. Aber viel mehr als der Termin selbst und ein Link auf die Veranstalterseite waren nicht zu finden. Auch konnte ich keine Nominierungskriterien für die Weltmeisterschaften der vergangenen Jahre ausfindig machen, natürlich schon gar nicht für die WM 2017. Zumindest hatte ich aber die Ergebnisliste der vergangenen Traillauf-WM gefunden und erhoffte mir davon, einige Informationen herauszufinden, z. B. wie viele deutsche Athleten bei den vergangenen Weltmeisterschaften am Start waren, wie viele Athleten also pro Nation bei dieser Veranstaltung antreten dürfen. In der Ergebnisliste fand ich jeweils drei deutsche Läuferinnen und Läufer, allerdings zehn portugiesische Athleten. Da die WM in Portugal stattgefunden hatte, konnte die mehr als deutliche Diskrepanz in der Anzahl der Teilnehmer auf zwei Arten erklärt werden: Entweder durfte der portugiesische Verband als Ausrichter mehr Athleten nominieren als alle anderen Verbände, was in manch anderen Sportarten durchaus der Fall ist, man denke an die Vierschanzentournee der Skispringer, bei der Deutschland und Österreich zumindest in der Qualifikation deutlich mehr Athleten stellen dürfen als die anderen nationalen Verbände. Oder aber die Zahl der Athleten pro Nation ist nicht festgelegt und der deutsche Verband hatte beschlossen, nur jeweils drei Teilnehmer zu nominieren. Wie auch immer, ich musste herausfinden, wie ich mich für diese WM qualifizieren können würde. Ich suchte also weiter, wurde aber nicht fündig. Auch für die vergangenen Weltmeisterschaften konnte ich keine Internetseite ausfindig machen, die mich über das Qualifikationsprozedere aufgeklärt hätte. Bis zur WM waren es zwar noch deutlich mehr als vier Monate, doch falls es irgendwelche Qualifikationswettkämpfe geben würde, müssten diese deutlich vor der WM stattfinden, sodass man als Athlet langsam aber sicher mit der Planung für diese eventuellen Quali-Wettkämpfe beginnen wollte bzw. sollte. Ich hing somit quasi in der Luft und war mir nicht mehr sicher, ob ich unter diesen Voraussetzungen meine ganze Saisonplanung auf ein Event ausrichten sollte, von dem ich bislang nicht einmal wusste, ob ich daran teilnehmen könne oder nicht. Aus diesem Grund beschloss ich auf jeden Fall beim Sacred Forest Trail mitzulaufen, egal ob im offiziellen WM-Rennen über 50 Kilometer (Startzeit: 8:30 Uhr) oder beim auf exakt derselben Strecke ausgetragenen „normalen“ 50-km-Rennen (Startzeit: 10:30 Uhr). „Zur Not“ hätte ich auch auf die Kurzdistanz (25 Kilometer) ausweichen können. Auf jeden Fall stand fest, ich würde an diesem Juni-Wochenende im Apennin ein Rennen laufen.


Countdown Marathon

Подняться наверх